Wissenschaftsbarometer 2024 Mehr Menschen vertrauen in Klimaforschung
Mithilfe des Wissenschaftsbarometers wird ermittelt, wie die Menschen in Deutschland zur Wissenschaft und Forschung stehen. Die aktuellen Ergebnisse zeigen: Mehr Menschen vertrauen der Klimaforschung.
Die gemeinnützige Organisation "Wissenschaft im Dialog" (WiD) erhebt seit 2014 jährlich Daten in einer repräsentativen Umfrage. Dafür wurden mehr als 1.000 Telefoninterviews mit Menschen ab 14 Jahren geführt. Das Ziel: Herausfinden, wie die Leute in Deutschland zu Wissenschaft und Forschung stehen.
Die Ergebnisse: Die meisten Menschen (82%) fühlen sich mindestens einigermaßen gut über neue Entdeckungen in Wissenschaft und Forschung informiert. Außerdem ist das Vertrauen in die Forschung stabil. Mehr als die Hälfte der Befragten vertrauen ihr "voll und ganz" oder "eher" (55%), einige sind unentschieden (34%) und 9 Prozent der Befragten vertrauen Wissenschaft und Forschung "nicht" oder "eher nicht". Damit sind die Werte ähnlich wie in den Vorjahren.
Langzeittrends ablesbar
Weil WiD das Wissenschaftsbarometer nun schon seit zehn Jahren erstellt, lassen sich daran inzwischen auch Langzeittrends ablesen. Laut Liliann Fischer, Programmleiterin bei WiD, sticht bezüglich des Vertrauens vor allem die Anfangszeit der Covid-19-Pandemie heraus:
"Wir hatten eine Erhebung im Frühjahr 2020, wo wir tatsächlich 73 Prozent der Bevölkerung in unserer Stichprobe hatten, die gesagt haben, sie vertrauen eher oder voll und ganz in Wissenschaft und Forschung. So hohe Werte hatten wir davor und danach nicht mehr."
Warum das so ist, darüber trifft das Wissenschaftsbarometer keine Aussagen. Fest steht, laut Fischer, dass Forschende während der Pandemie konstant sehr hohe Vertrauenswerte genossen haben - insbesondere im Vergleich zu anderen Gruppen in der Gesellschaft.
Vertrauen in Klimaforschung gestiegen
In diesem Jahr deutlich gestiegen ist das Vertrauen in wissenschaftliche Aussagen zum Klimawandel und zu erneuerbaren Energien. Zuletzt danach gefragt wurde im Jahr 2016. In den Anfangsjahren des Wissenschaftsbarometers lag der Wert zum Vertrauen in wissenschaftliche Aussagen zum menschengemachten Klimawandel bei maximal 39 Prozent, dieses Jahr liegt er bei 59 Prozent. Beim Thema erneuerbare Energien lag das Vertrauen in wissenschaftliche Aussagen bei höchstens 53 Prozent, in diesem Jahr bei 65 Prozent.
Fischer erklärt das so: "Die Themen sind natürlich im Moment auch viel stärker auf der Tagesordnung, viel stärker im öffentlichen Bewusstsein, werden politisch stärker bearbeitet. All das trägt natürlich auch dazu bei, dass diese Themen jetzt bei den Menschen stärker besetzt sind." Beispielsweise die Bewegung "Fridays for Future" hat seit 2018 mehr Klimabewusstsein ausgelöst.
Wenig Vertrauen unter AfD-Anhängern
Bei den Befragten, die die AfD wählen würden, ist die Skepsis in diesem Bereich allerdings deutlich größer: 41 Prozent von ihnen vertrauen zwar auf Forschung zu erneuerbaren Energien. Beim menschengemachten Klimawandel sind es dann aber nur noch 15 Prozent der Befragten, die den Aussagen von Forschenden glauben.
Fischer hat dafür einen Erklärungsansatz: Unter Wählerinnen und Wählern der AfD sei das Vertrauen in Aussagen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern generell geringer. Außerdem mache es einen Unterschied, ob es um reine Wissenschaftsthemen oder Technologien gehe.
"Technologien werden häufig anders bewertet als Forschungsthemen", sagt Fischer. "Und man muss auch dazu sagen: Wir haben in der Befragung ja ganz explizit nach dem menschengemachten Klimawandel gefragt. Das ist ein hochpolitisiertes Thema, wo natürlich auch ideologische Einstellungen eine Rolle bei der Beantwortung spielen."
Einfluss der Wissenschaft für viele zu gering
Eine weitere Auffälligkeit in diesem Jahr: Lange Zeit haben nach und nach immer mehr Menschen gesagt, dass der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik nicht zu wenig, sondern genau richtig ist. In diesem Jahr gibt es eine Trendwende: Fast die Hälfte der Menschen sagt, dass der Einfluss der Wissenschaft (eher) zu niedrig ist, nur 16 Prozent halten ihn für (eher) zu groß.
Einfluss von Politik und Wirtschaft gefühlt zu hoch
Andersherum sieht es deutlich anders aus: Die meisten Menschen halten den Einfluss der Politik und insbesondere der Wirtschaft auf Wissenschaft und Forschung für zu groß. Weit mehr als die Hälfte der Befragten hält es sogar für wahrscheinlich, dass Forschenden von Geldgebern aus Wirtschaft (69%) oder Politik (55%) vorgeschrieben wird, was sie kommunizieren dürfen.
"Es gibt einfach so ein grundlegendes Gefühl, Politik und Wirtschaft nehmen Einfluss auf die Wissenschaft in einem Maße, was uns zu hoch ist. Aber andersrum fließen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht in dem Maße in die Politik ein, wie sich die Befragten das vorstellen", sagt Fischer.
Viele fordern Mitspracherecht bei Forschungsthemen
Außerdem sind viele Menschen dafür, dass Bürgerinnen und Bürger mit darüber entscheiden sollten, woran geforscht wird. Selbst aktiv werden - also an Studien teilnehmen oder mit Forschenden diskutieren - wollen aber vergleichsweise wenige.
Unterschiede je nach Bildungsabschluss
Unterschiede zeigen sich dabei zwischen den verschiedenen formalen Bildungsniveaus: Während Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen mehr Interesse daran haben, mitzuforschen und zu diskutieren, haben Menschen mit niedrigeren Abschlüssen größeres Interesse daran, über neue Forschungsthemen mitzuentscheiden.
Laut Liliann Fischer könnte es sein, dass Menschen mit hohem formalem Bildungshintergrund eher das Gefühl haben, sie könnten überhaupt mitforschen und sich eher in der Lage sehen, mit Wissenschaftlerinnen zu diskutieren - auch auf Augenhöhe.
Gleichzeitig scheine es solchen Menschen leichter zu fallen, die Entscheidung über Forschungsthemen abzugeben. Menschen mit weniger Bildung würden möglicherweise gerne mehr mitreden, weil "ihnen vielleicht auch nicht klar ist, warum diese Entscheidung getroffen wird oder warum manchmal auch Themen gewählt werden, die für sie nicht so alltagsrelevant sind", sagt Fischer.
Aus ihrer Sicht sollte die Wissenschaftskommunikation die Ergebnisse zum Anlass nehmen, wissenschaftliche Formate zu schaffen, bei denen sich auch Leute, die weniger gebildet sind, willkommen fühlen. Außerdem könnte der Entscheidungsprozess über Forschungsthemen transparenter gestaltet werden, findet Fischer.