Studie der Universität Freiburg Noch nie sind so viele Bäume abgestorben
Eine Langzeitstudie hat jetzt erstmals bestätigt: Der menschengemachte Klimawandel ist für das massive Baumsterben in Deutschland verantwortlich. Und es wird immer schlimmer.
Es sind apokalyptische Bilder im Schwarzwald: Grau-rote Fichten ziehen sich über Bergrücken, einst stolze Buchen sind kahl und kraftlos. Die Bäume sterben - nicht einzelne Stämme, sondern ganze Waldstücke sind unwiederbringlich verloren. Ähnlich verhält es sich auch in anderen Wäldern Deutschlands. Zum Beispiel im niedersächsischen Harz: Zwei Drittel der Fichten sind dort bereits abgestorben.
Dass der menschengemachte Klimawandel für den Tod der Wälder verantwortlich ist, wurde in der Wissenschaft schon lange angenommen. Jetzt liefert eine neue Studie Beweise für einen kausalen Zusammenhang.
Der Wald kann sich nicht anpassen
"Noch nie sind so viele Bäume abgestorben", sagt Heinrich Spiecker von der Universität Freiburg. Er ist Experte für Waldwachstum und hat zusammen mit seinem Kollegen Hans-Peter Kahle eine Studie über das Baumsterben im Schwarzwald veröffentlicht. Über 68 Jahre konnten sie nachvollziehen, wie viele Bäume auf einem Gebiet von 250.000 Hektar abgestorben sind und was die Gründe für den Tod der Bäume war.
"Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen der Witterung, das heißt dem Wasserhaushalt und der Sterberate", sagt Spiecker im Gespräch mit dem SWR. "Hohe Temperatur und geringer Niederschlag fördern die Sterberate. Geringe Temperatur und hoher Niederschlag erhöhen die Vitalität der Bäume."
Die trockenen und heißen Zeiten werden länger
Mit anderen Worten: Je kühler und feuchter, desto wohler fühlen sich die Bäume in Deutschland. Doch die trocken-heißen Perioden werden durch den Klimawandel immer länger. Darauf ist der Wald nicht vorbereitet. "Normalerweise sterben circa zwei bis fünf Prozent ab. In den vergangenen Jahren waren das aber vierzig Prozent", sagt Spiecker.
Die Situation sei auch nicht mit dem Waldsterben in den 1990er Jahren vergleichbar. Damals seien Schadstoffe in der Luft verantwortlich gewesen. "Als wir zum Ende des letzten Jahrhunderts über das Waldsterben gesprochen haben, da waren es maximal zehn oder zwölf Prozent. Also mit anderen Worten: So hohe Sterberaten wie heute haben wir bisher noch nicht erlebt."
Der Borkenkäfer gibt den Bäumen den Rest
Die heiß-trockenen Perioden stressen die Bäume, machen sie verwundbar. Insekten wie der Borkenkäfer nutzen die Schwäche der angeschlagenen Bäume aus und fressen sich durch die Rinde. Dabei unterbrechen sie die sogenannten Saftstromleitungen, die Nährstoffe von den Wurzeln zu den Blättern transportieren.
Auch für dieses Phänomen konnte die Freiburger Studie einen kausalen Zusammenhang zum Klimawandel herstellen: In heiß-trockenen Perioden hätten sich die Populationen der Borkenkäfer stärken ausbreiten können und so das Baumsterben beschleunigt.
Umbau des Waldes
Ist der Wald in Deutschland also hoffnungslos verloren? Momentan gibt es zwei Ansätze, die zur Rettung verfolgt werden. Das eine Modell besagt, dass der Wald sich von selbst regeneriere. Man müsse eine unschöne Zeit überbrücken, in der der alte Bestand absterbe, bevor sich hitzeresistente Arten durchsetzen würde.
Spiecker favorisiert einen anderen Ansatz. "Wir sollten bestimmte Baumarten pflanzen, den Bäumen mehr Wuchsraum und Platz geben und Mischbestände fördern. Dazu müssen wir auch Baumarten aus anderen Regionen der Welt einführen."
Er schränkt aber auch ein: "Unser Wissen zum Waldwachstum ist begrenzt und mit vielen Unsicherheiten behaftet." Wie und ob der Wald zu retten ist, sei derzeit noch vollkommen ungewiss.