Forscher zum Sonnensturm "Eine bestimmte Farbe für jede Art von Atom"
Wie entstehen Polarlichter? Was ist bei einem Sturm los im Zentrum unseres Sonnensystems? Und wie gelingen Fotos der Lichter am besten? Einblicke in ein Phänomen gibt Sami K. Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
tagesschau.de: Wie entsteht das Phänomen der Polarlichter?
Sami K. Solanki: Polarlichter entstehen weit oben, mehrere hundert Kilometer über dem Erdboden, wenn geladene Teilchen von der Sonne auf die Erde kommen. Diese geladenen Teilchen werden hinausgeschleudert in sogenannten koronalen Massenauswürfen. Da werden wirklich Milliarden von Tonnen Material von der Sonne in Richtung Erde geschleudert, mit tausenden von Kilometern pro Sekunde Geschwindigkeit, also sehr schnell.
Einen Tag später treffen sie auf das Magnetfeld der Erde. Das ist auch gut so, das schützt uns. Das wird dann aber in Unruhe gebracht. Und da gelangen auch geladene Teilchen näher an die Erde, wo sie mit den Bestandteilen der Erdatmosphäre, also Stickstoff und Sauerstoffatomen, zusammenstoßen, die zum Leuchten anregen. Das gibt diese wunderschönen Phänomene und Farben, die wir sehen.
tagesschau.de: Wie entstehen diese Farben konkret?
Solanki: Wenn diese geladenen Teilchen auf einzelne Atome treffen, dann werden sie angeregt und kommen wieder zurück in ihren Grundzustand. Dabei wird Licht ausgesendet. Dieses Licht hat eine ganz bestimmte Farbe für jede Art von Atom, jede Art von Übergang. Die Übergänge, die am besten angeregt werden, sind rot und grün. Deshalb gib es auch hauptsächlich diese zwei Farben. Aber es gibt auch andere.
tagesschau.de: Warum gibt es denn bei der Sonne überhaupt diese Phasen großer und relativ schwacher Aktivität?
Solanki: Das hat alles mit dem Magnetfeld der Sonne zu tun. Genau wie die Erde hat die Sonne auch ein Magnetfeld. Dieses ist aber viel turbulenter, verändert sich sehr viel schneller als das der Erde. Und alle elf Jahre circa haben wir eine Zeit, wo das Magnetfeld der Sonne stark ist. Und zu diesen Zeiten gibt es auch viel mehr Eruptionen, auch große Eruptionen, wie wir sie in den letzten Tagen gesehen haben. Die führen dann eben zu diesen sogenannten Sonnenstürmen.
tagesschau.de: Nun gibt es Warnungen, dass unter anderem GPS, Stromnetze, Raumschiffe und Satellitennavigation beeinträchtigt sein könnten. Wie genau beeinflussen denn diese elektrisch geladenen Teilchen der Sonne die Technologien?
Solanki: Oft dadurch, dass die Ionosphäre der Erde, das ist eine Schicht oberhalb der eigentlichen Atmosphäre, gestört wird. Und dadurch kommen dann auch diese Signale nicht mehr so gut durch. Das stört diese Systeme. Wenn ich sehr viele geladene Teilchen auf das Stromnetz rauflade, dann gibt es Stromstöße. Das ist gestern Nacht auch passiert. In Großbritannien gab es zum Beispiel einen sehr heftigen Stromstoß, aber zum Glück hat das Netz dem Stand gehalten.
tagesschau.de: Die Sonne scheint seit viereinhalb Milliarden Jahren. Es wird geschätzt, dass sie noch Brennstoff für weitere fünf Milliarden Jahre hat. Wie wird sich denn die Aktivität der Sonne im Laufe dieser Zeitspanne verändern?
Solanki: Also im Verlauf ihres Lebens hat sich die Aktivität der Sonne stark verändert. Sie war sehr stark. Wenn ich zurückgehe, vor vier, fünf Milliarden Jahren, dann war das Pipifax, was wir jetzt haben. Da hat sie noch viel stärkere Auswirkungen gehabt, auch massivere Eruptionen. Im Schnitt wird die Sonnenaktivität abnehmen. Sie wird ruhiger werden.
tagesschau.de: Es soll ja auch in den kommenden Nächten noch möglich sein, die Polarlichter zu sehen. Was muss man denn beachten, wenn man die Polarlichter nicht nur sehen will, sondern auch fotografieren oder vielleicht sogar filmen möchte?
Solanki: Man müsste die Kamera auf ein Stativ stellen, damit es ruhig bleibt. Die Aufnahmen, die ich gestern gemacht habe, wurden etwa zehn Sekunden lang belichtet. Allerdings habe ich auch mit dem Handy zwischendurch einfach von der Hand aus Aufnahmen gemacht, die auch ganz ordentlich geworden sind.
Das Gespräch führte Ralph Baudach bei tagesschau24. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redaktionell bearbeitet.