Verhandlungen in Südkorea Ölstaaten verhindern UN-Abkommen zum Plastikmüll
In Südkorea sind die UN-Verhandlungen zum Plastikmüll vorerst gescheitert. Einige Ölförderländer hatten zuvor Vorgaben zur Plastikproduktion abgelehnt. Kommendes Jahr soll dennoch weiterverhandelt werden.
Um 1.20 Uhr in der Nacht fällt in Busan der Hammer. Mit den Worten "Nichts gilt als vereinbart, so lange nicht in allen Punkten Einigkeit herrscht" schließt der Verhandlungsführer des UN-Plastikgipfels die Verhandlungen für ein internationales und verbindliches Plastikabkommen. Eigentlich hätte hier ab 17 Uhr Ortszeit ein Entwurf für ein solches Abkommen zur Abstimmung stehen sollen. Nun ist der einzige Beschluss, auf den sich die Vertreter von 178 Ländern einigen konnten, der, dass man sich nicht einigen konnte und dass die Verhandlungen im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Bereits vor Beginn der Verhandlungen in Busan war klar, dass es in vielen grundsätzlichen Punkten einen breiten Dissens gibt. Sogar die Frage, wo das Abkommen ansetzen soll, wurde bis zum Schluss debattiert. Reicht es, die Abfallsammelsysteme zu verbessern und mehr Plastik zu recyceln? Oder sollte es Regelungen zur Produktion von neuem Plastik enthalten? Derzeit werden weltweit rund 400 Millionen Tonnen Plastik jedes Jahr produziert, recycelt werden davon im weltweiten Schnitt weniger als zehn Prozent.
Fast 150 Millionen Tonnen werden nicht fachgerecht entsorgt oder landen in der Natur. Problematisch ist das auch deshalb, weil für die Plastikproduktion derzeit etwa 16.000 verschiedene sogenannte Additive in der Plastikproduktion eingesetzt werden. Ein Drittel davon wird als gefährlich eingestuft. Bei rund 10.000 ist noch nicht bekannt, wie und ob sie Mensch und Natur schädigen. Diese Vielzahl an Additiven verhindert auch eine höhere Recyclingquote.
Plastikproduktion wird sich wohl verdreifachen
Die Meeresbiologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut hat als Mitglied der deutschen Delegation mitverhandelt. Sie kann ihre Enttäuschung und Erschöpfung kurz nach Gipfelende nicht verbergen: "Natürlich haben wir uns einen anderen Ausgang gewünscht", aber es brauche wohl noch mehr Zeit, "Brücken zu bauen und Gräben zu überwinden".
Eine Begrenzung der Produktion hält sie für den wichtigsten Hebel, um die Plastikverschmutzung einzudämmen: "Es ist prognostiziert, dass die Plastikproduktion sich verdreifachen wird bis zum Jahr 2060." Dementsprechend werde auch der Müll und damit die Umweltverschmutzung stark zunehmen.
Mehr als 100 Staaten für ambitioniertes Abkommen
Die Zahl der Befürworter eines ambitionierten Abkommens ist nach den Verhandlungen in Busan gestiegen. Vor dem Gipfel hatten sich mehr als 60 Staaten der sogenannten "High Ambition Coalition" angeschlossen. Als die Vertreterin von Ruanda am Sonntagabend all diejenigen auffordert aufzustehen, die ein ambitioniertes Abkommen fordern, erhebt sich fast der gesamte Saal. Minutenlang applaudieren Delegierte und Beobachter von Umweltorganisationen. Mehr als 100 Staaten hatten zuvor die Erklärung für ein ambitioniertes Abkommen unterzeichnet. Dieses hätte die Formulierung eines konkreten Reduktionsziels für die Produktion von Plastik und Regelungen für den Einsatz von gefährlichen Chemikalien vorgesehen.
Da jedoch auf UN-Ebene im Konsens entschieden wird, bleibt diese Aktion nicht mehr als der Versuch, so etwas wie Aufbruchstimmung in das folgende Jahr mitzunehmen.
Ölstaaten blockieren Vorgaben zur Plastikproduktion
Vertreter der sogenannten Like-Minded-Staaten machten immer wieder deutlich, dass sie einem Abkommen nur zustimmen werden, wenn es keine Vorgaben zur Plastikproduktion macht. In diesem Bündnis hatten sich erdölfördende und plastikproduzierende Staaten wie Saudi-Arabien, Iran, Indien, China und Russland zusammengeschlossen. "Wir reden hier über Plastikverschmutzung", betonte der Vertreter Saudi-Arabiens. "Wenn wir die angehen wollen, gibt es keinen Grund, über Produktion zu reden." Die Verschmutzung sei das Problem, nicht das Plastik an sich. Im Anschluss forderte er, den gesamten vorgeschlagenen Vertragstext in Klammern zu setzen - also alles zur Disposition zu stellen.
Ein Vorschlag, der seinen Nachredner aus Panama sichtlich erschüttert. Die Verhandlungen zu vertagen, bezeichnet er als moralisches Versagen. "Es geht nicht um Klammern und Kommata, sondern um das Kind aus einem Küstenort, das morgen wieder mit Plastikpartikeln verseuchtes Wasser trinkt, und um den Fischer, der keinen Fisch mehr fängt, dafür aber jede Menge Plastikmüll."
Greenpeace ist dennoch optimistisch
Weniger pessimistisch blickt Moritz Jäger-Roschko von Greenpeace auf den Gipfel in Busan. "Wir begrüßen, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden, statt sich auf einen schwachen Abschluss zu einigen." Es bestehe weiterhin die Chance auf ein historisches Abkommen.
Die Verhandlungen für ein Plastikabkommen werden im kommenden Jahr weitergehen. Grundlage ist der Dissens aus Busan, der sich auch in dem dreieinhalbstündigen Abschlussplenum spiegelte. Bis zur nächsten Verhandlungsrunde sollen alle Staaten noch einmal die Möglichkeit bekommen, weitere Eingebungen zu machen. Es bleibt das Credo: Nichts ist beschlossen, solange nicht in allen Punkten Einigkeit herrscht.