Einsatz in Elektronik und Robotik Ein Pilz mit Potenzial
Der Glänzende Lackporling kann mehr als nur Bäume zu befallen. Forschenden ist es gelungen, aus dem Pilz eine lebende Roboterhaut und eine nachhaltige Alternative für Chips und Batterien herzustellen.
Je mehr Technologien heutzutage eingesetzt werden, umso mehr stellt sich die Frage, wie sie robuster und zugleich nachhaltiger werden können. Denn auch Staubsaugroboter, Smartphones oder Computerplatinen müssen irgendwann entsorgt werden. Nachhaltige Alternativen aus Pflanzen oder Pilzen könnten an dieser Stelle helfen.
Österreichische Forschende haben zum Beispiel eine Leiterplatte entwickelt, die auf dem häufig vorkommenden Baumpilz Glänzender Lackporling basiert, wie sie in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlichten.
Leiterplatten aus Baumpilz
Leiterplatten dienen als Träger von elektronischen Bauteilen und verbinden diese durch sogenannte Leiterbahnen miteinander. Die Platte selbst ist aus einem stabilen und elektrisch isolierenden Material, meistens wird dafür Kunststoff oder Silizium verwendet. Mit dem Pilz können hingegen bioabbaubare elektronische Leiterplatten entstehen, die sich in kürzester Zeit binnen mehrerer Wochen selbst zersetzen.
Möglich ist dies durch sogenannte Pilzmyzelien. Das sind die Wurzelgeflechte von Pilzen, die in der Natur unterirdisch riesige Netzwerke aus Fasern besitzen. Für die Leiterplatten wird die Myzelhaut verwendet. Die Haut der Pilzmyzelien ist sowohl hitzebeständig, robust als auch biegbar.
Die haut des Glänzenden Lackporlings ist robust und vielseitig verwendbar.
Einfache und ressourcensparende Herstellung
Die Herstellung beginnt mit Buchenspänen, Dinkelvollkornmehl, Gips und Wasser - und mit Sporen des Glänzenden Lackporlings. Das Forscherteam der Johannes-Kepler-Universität Linz hat darauf das Myzel wachsen lassen. Im letzten Schritt wurde dann die Haut von dem Myzel abgezogen, getrocknet und auf die richtige Größe gepresst und zugeschnitten. Dann können Leiterbahnen ergänzt werden und wie bei konventionellen Leiterplatten elektronische Bauteile angebracht werden können.
Die Leiterplattenproduktion ist laut dem Forscherteam damit einfacher, benötigt im Vergleich zur konventionellen Herstellung weniger Energie und Wasser und kommt ohne schädliche Chemikalien aus. Bisher seien damit einfache und kleine Leiterplatten herstellbar.
Die Forschenden verwenden die Pilzmyzelien auch zur Herstellung von Batterien. Bei solch einer Batterie kann sowohl die Membran zwischen den Polen als auch die Hülle aus dem Myzel des Glänzenden Lackporlings bestehen.
Pilzmyzel - ein komplexes und adaptives Netzwerk
Neben den Eigenschaften der Myzelhaut in der Elektronik kann auch das Myzel selbst für die Wissenschaft interessant sein. Denn das Pilzmyzel ist ein lebendes, komplexes und anpassungsfähiges Material, das große Netzwerke ausbildet. Diese Netzwerke bestehen wiederum aus länglichen Zellen, den sogenannten Hyphen. Die Hyphen nehmen Wasser und Nährstoffe auf, womit sich der Pilz in der Natur verbreitet.
Bei den meisten bisher bekannten Anwendungsansätzen sterben die verwendeten Pilze jedoch am Ende des Prozesses oder werden wieder entfernt. Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich nutzen nun auch das anpassungsfähige Verhalten, um eine selbstheilende und robuste Roboterhaut zu entwickeln.
Lebendige Roboterhaut aus dem 3D-Drucker
Wie das Forscherteam in der Fachzeitschrift Nature Materials beschreibt, wird dafür aus einem Hydrogel ein dreidimensionales Gitter im 3D-Drucker gedruckt. Das Hydrogel ist dabei mit Sporen des Glänzenden Lackporlings beladen. Lässt man das Gerüst bei 23 Grad Celsius und einer hohen relativen Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent mehrere Tage stehen, wächst das Myzel, ohne dass das Hydrogel austrocknet.
Innerhalb 20 Tagen besiedeln die Pilzmyzelien das gedruckte Gitter und es entsteht dadurch eine robuste und sich regenerierende Haut. Wird diese durchgeschnitten oder zerstochen, wächst sie wieder zusammen. Verantwortlich dafür ist die Stoffwechselaktivität der Myzelien und die Verfügbarkeit von Nährstoffen.
Roboter mit Myzel benetzt
Die lebende Roboterhaut aus Myzel ist weich, wasserfest, regenerativ und gegenüber mechanischen Einflüssen robust. Damit sind die Eigenschaften der Haut durch das Myzel vergleichbar mit einigen Funktionen von biologischen Tierhäuten.
Die Forschenden führten Tests mit einem Greifarm- und einem Kugelroboter durch, die mit einer Haut aus Myzel benetzt waren. So absolvierten die Roboter erfolgreich Unterwasseraktionen oder wurden über unterschiedliche Oberflächen gerollt.
Weitere Forschungsansätze und mögliche Einsatzgebiete
Dass der Einsatz von Pilzmyzelien noch am Anfang steht, zeigen beide Forschungsansätze. Beispielsweise sollen komplexe Leiterplatten in Zukunft aus glatterer Myzelhaut hergestellt werden und es besteht auch weiterer Forschungsbedarf, um die Stoffwechselaktivität und damit die lebende Roboterhaut langfristig lebendig halten zu können.
Aber auch über die Elektronik und Robotik hinaus wird mit dem Pilzmyzel geforscht, zum Beispiel für nachhaltige Dämm- und Baustoffe oder für eine strapazierfähige Leder-Alternative.