Energiewende Wege aus dem Rohstoffdilemma
Für die Energiewende braucht es gewaltige Mengen Rohstoffe. Deren Abbau schadet oft Umwelt und Menschen. Doch es gibt Lösungen: Dafür müssen Politik und Wirtschaft lernen, in Recyclingkreisläufen zu denken.
Die Energiewende soll Deutschland unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Andere Rohstoffe dagegen werden immer wichtiger. Denn um Windkraft- und Solaranlagen, Batteriespeicher und Elektroautos zu bauen, ist sehr viel Material nötig.
"Bei Metallen erwarten wir die höchsten Bedarfsanstiege", sagt Jan Kosmol, Ingenieur für technischen Umweltschutz und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Umweltbundesamt. Kupfer, Lithium oder Seltene Erden, sie alle haben spezielle Eigenschaften, die sie für die grünen Technologien wertvoll machen.
Umweltauswirkungen werden verlagert
Unser Energiesystem zu transformieren sei unausweichlich, sagt Kosmol. Erneuerbaren Energien und Elektroautos hätten in nahezu allen Kategorien eine bessere Ökobilanz als ihre fossilen Pendants. Doch die Energiewende sei mit einem hohen Risiko verbunden, dass Umweltauswirkungen in andere Länder verlagert würden.
Beispiel Lithium: Der weltweite Bedarf dürfte in den kommenden Jahren steil ansteigen, laut einem Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) um das 42-Fache bis zum Jahr 2040. Ein beträchtlicher Teil des Batterierohstoffs kommt heute aus Südamerika. "Dort wird die Lithium-Salzlake an die Oberfläche gepumpt und dann in offenen Becken verdunstet", erklärt Kosmol. "Das hat den Nachteil, dass in einer sehr trockenen Region Wasser verloren geht."
Massenmetall Kupfer
Ein anderer zentraler Rohstoff der Energiewende ist Kupfer. Es gilt als Massenmetall. Wegen seiner hervorragenden Leitfähigkeit ist es allgegenwärtig in elektrischen Anlagen. Tausende von Tonnen sind in Stromleitungen und Kabeln verbaut und bringen die Energie an ihr Ziel.
Doch Kupferabbau ist nicht selten ein schmutziges Geschäft. Laut Umweltbundesamt gehört Kupfer zu den Metallen mit dem größten "Umweltgefährdungspotenzial". Bei der Gewinnung des Erzes aus Gestein werden laut Kosmol etwa Schwermetalle freigesetzt - und es fallen große Abfallmengen an. Ein Problem für Natur und Menschen.
Wachsender Bedarf an kritischen Rohstoffen
Zu Kupfer und Lithium kommen noch viele weitere Rohstoffe wie Grafit, Kobalt, Seltene Erden oder Silizium. Die IEA hat berechnet: Wollen wir die Pariser Klimaziele einhalten, wird sich der Bedarf an kritischen Rohstoffen bis 2040 mindestens vervierfachen. Am meisten braucht es demnach für Elektromobilität und Batteriespeicher. Dann folgen der Ausbau der Stromnetze und schließlich die emissionsarme Energieerzeugung vor allem durch Windkraft und Solarenergie.
Dabei wächst der Rohstoffbedarf teils schneller als das Angebot. So vergrößern sich auch bestehende Abhängigkeiten von produzierenden Ländern wie China oder der Demokratischen Republik Kongo. Kosmol sieht darin ein Versorgungsrisiko bei kritischen Rohstoffen. "Die Gewinnung von Bodenschätzen in Europa wäre ein wichtiger Beitrag zur Diversifizierung der Lieferketten."
Rohstoffe aus Europa?
Anfang 2023 wurden große Vorkommen Seltener Erden im nordschwedischen Kiruna bekannt. In Thüringen wird nach Kupfer gebohrt. Größere Lithiumvorkommen gibt es etwa im sächsischen Erzgebirge und im Thermalwasser des Oberrheingrabens. Aber die Lösung ist das noch nicht. Denn die heimischen Rohstoffen allein werden voraussichtlich nicht ausreichen. Größe und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Lagerstätten werden laut Kosmol als eher gering eingeschätzt.
Europa wird also vorerst auf Rohstoffimporte angewiesen bleiben. Hohe Priorität hat für Kosmol deshalb, auf verantwortungsvollen Abbau zu setzen. Auch europäische Unternehmen könnten dazu beitragen, die Produktionsbedingungen in den Bergbaugebieten zu verbessern. In Deutschland gilt seit Anfang 2023 das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Eine EU-weite Richtlinie ist in Arbeit. Wie wirksam solche Regelungen sind, ist jedoch umstritten.
Elemente der Hoffnung
Es braucht also mehr Ideen. Technische Innovationen etwa, um relativ seltene Rohstoffe durch besser verfügbare Alternativen zu ersetzen. Ein Beispiel: Batterien ohne Lithium, dafür mit Natrium.
"Diese häufiger in der Erdkruste vorkommenden Elemente", sagt Kosmol, "werden daher auch Elements of Hope genannt." Ein Lösungsansatz sei es, unser Energiesystem auf diesen Elementen der Hoffnung aufzubauen, zu denen auch Eisen, Mangan oder Aluminium zählen. Erste Hersteller haben inzwischen Natrium-Batterien für Elektroautos angekündigt.
Rohstoffe aus Kreislaufwirtschaft
Als besonders zukunftsträchtig gilt auch ein weiterer Ansatz: die Kreislaufwirtschaft. Rohstoffrecycling statt -Abbau - nutzen, was ohnehin schon in unserem Wirtschaftskreislauf vorhanden ist. Metalle, die zentralen Rohstoffe der Energiewende, sind grundsätzlich sehr gut recyclingfähig.
Können wir dann nicht heute schon komplett auf Recycling setzen? Und die Baustoffe für neue Solaranlagen und Batterien aus alten Produkten gewinnen? "Nein", sagt Jan Kosmol, "das funktioniert leider nicht." Wir brauchen für die Umstellung des Energiesystems mehr Material, als heute durch Recycling gewonnen werden kann.
"Anthropogenes Lager" wächst
Denn das "anthropogene Lager", der Bestand an Rohstoffen, die in menschgemachten Produkten verbaut sind, ist noch nicht groß genug. Es wächst allerdings stetig.
Außerdem fehlt es noch an der Infrastruktur. Während es für Kupfer bereits gut eingespielte Recyclingkreisläufe im industriellen Maßstab gibt, müssen diese für andere Metalle erst noch entwickelt werden.
Schon heute an das Recycling von morgen denken
Zudem mangelt es oft an genauen Informationen über die Materialien, die in Produkten verbaut sind. Digitale Materialpässe könnten in Zukunft Abhilfe schaffen. Die enthaltenen wiederverwertbaren Rohstoffe ließen sich etwa per QR-Code abrufen.
Wenn Politik und Wirtschaft es klug anstellen, dürfte Recycling für die Energie der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. "Wir müssen frühzeitig beim Aufbau dieser Infrastrukturen dafür sorgen, dass die Materialien ressourcenschonend zurückgewonnen werden können", sagt Kosmol. Dann werde sich das Energiesystem in ein paar Jahrzehnten zu einem großen Teil aus Recycling speisen können.