Nachhaltige Energie Heizen mit Wärme aus der Kloake
Gas und Öl sind teuer geworden und schlecht fürs Klima. Holz will die EU nur noch eingeschränkt als nachhaltigen Brennstoff einstufen. Eine Alternative mit großem Potenzial: Wärme aus Abwasser.
Eine Baugrube im Norden Bayerns: Auf dem Gelände der ehemaligen Lagarde-Kaserne in Bamberg entstehen neue Wohnungen. Zwischen mehrstöckigen Neubauten stehen Baukränen, in Gruben liegen verlegte Rohre noch offen. Was momentan noch nach dreckiger Baustelle aussieht, wird später eine äußerst saubere Energieversorgung sein.
Heizwärme und Warmwasser für rund 1400 Wohnungen sollen künftig größtenteils mit erneuerbaren Energien geliefert werden. Mit Wärme, die direkt vor Ort gewonnen wird - unter anderem aus dem Abwasserkanal.
Unterschiedliche Systeme kombinieren
Ein ehrgeiziges Projekt, das vom Bund gefördert wird. Aber auch eine große Herausforderung, sagt Stefan Loskarn von den Stadtwerken Bamberg: "Wir haben hier in Lagarde, wie auch in vielen anderen städtischen Gebieten, sehr enge und dichte Bebauung. Damit wird der Raum für erneuerbare Energien geringer." Darum müssten verschiedene Systeme miteinander kombiniert werden, um den Gesamtbedarf abzudecken.
Eine Quelle, die hier die Wärme liefert, ist der Boden. Unter den Neubauten liegen schon großflächig Erdkollektoren, die Wärme aus dem Boden aufnehmen. Dazu kommen sogenannte Erdsonden, die die Temperatur in tieferen Schichten in einem Solegemisch absorbieren. Je nach Jahreszeit wärmt oder kühlt das Wohnungen und Gewerbebauten mithilfe von Wärmepumpen.
Wärme aus der Umgebung nutzen
Aus Sicht von Volker Stockinger, Professor für Maschinenbau und Versorgungstechnik an der Technischen Hochschule in Nürnberg, sollten wir in Zukunft mehr Wärme aus der Umgebung nutzen: aus der Luft, dem Boden und sogar aus unserem Abwasser. Dabei müssen im Boden oder im Abwasser gar keine hohen Temperaturen herrschen. Die Wärmeenergie reicht aus, um mit Hilfe moderner Wärmepumpen so verdichtet zu werden, dass damit Räume beheizt werden können und Wasser für Bad, Dusche und Küche erhitzt werden kann.
Bei modernen Einfamilienhäusern kommt so eine Technik mittlerweile standardmäßig zum Einsatz, doch ist sie im großen Maßstab etwa für Wohnblocks mit vielen Wohnungen noch Neuland. Dabei ließen sich mit solchen erneuerbaren und quasi fast kostenlosen Wärmequellen sogar ganze Stadtviertel versorgen, so Stockingers Vision.
Bis zu 30 Prozent der Heizenergie
Beim Bauprojekt in Bamberg kommt noch eine andere Heizquelle dazu: Wärme aus Abwasser. Noch wird sie selten genutzt in Deutschland. Dabei fließt erwärmtes Bade-, Dusch- und Toilettenwasser überall durch unsere Kanäle. Unter der Straße sind bereits sogenannte Wärmetauschmatten im unterirdischen Abwasserkanal verlegt worden. Über eine Strecke von 250 Metern nehmen sie dort die Abwasserwärme auf und leiten sie ins Nahwärmenetz.
Das soll mindestens 50 Prozent der benötigten thermischen Energie für die Wohnungen liefern. Loskarn wundert sich, dass nicht bereits mehr Kommunen dieses Potential nutzen: "Die Abwasserwärmenutzung hat das Potential etwa 30 Prozent des gesamtenergetischen Bedarfs für das Wohnen abzudecken."
Großes Potenzial
Der Projektleiter der Bamberger Stadtwerke geht davon aus, dass sich das Potenzial der im Lagarde-Campus verwendeten Technologien in den nächsten Jahren noch steigern und auch für Bestandsgebäude nutzen lässt. Die Forschungsgruppe von Professor Stockinger an der Technischen Hochschule Nürnberg wertet genau aus, wie gut das Zusammenspiel von Abwasser- und Bodenwärme auf dem Lagarde-Gelände funktioniert. Das sei wichtig, damit bald noch mehr Kommunen den Mut haben, Baugebiete komplett neu energetisch zu denken, so Stockinger.