Rücktritt der Übergangsregierung Um Ägyptens Generäle wird es einsam
Ägyptens Übergangsregierung hat angesichts der anhaltenden Demonstrationen in Kairo das Handtuch geworfen. Sie reichte beim Militärrat ihren Rücktritt ein. Den Demonstranten, die weiter auf dem Tahrir-Platz ausharren, dürfte das aber nicht genügen. Und ob die Generäle das Gesuch annehmen, ist ungewiss.
Von Björn Blaschke, ARD-Hörfunkstudio Kairo
Der Druck auf den Obersten Militärrat Ägyptens wächst: Auf dem Tahrir-Platz in Kairo haben wieder Zehntausende Menschen ausgeharrt - und die Übergangsregierung von Essam Scharaf hat ihren Rücktritt eingereicht.
Die amtliche Nachrichtenagentur Mena zitiert den Regierungssprecher: Die Entscheidung zum Rücktritt der Regierung sei "angesichts der schwierigen Umstände, in denen sich das Land derzeit befindet", getroffen worden. Und: Die Regierung werde solange ihre Aufgaben erfüllen, bis der Militärrat über den Rücktritt entschieden habe.
Damit meint der Sprecher die schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, in deren Verlauf in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen getötet wurden - in Kairo, aber auch in anderen Städten des Landes. Die überwiegend jungen Leute fordern den Rücktritt des Hohen Militärrates, der Ägypten seit der Entmachtung von Hosni Mubarak beherrscht. Allerdings, so die Demonstranten, genauso diktatorisch wie zuvor Mubarak.
Hoffnungen enttäuscht
Der im März angetretene Übergangsregierungschef Scharaf war anfangs bei den jungen Revolutionären seines Landes recht beliebt. Später wuchs jedoch die Enttäuschung, weil sich die Regierung gegenüber dem Militärrat als machtlos erwies und Reformen nur langsam anstrebte.
Schon vor der Rücktrittserklärung des gesamten Kabinetts hatte der Kulturminister angekündigt, sein Amt niederlegen zu wollen - aus Protest dagegen, dass seine Kabinettskollegen kaum auf die Ausschreitungen reagiert hatten. Der Hohe Militärrat schließt aber offenbar nicht aus, dass er das Rücktrittgesuch ablehnt. Ein Militärsprecher sagte der regierungsnahen Nachrichtenwebsite "Al-Ahram Online" jedenfalls, es sei noch keine Entscheidung gefällt.
Dass die Generäle sich gegen einen Rücktritt entscheiden könnten, haben sie schon einmal bewiesen: Als vor einigen Wochen der Wirtschaftsminister aus dem Amt scheiden wollte, ließen sie ihn nicht gehen. Kurz nachdem das Rücktrittsgesuch gestern Abend publik geworden war, ließ der Militärrat sein tiefes Bedauern für die Opfer der jüngsten Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten erklären. Und er rief zu Besonnenheit und Krisengesprächen auf.
Doch damit werden sich die Demonstranten nicht zufrieden geben: Sie fordern den Rücktritt des Hohen Militärrates; keine Krisengespräche und nicht den Rücktritt der Übergangsregierung. Und für heute haben die Demokratiebewegungen Ägyptens zu einer Großdemonstration aufgerufen – auf Kairos Tahrir-Platz, dort, wo im Januar die Revolution begann.