Reaktionen auf UN-Klimagipfel "Viel geredet, aber nur halbherzig agiert"
In Deutschland überwiegt die Enttäuschung über das Ergebnis der UN-Klimakonferenz. Besonders ein drohendes Verpassen des 1,5-Grad-Ziels sorgte für scharfe Kritik - Lob gab es für den geplanten Ausgleichsfonds.
Nach mühsamen Verhandlungen ist die UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh mit einem Kompromiss zu Ende gegangen, der zumindest ein Zurückfallen hinter frühere Vereinbarungen verhindert. Der wichtigste Erfolg in der mit anderthalbtägiger Verspätung beschlossenen Abschlusserklärung ist die Weichenstellung für einen Fonds zum Ausgleich klimabedingter Schäden, in puncto Klimaschutz-Anstrengungen wurde allerdings kaum nachgelegt.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hält dabei das zentrale 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung für "zunehmend unwahrscheinlich". NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger sagte dazu: "Die Staaten konnten und wollten sich nicht auf einen belastbaren und verbindlichen Ausstiegspfad aus der fossilen Energie einigen." Auch Deutschland habe sich "mit seiner aktuellen Gas-Einkaufstour als schlechtes Vorbild präsentiert", kritisierte er. Mit der Einigung zur Finanzierung von Schäden und Verlusten sei zwar "ganz am Ende noch ein großer Schritt nach vorn gemacht", so Krüger. "Allerdings ohne Raumgewinn."
Als "äußerst ernüchternd" bewertete auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) das Ergebnis der Konferenz. "Wie eine Schneelawine nimmt die Klimakrise dramatisch an Fahrt auf. Die Weltgemeinschaft hat in Ägypten viel geredet, aber nur halbherzig agiert", erklärte BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. "So wird das 1,5-Grad-Limit schnell überschritten. Viele Teile der Erde werden unbewohnbar."
Neubauer: Anklänge eines "Paralleluniversums"
Ein vernichtendes Zeugnis stellte Klimaaktivistin Luisa Neubauer aus. "Die Entscheidung spielt die heutigen Opfer der Klimakrise gegen die morgigen Opfer der Klimakrise aus", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Zwar sei der Durchbruch auf Ausgleichszahlungen für Klimaschäden "ein ganz dringender Erfolg" für ein Mindestmaß an Gerechtigkeit. Gleichzeitig sei es zynisch, Ländern einerseits bei Schäden und Verlusten zu helfen "und auf der anderen Seite hier gemeinsam etwas zu entscheiden, was so unendlich viel mehr Schäden und Verluste verursachen wird".
Die Staatengemeinschaft habe es nicht geschafft, ein Ende der fossilen Energien zu beschließen, obwohl man auf der 27. Klimakonferenz eine Krise diskutiere, die von fossilen Energien verursacht werde. Das habe Anklänge eines "Paralleluniversums". "Falls irgendwer gehofft hatte, dass das hier der Ort ist, wo die Klimakrise bewältigt wird, können wir verkünden, dass das nicht der Fall ist. Das ist hart", sagte Neubauer, die Mitglied der Grünen ist.
Neubauer auf der Klimakonferenz: Die Aktivistin stellte dem Gipfel ein vernichtendes Zeugnis aus.
Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland kritisierte, der Klimaschäden-Fonds sei nur "ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde". Da die COP27 keine "klare Entscheidung zum dringend notwendigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas" getroffen habe, riskiere sie "in fahrlässiger Weise die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits".
Lemke sieht Ergebnis "hinter dem Notwendigen zurück"
Aus der Politik kamen ebenfalls ernüchterte Reaktionen. Für Umweltministerin Steffi Lemke bleibt das Ergebnis des Gipfels "hinter dem Notwendigen zurück". "Das ist extrem bitter", sagte die Grünen-Politikerin. Dass sich die Staatengemeinschaft auf einen Fonds für den Ausgleich von klimabedingten Schäden in den ärmsten und verletzlichsten Ländern geeinigt habe, sei allerdings ein wichtiger Schritt, um die Folgen der Klimakrise in Zukunft besser bewältigen zu können.
Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mahnte verstärkte Anstrengungen bei der Forschung im Bereich Klimaschutz an. Die Weltklimakonferenz habe erneut deutlich gemacht, dass die Bewältigung des Klimawandels eine Menschheitsaufgabe sei, sagte Stark-Watzinger der Nachrichtenagentur AFP. "Es werden zusätzliche Anstrengungen nötig sein, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Dabei werden Forschung und Innovation eine wesentliche Rolle spielen."
Umweltministerin Lemke besuchte die Klimakonferenz - über das Ergebnis zeigte sie sich enttäuscht.
Habeck: Ergebnis "kann uns nicht zufrieden machen"
Auch Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck zeigte sich enttäuscht. "Eine schwierige Klimakonferenz ist zu Ende gegangen, mit einem Ergebnis, das uns nicht wirklich zufrieden machen kann", sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Durch die konsequente Haltung der EU und die umsichtige deutsche Verhandlungsführung ist aber ein Rückfall hinter Paris und Glasgow verhindert worden."
Gut sei auch, dass die finanzielle Unterstützung besonders verwundbarer Länder in den Fokus gerückt sei. Habeck sagte: "Der Auftrag aus dem Pariser Klimaabkommen gilt jetzt umso mehr: In konkreten Projekten beharrlich daran zu arbeiten, die Erderhitzung tatsächlich zu dämpfen." Im Vordergrund stehe jetzt, "die gemeinsame Abkehr von Kohle, Öl und Gas voranzutreiben - durch eine nachhaltige, sozial gerechte, globale Energiewende und die Dekarbonisierung der Industrie. Nur so können wir auf den 1,5-Grad-Pfad kommen."