Verteidigungsminister Pistorius in Mali Antrittsbesuch im Zeichen des Abzugs
Erstmals hat Verteidigungsminister Pistorius die deutschen Soldaten in Mali besucht. Von dort sollen sie bis Mai 2024 abziehen - doch die Gefahr wächst, dass in dem Land Terroristen die Oberhand gewinnen.
"So, das ist also das Schätzchen, das nicht raus darf". Mit diesen Worten auf den Lippen schreitet Boris Pistorius auf zwei Soldaten zu. Der Minister meint mit dem "Schätzchen" nicht einen der Bundeswehr-Kameraden, sondern das Fluggerät hinter den beiden - eine "Heron"-Aufklärungsdrohne. "Macht sich am Boden nicht so gut wie in der Luft", pflichtet einer der Soldaten schlagfertig bei. Nur genau dorthin - in die Luft nämlich - darf die grau lackierte Drohne schon seit Monaten nicht mehr. Der Vogel mit der gewaltigen Spannweite darf seinen Käfig, den Hangar, schon seit kurz vor Weihnachten nicht mehr verlassen. Weil die Militärregierung in Mali den Deutschen solche Flüge untersagt.
Jeden Tag aufs Neue füllen die Bundeswehr-Soldaten pflichtschuldig die Papiere für die Starterlaubnis aus - die aber schon seit kurz vor Weihnachten nicht mehr erteilt wird. "Das ist schon sehr frustrierend", gesteht Hauptmann Björn ein, einer der Drohnen-Betreiber hier im deutschen Camp nahe der Stadt Gao in Mali. Dabei sei die Drohne gerade für jene Truppen, die das geschützte Lager täglich für Patrouillen verlassen, so etwas wie der "kleine Beschützer am Himmel", auf den sie ungern verzichten, erklärt der Soldat.
Die Drohne, die nicht fliegen darf, ist zu etwas wie einem Symbol der gescheiterten Beziehung zwischen malischer Militärregierung und internationalen Truppen geworden. Und einer der Gründe, warum die Bundeswehr das Land bis Ende Mai 2024 verlassen wird. Das passiert auch auf das Risiko hin, die UN-Mission MINUSMA zu schwächen, in deren Rahmen die Bundeswehr hier in Mali eingesetzt ist - und das Land seinem Schicksal zu überlassen. "Die Gefahr besteht. Theoretisch. Ja, das ist so", gibt auch der Bundesverteidigungsminister bei seinem Antrittsbesuch in Gao zu. "Aber das hängt vor allem damit zusammen, dass wir mit unseren Streitkräften hier nicht das tun können, wofür wir hergekommen sind. Und das liegt nicht an uns."
"Die Entwicklungszusammenarbeit geht weiter"
Der Antrittsbesuch von Pistorius jedenfalls stand ganz im Zeichen des Abzugs. Vor den Deutschen hatte die Putschregierung in Mali auch schon die Franzosen vergrault. Und auf der Suche nach Partnern, die als Ersatz für die Franzosen mit ihnen gemeinsam in den Kampf gegen die Terroristen ziehen, wurde das Militärregime ausgerechnet bei den Russen fündig - konkret: bei den berüchtigten Wagner-Söldnern. Die campieren im Grunde direkt vor den Toren des UN-Lagers in Gao - und dürfen ihre Drohnen übrigens durchaus aufsteigen lassen. Verringert hat sich die Wagner-Präsenz trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bislang offenbar nicht.
Auch das ist ein Grund, warum dieser nun ein Jahrzehnt dauernde Einsatz Ende Mai 2024 unwiderruflich zu Ende geht: "Auch wenn das militärische Engagement endet - die Entwicklungszusammenarbeit geht weiter. Wir werden hier weiter vor Ort sein", versucht die zuständige Ministerin Svenja Schulze zu beruhigen. Die SPD-Politikerin ist im Doppelpack mit ihrem Parteifreund Pistorius in den Sahel gereist. Gleichzeitig ist aber kein Geheimnis, dass Deutschland hier in Mali parallel zum Truppenabzug auch im zivilen Bereich sein Engagement zurückfährt - wenn auch nicht so radikal wie die Bundeswehr. Gibt Deutschland Mali also auf? Oder wahlweise den russischen Kräften oder den Terrormilizen preis?
Zumindest ist die Zukunft Malis ein Thema, über das sich auch die jetzt noch im Einsatz befindlichen Soldaten Gedanken machen. Auch wenn hier kaum jemand eine Prognose wagen kann und will, auch Major Christian nicht: "Das ist wie in Afghanistan: Wenn ein Player raus ist aus dem Land, entsteht ein Vakuum. Da muss man dann sehen, wie sich das füllt."
Hoffnung liegt auf Nachbarland Niger
Eins steht aber fest: Statt auf Mali setzt Deutschland künftig mehr auf das Nachbarland Niger. Das nach dem schrittweisen Abgleiten seiner Sahel-Nachbarn einen echten Stabilitätsanker in der ebenso kargen wie terrorgeplagten Region bildet. Und das den Deutschen das Gefühl gibt, im Land auch wirklich willkommen zu sein: "Der Niger bildet einen Damm gegen den Terrorismus in dieser Region", gibt sich der nigrische Verteidigungsminister Alkassoum Indattou zuversichtlich - zumindest nach außen. Hinter verschlossenen Türen aber bat der Minister die Deutschen durchaus, doch auch in Mali weiter aktiv zu bleiben, weil die Regierung in Niamey fürchtet, der Terrorismus könne zunehmend auch in ihr Land herüberschwappen.
Dem Wunsch allerdings werden die Deutschen nun nur noch ein gutes Jahr lang entsprechen können. Im Lager in Gao wird sich von Anfang Juni an vieles zunehmend um den Abzug drehen. Ob bis dahin die "Heron"-Drohne noch einmal aufsteigen wird, ist ungewiss. Boris Pistorius wünschte es den beiden Soldaten, als er sich im deutschen Camp von ihnen verabschiedete. Besonders zuversichtlich klang er dabei nicht.