Bundeswehr in der Sahelregion Der langsame Abschied aus der Krisenregion
Verteidigungsminister Pistorius und Entwicklungsministerin Schulze besuchen Niger und Mali. Der Abzug der Bundeswehr aus Mali ist bereits beschlossen - aber welche Folgen hat das für die Region?
Es wird eine Rückkehr im doppelten Sinne: Wenn im Mai 2024 der letzte deutsche Soldat den Krisenstaat Mali verlässt, dann markiert das auch die endgültige Rückkehr der Bundeswehr zu ihren Wurzeln. Die wird sich künftig mit voller Kraft der Verteidigung der deutschen und der NATO-Grenzen in Europa widmen. Der nach dem Afghanistan-Abzug größte und gefährlichste Auslandseinsatz der Bundeswehr wird dann Geschichte sein.
Aus Sicht des verteidigungspolitischen Sprechers der Unions-Fraktion, Florian Hahn, sollte der Einsatz allerdings deutlich schneller zu den Akten gelegt werden: "Entscheidend ist, dass die 1000 Mann und Frauen der Bundeswehr im Moment nichts leisten können, was der Region hilft und in unserem Interesse ist", sagt Hahn im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio: "Während wir an anderer Stelle - beispielsweise an der Nordostfront zur Russischen Föderation hin - gleichzeitig jeden Mann und Maus brauchen."
Sich mit Mann und Maus aus allen Weltregionen zurückzuziehen, ist aus Sicht des Auswärtigen Amtes keine kluge Politik. Auch weil man damit das Vertrauen von Partnern zu verspielen droht, denen man einst Unterstützung zugesagt hatte. Nur so ist auch zu erklären, dass der Kompromiss - ein Verbleib in Mali als Teil der UN-Mission MINUSMA bis Ende Mai 2024 - zwischen dem eher auf Bleiben geeichten Außen- und dem abzugswilligen Verteidigungsressort zustande gekommen war.
Gründe für den Zeitplan
Aus Sicht von Denis Tull, Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gibt es auch gute Gründe, sich an den verabredeten und den Vereinten Nationen zugesagten Zeitplan zu halten. Haben doch die Militärmachthaber in Mali für 2024 Wahlen versprochen: "Wenn die Tatsache, dass in Mali ein Putschregime regiert, Teil des Problems ist, dann macht es für Deutschland, die EU und die Vereinten Nationen Sinn, diesen Prozess der Transition zu fördern, statt die Brocken hinzuwerfen", erklärt Tull.
Nun waren es aber nicht nur die Unionsparteien, die mit einem - allerdings gescheiterten - Antrag im Bundestag unlängst einen Abzug der Bundeswehr aus Mali noch in diesem Jahr forderten. Auch die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht genau wie ihr Nachfolger Boris Pistorius, beide SPD, hatten mit Äußerungen Zweifel am Zeitplan gesät und laut über eine frühere Rückkehr der Bundeswehr, also vor Mai 2024, nachgedacht.
"Müssen auch nicht der letzte Idiot sein"
Zuletzt allerdings war davon kaum mehr etwas zu hören. Eine Fahrplanänderung scheint nicht mehr vorgesehen: "Natürlich müssen wir ein verlässlicher Partner sein - aber wir müssen auch nicht der letzte Idiot sein", warnt CSU-Mann Hahn mit Verweis darauf, dass Frankreich, Großbritannien und andere Partner ihre Truppen bereits nach Hause geholt hätten.
Hinzu kommt eine ganze Reihe anderer Probleme: Die "Heron"-Aufklärungsdrohne der Bundeswehr ist vom deutschen Lager in Gao aus zuletzt kurz vor Weihnachten aufgestiegen, weil die malischen Behörden diese Flüge verweigern. Die Zusammenarbeit der Militärjunta in Mali mit russischen Wagner-Söldnertruppen ist ungebrochen. Dass Mali bei der UN-Vollversammlung zuletzt gegen eine Resolution stimmte, die den russischen Einmarsch in der Ukraine verurteilt, ist da fast nur noch eine Randnotiz.
Brüskieren - wo es nur geht
Jedenfalls scheint sich die Militärregierung zumindest nach außen hin alle Mühe zu geben, die internationalen Partner inklusive Deutschland zu brüskieren, wo es nur geht. Auch Sahel-Experte Denis Tull hält die Mission derzeit rein militärisch für wenig sinnvoll - die Diskussion darüber jedoch für eine Scheindebatte: "Denn die Bundeswehr wird ja ohnehin jetzt beginnen, diesen Abzug einzuleiten. Insofern ist die Frage, ob man zwei bis drei Monate früher aussteigt, im Grunde hinfällig."
In der Tat startet die Bundeswehr bereits Anfang Juni langsam aber sicher mit dem Abzug. Nicht mehr zwingend notwendiges Material wird in Container verpackt und ausgeflogen.
Die bange Frage, die man sich nicht nur in Deutschland stellt: Wie kann und soll es mit der immer instabiler werdenden Sahel-Region weitergehen, wenn die Bundeswehr in etwas mehr als einem Jahr Mali verlassen hat? Im Nachbarland Niger startet die EU nun eine neue Ausbildungsinitiative für die Streitkräfte - an der sich vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestags auch Deutschland beteiligen soll.
Kleinere Mission in Niger
Doch verglichen mit dem Einsatz in Mali handelt es sich um eine Mini-Mission, mit 60 geplanten Soldatinnen und Soldaten ist der Bundeswehr-Fußabdruck mit dem im Nachbarland kaum zu vergleichen. Was die deutsche Entwicklungshilfe angeht, so wird die auch nach dem Truppen-Abzug in der Region weitergehen - um so der Ausbreitung des Terrorismus etwas entgegenzusetzen. Ob das gelingt, ist offen.
Für die Rückkehr im doppelten Sinne der deutschen Streitkräfte mag es aus deutscher und NATO-Sicht schon wegen der gestiegenen russischen Bedrohung gute Argumente geben - die Frage ist aber, was danach aus der mehrere 1000 Soldaten starken UN-Mission in Mali wird. Denn auch wenn der Vergleich des Sahel-Wüstengürtels mit dem Hindukusch hinkt - was ein vollständiger Abzug internationaler Truppen bedeuten kann, lässt sich gerade in Afghanistan beobachten.