Einen Monat nach Putsch in Niger Angst vor dem Libyen-Szenario
Diplomatischer Druck und Drohungen mit Einmarsch haben nichts bewirkt: Die Putschisten in Niger halten sich auch einen Monat nach ihrer Revolte an der Macht. Das liegt auch daran, dass die Bevölkerung eine Entwicklung wie in Libyen fürchtet.
Ein blauer Lastwagen rollt auf den Hof des regionalen Zollamtes in Nigers Hauptstadt Niamey. Er ist voll bepackt; schwarze, rot verstaubte Planen verdecken die Ware. Es soll einer von rund 300 Versorgungs-Lkw sein, die das Land angeblich erreicht haben.
Sie kämen aus dem Nachbarstaat Burkina Faso, erzählt Oberst Adamou Zaroueye, regionaler Zolldirektor, und beförderten hauptsächlich Lebensmittel, Haushaltswaren und verschiedene Produkte.
Die Militärregierungen in Mali und Burkina Faso wollen das Regime in Niger stützen - auch mit Hilfslieferungen.
Grund für den Konvoi sind die Sanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsunion ECOWAS gegen Niger. Sie wurden verhängt, nachdem Ende Juli Militärs Präsident Mohamed Bazoum durch einen Putsch gestürzt hatten.
Rückendeckung erhalten die Militärs in Niamey nun lediglich von den Militärregierungen aus Burkina Faso und Mali - auch dort hatten sich in jüngster Vergangenheit Militärs an die Macht geputscht.
Putschisten bleiben unbeeindruckt
Die ECOWAS droht aber nicht nur mit Sanktionen, sondern auch mit einer militärischen Eingreiftruppe für den Fall, dass alle diplomatischen Bemühungen scheitern sollten, zu einer rechtsstaatlichen Ordnung zurückzufinden. Davon ist das Land weit entfernt, die Putschisten zeigen sich bislang unbeeindruckt.
Auf die wiederholten Drohungen der ECOWAS und ihrer Verbündeten antwortete Putschisten-Chef Abdourahmane Tiani am vergangenen Wochenende mit einer deutlichen Warnung: Sie sollten nicht davon ausgehen, einen Krieg gegen Niger gewinnen zu können.
Sie lassen sich freiwillig für den Militärdienst registrieren: Junge Männer in Niamey (Niger) zeigen ihre Unterstützung für die Militärjunta.
"Das wird kein Spaziergang"
Weder der "Nationalrat zur Bewahrung des Vaterlandes" noch das nigrische Volk wollten einen Krieg, so Tiani. "Aber, damit wir uns richtig verstehen: Kommt es zu einer Aggression gegen Niger, wird das kein Spaziergang, wie manche sich das vorstellen."
Zur zusätzlichen Abschreckung schlossen die Putschisten mit den Militärregierungen von Burkina Faso und Mali am Donnerstag ein Beistandsabkommen - sollte einer der drei Staaten angegriffen werden, sollen die Armeen der Nachbarstaaten eingreifen und zur Hilfe kommen.
Noch wird geredet
Die Kriegsgefahr im Sahel - sie ist noch nicht vom Tisch. Aber immerhin wird noch geredet. Immerhin betonen beide Seiten noch, ein friedlicher Weg sei in aller Interesse. Ein Krieg in einer Region, die sowieso vom Dschihadismus bedroht wird, ist zu riskant.
Auch deswegen ließ die Junta am vergangenen Wochenende wohl eine hochkarätige ECOWAS-Verhandlungsdelegation überhaupt ins Land, die auch den abgesetzten Präsidenten Bazoum treffen konnte.
Die Stimmung richtet sich gegen westliches Militär
Wenn es nach den Putschisten in Niger geht, soll es unter anderem einen nationalen Dialog und eine dreijährige Übergangsphase bis zu den nächsten Wahlen geben. Für ECOWAS ist das inakzeptabel.
Nigers Bevölkerung scheint indes hinter den Putschisten zu stehen. Immer wieder kursieren Videos, die Pro-Putschisten-Demos zeigen. Sie fordern die Räumung ausländischer Militärstützpunkte. Auch die Bundeswehr ist mit etwa hundert Bundeswehr-Soldaten im Niger präsent. Manche Nigrer wollen sich gerade jetzt für die Armee registrieren lassen.
Angst vor Chaos
Viel Jubel und Begeisterung für die Putschisten speise sich aber nicht nur aus politischem Frust, sondern auch aus Angst, sagt Seidik Abba. Er ist nigrischer Journalist und Buchautor, schreibt seit Jahren über den Sahel.
Manche Nigrer würden zwar nicht voll und ganz das Militär unterstützen, seien aber gegen jede Intervention von außen. "Eine Intervention würde möglicherweise den Weg zum Chaos ebnen, und wir dürfen nicht vergessen, dass Niger ein Nachbar Libyens ist und die Menschen in Niger immer an das Chaos denken, das ausländische Interventionen in Libyen angerichtet haben."
Die Sanktionen treffen die Ärmsten
Und mehr Chaos können die Menschen im Land nicht ertragen. Da ist nicht nur der Terror. Nach Einschätzung des UN-Kinderhilfswerks Unicef benötigen mehr als zwei Millionen Kinder in Niger dringend humanitäre Hilfe. Durch steigende Lebensmittelpreise könnte sich die Zahl der Betroffenen weiter erhöhen, warnte Unicef.
Die Sanktionen der ECOWAS sind unterdessen im armen Wüstenstaat auch eine Last für die Bevölkerung. Nach Angaben von Hilfsorganisationen haben sie zu großen Problemen bei der Versorgung notleidender Menschen geführt. Stromsperren, Handelssperren, das Aussetzen des Zahlungsverkehrs stelle die Bevölkerung vor kaum lösbare Probleme.
Eine weitere Suspendierung
Zuletzt hat nun auch die Afrikanische Union verkündet, Niger aus der Staatengemeinschaft zu suspendieren, bis die verfassungsmäßige Ordnung im Land wiederhergestellt sei. Wagt man einen Blick in die Nachbarstaaten, in denen Putschisten schon herrschen, kann das wohl noch lange dauern.
Einen Monat nach dem Putsch erhöht sich der Druck auf den Wüstenstaat weiter. Die Leidtragenden sind mal wieder dieselben: die Bevölkerung.