Afrika-Gipfel in St. Petersburg Russlands Angebote locken nicht mehr jeden
Russlands Präsident Putin lädt zum Afrika-Gipfel nach St. Petersburg. Obwohl es um Handel und Investitionen gehen soll, dürfte das gekündigte Getreideabkommen im Vordergrund stehen. Doch nicht alles Staatschefs kommen.
Seit Wochenbeginn wehen in St. Petersburg farbenfrohe Flaggen. Auch in Afrika wurden Zeitungsleser mit freundlichen Worten auf das Spitzentreffen eingestimmt - vom Gastgeber selbst. Russlands Präsident Wladimir Putin bemühte, wie so oft, die Geschichte: "Wir haben afrikanische Völker in ihrem Kampf um die Befreiung von kolonialer Unterdrückung nachhaltig unterstützt. Wir haben beim Aufbau der Staaten geholfen, ihre Souveränität und Verteidigungsbereitschaft gestärkt", hieß es in einem Gastbeitrag Putins, den Zeitungen etwa in Uganda und Äthiopien abdruckten.
Nun also soll es weitergehen, beim zweiten Russland-Afrika-Gipfel. Ausbau der Wirtschaftskontakte, Zusammenarbeit im Bildungsbereich - das Programm ist ebenso lang wie vorhersehbar. Doch Putin weiß, dass es den afrikanischen Ländern aktuell um Wichtigeres geht: die Folgen des Krieges mit der Ukraine, die massiven Preissteigerungen bei Energie und vor allem aber bei Nahrungsmitteln.
Kürzlich hatte Putin das Getreideabkommen mit der Ukraine aufgekündigt. Selbst wenn genug Getreide auf dem Weltmarkt vorhanden sein sollte, werden die Preise erneut steigen.
Die Folgen zeigen sich sofort
"Nach der Beendigung des Getreideabkommens stiegen die Getreidepreise an den Weltmärkten um acht Prozent, zuletzt nach dem russischen Angriff auf die Donauhäfen um sechs Prozent", sagt Samuel Ramani, Afrika-Russland-Experte an der Universität Oxford. Der Preisanstieg sei für die Konsumenten in Afrika langfristig die schlimmste Folge.
Putin weiß das. In seinem Zeitungsartikel für die afrikanischen Leser beklagt er erneut, das ukrainische Getreide sei weitgehend gar nicht in Afrika angekommen. Ebenso wie dringend benötigter Dünger, den Russland spenden wollte. Mehr als 200.000 Tonnen würden "skrupellos von den Europäern" in ihren Häfen festgehalten.
Der Kreml hat wiederholt versprochen, nach einer Lösung zu suchen. Die könnte in einem Drei-Parteien-Abkommen bestehen, nach dem Russland Getreide in die Türkei liefert, wo es verarbeitet und in ärmere Länder weitertransportiert werden könnte. Katar wäre demnach als Financier für das "humanitäre Projekt" im Gespräch, so die Nachrichten-Plattform "passblue", die über UN-Angelegenheiten berichtet.
Tatsache ist, dass die Erwartungen in Afrika hoch sind und der Druck auf Russland entsprechend groß.
Bei den Investitionen deutlich im Rückstand
Bei den eigentlichen Kernthemen wie Investitionen und Handel dürften die Erwartungen geringer ausfallen. Der Handel Russlands mit Afrika sei auf 18 Milliarden Dollar gestiegen, stellte Putin nun "mit Befriedigung" fest. Im Vergleich zu den Mitbewerbern in Europa und Asien ist das aber sehr wenig.
Vor allem die russischen Direktinvestitionen auf dem Kontinent sind mit einem Prozent marginal. "(Der Inselstaat) Mauritius ist eine größere Quelle für ausländische Direktinvestitionen in Afrika", stellt US-Afrikaexperte Joseph Siegle fest.
Darüber hinaus offeriert Moskau weitere Studienaufenthalte, aber auch technologische Zusammenarbeit, etwa bei der Kernenergie, und natürlich "Sicherheitszusammenarbeit": Armeeausbilder, Waffenlieferungen und Kontakte zur weiter aktiven Söldnerfirma Wagner.
Im Gegenzug sind Rohstoffe willkommen, von Kaffee über Nickel und Kupfer bis Uran und Gold. Nicht zu vergessen: die politische Unterstützung Russlands durch Afrika, bis hinein in die UN-Vollversammlung. Vielen afrikanischen Staaten reicht das nicht wirklich - erst recht vor dem Hintergrund des westlichen Drucks, nicht mit Moskau zu kooperieren.
Russland nur eine von mehreren Optionen
Zwar geraten Länder wie die Zentralafrikanische Republik oder Mali immer stärker in die Abhängigkeit Russlands, auch militärisch. Die meisten sehen Russland aber nur als eine von mehreren Optionen, neben der EU, den USA und, immer stärker, China. Hinzu kommen etwa die Golfstaaten, die Türkei oder Katar.
Auch das ist ein Grund, warum sich die Zahl der Staatsoberhäupter, die nach St. Petersburg reisen, seit dem letzten Treffen praktisch halbiert hat. Dass die Zahl der Delegationen weiter hoch ist, heißt aber umgekehrt auch, dass sich immer weniger afrikanische Regierungen vorschreiben lassen, mit wem sie Geschäfte machen.
Frust über "Doppelmoral des Westens"
"Die afrikanische Öffentlichkeit sieht keinen Grund, warum sie sich in internationalen Beziehungen immer auf eine bestimmte Seite zu stellen hat", sagt Hassan Khannenje, Leiter des HORN International Institute for Strategic Studiec in Kenia.
Die Demokratie sei in vielen Ländern Afrikas in der Krise und der Westen habe seinen Anteil daran. Westliche Militärinterventionen hätten in Ländern wie Afghanistan nichts gebracht oder die Lage sogar verschlimmert. In Libyen sei mit dem Sturz Muammar al-Gaddafis "die Büchse der Pandora geöffnet worden", der Beginn der Destabilisierung des größten Teils Nord- und Westafrikas, sagt Khannenje.
Die Doppelmoral des Westens habe "Frustrationen und eine Art Trauma erzeugt, die sich durch die 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges ziehen". Das heiße aber nicht, dass die Länder Afrikas nicht für universelle Menschenrechte oder unverletzliche Grenzen einträten.
Viele bleiben fern
So sehen es inzwischen viele Intellektuelle und Politiker, und so sieht es auch die Bevölkerung vieler Länder des Kontinents. In St. Petersburg wird man die Folgen auf den Podien sehen können. Das nach Bevölkerung zweitgrößte Land Afrikas, Äthiopien, wird durch den Staatschef vertreten sein. Das bevölkerungsreichste, Nigeria, nicht.
Und auch der Präsident Kenias, William Ruto, reist in diesen Tagen nach Tansania und nicht nach Russland. Er war bei einem ähnlichen Afrika-Gipfel zuletzt in Washington und klagte jüngst über die Gipfelflut: "Sie wollen immer 50 Staatschefs einladen. Aber was kann da rauskommen, wenn jeder nur eineinhalb Minuten reden kann? Das Beste, was es gibt, sind am Ende die Gruppenfotos."