Vereinbarung im Sudan Zweifel an Versprechungen des Militärs
Diktatur, Revolution, Putsch - und nun eine Vereinbarung von Generälen und zivilen Parteien: Gelingt der Übergang von der Diktatur zur Demokratie im Sudan doch noch? Der Deal lässt viele Fragen offen.
Von Simon Riesche, ARD-Studio Kairo, zzt. Khartum
Ein karges Büro in einem hoch umzäunten Gebäude in der Nähe des Ufers des Blauen Nils. Wenn man Volker Perthes nach der Zukunft des Sudan fragt, bekommt man eine Antwort, die eines Diplomaten würdig scheint.
"Wir sehen zurzeit eine Atmosphäre von Hoffnung und Optimismus, und die beruht natürlich auf der Rahmenvereinbarung, die vor einer Woche unterzeichnet worden ist", sagt er mit ruhiger Stimme, um dann aber gleich einzuschränken: "Natürlich ist nicht jeder damit zufrieden, natürlich gibt es Kritik, natürlich könnte es besser sein."
Demokratische Hoffnung nach Revolution
Perthes, ehemaliger Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, ist seit Anfang 2021 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs im Sudan. Als solcher soll er mithelfen, dem Land den Weg zur Demokratie zu ebnen. Dass er dafür von Islamisten und anderen Hardlinern im Land offen angefeindet wird, nimmt er in Kauf. "Es gibt politische Kräfte, die wollen keine politische Lösung."
Die demokratische Perspektive, an der auch Perthes mitwirkt, haben sich die Menschen im Sudan 2019 mit ihrer Revolution gegen Langzeitdiktator Omar al-Baschir selbst erkämpft. Der anschließend von der Oppositionsbewegung nominierte Ministerpräsident Abdullah Hamdok erzielte in seinen ersten beiden Amtsjahren trotz gewaltiger Probleme durchaus Erfolge. Nicht nur führte er das isolierte Land zurück an die internationale Gemeinschaft heran, er brachte auch wichtige Gesetzesvorhaben auf den Weg.
Militärputsch beendete Aufbruchstimmung
Doch die Zeit des Aufbruchs im Sudan währte nur kurz. Im Oktober vergangenen Jahres wurde der politische Transitionsprozess jäh gestoppt, als General Abdel Fatah al-Burhan putschte, die zivile Hälfte der Regierung aus dem Amt drängte und Uniformierte brutal gegen Demonstranten vorgehen ließ.
Bei verzweifelten Pro-Demokratie-Protesten kamen in den letzten Monaten immer wieder Menschen ums Leben. Die Ärztevereinigung CCSD spricht von mehr als 120 Toten. "Uns sind zudem sehr viele Fälle von Vergewaltigungen weiblicher Demonstranten durch Sicherheitskräfte bekannt", sagt die Anwältin Noon Kashkosh. Jeder Freiheitsfunke habe offenbar sofort erstickt werden sollen.
Vereinbarung sieht Zivilregierung vor
Angesichts dieser Entwicklungen ist es bemerkenswert, dass das Militär und wichtige zivile Parteien nun ein Papier unterschrieben haben, das aus dem nach dem Putsch auch wirtschaftlich gebeutelten Land eine funktionierende Demokratie machen soll.
Es sieht einen Übergang zu einer Zivilregierung sowie Wahlen im Jahr 2024 vor. Auch eine neue Verfassung soll geschrieben werden. "Das Militär gehört in die Kasernen", behauptet jetzt sogar Putschgeneral al-Burhan selbst.
"Wir befinden uns an der Schwelle des Wandels", freut sich Siddig al-Sadiq al-Mahdi von der traditionsreichen Umma-Partei. Der Mann mit dem berühmten Namen ist Sohn des früheren Ministerpräsidenten Sadiq al-Mahdi und eine Figur, die bei kommenden Wahlen selbst Ambitionen auf ein hohes Amt haben dürfte.
"Das Militär gehört in die Kasernen", behauptet jetzt selbst Putschgeneral al-Burhan. Eine neue Vereinbarung sieht den Übergang zu einer Zivilregierung sowie Wahlen im Jahr 2024 vor.
Ein halbgarer Plan
Zuversicht allerorten also? Nein, denn zahlreiche Beobachter weisen darauf hin, dass der viel gerühmte Deal tatsächlich nicht mehr sei als ein erster Schritt, dem viele weitere folgen müssten, wenn es mit dem Sudan vorwärts gehen soll.
Der ehrgeizige Zeitplan, wonach schon in wenigen Wochen eine finale Vereinbarung stehen soll, sei wohl kaum einzuhalten, heißt es von Beteiligten hinter vorgehaltener Hand. Und in der Tat: Die inhaltlichen Lücken der Rahmenvereinbarung sind groß. Heikle Themen wie eine Reform des Sicherheitssektors, etwa die Eingliederung von Milizen in die sudanesische Armee, wurden bisher ausgespart.
Auch um den großen Bereich der Aufarbeitung von Verbrechen wurde ein großer Bogen gemacht. Wer wird in Zukunft im Sudan wie und für welche Verbrechen, die nach der Revolution und vor allem nach dem Putsch verübt wurden, zur Rechenschaft gezogen werden können? Versucht das Militär für sich eine Straffreiheit herauszuholen? Solange derartig große Fragestellungen nicht beantwortet sind, bleibt Sudans Weg zur Freiheit ein äußerst steiniger.
"Brauchen ganz neuen Start"
Spricht man mit den größtenteils jungen Menschen, die noch immer Woche für Woche in Khartum im Tränengasnebel für Freiheit und Gerechtigkeit auf die Straße gehen, bekommt man sowieso ein komplett anderes Bild.
"Ich glaube den Versprechungen der Armee, dass sie sich zurückziehen will, überhaupt nicht", sagt Rami Zaroug, dessen Bruder vor einigen Monaten bei einer Demo erschossen wurde. "Sie haben uns schon so oft betrogen, sie werden es wieder tun."
Auch mit den politischen Kräften, die den Generälen jetzt die Hand reichen, können er und seine Mitstreiter wenig anfangen. "Wir brauchen einen ganz neuen Start im Sudan."