Anhaltende Gewalt Opferzahl im Sudan steigt weiter
Die Zahl der zivilen Opfer bei den Kämpfen im Sudan steigt weiter. Mindestens 97 Menschen wurden getötet, berichten Ärzte. Eine humanitäre Kampfpause wurde offenbar nach wenigen Stunden ignoriert. Nun will der UN-Sicherheitsrat über die Lage beraten.
Der Machtkampf im Sudan zwischen der Armee und der paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Force" (RSF) kostet immer mehr Menschenleben.
Bislang starben nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf das Zentralkomitee der sudanesischen Ärzte beruft, mindestens 97 Zivilisten. 365 Menschen wurden demnach verletzt. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Noch am Sonntagabend meldete die Weltgesundheitsorganisation 83 Tote und mindestens 1126 Verletzte. Heute will der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York über die Lage beraten.
Unklare Lage in Khartum
Die schweren Auseinandersetzungen dauern derweil an. Anwohner in der Hauptstadt Khartum berichten weiterhin von anhaltenden Schüssen und Explosionen - und auch in anderen Teiles des Landes wird gekämpft - etwa in der Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer und in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt.
Die Armee scheint sich mit ihren Angriffen vor allem auf Kasernen und Stützpunkte zu konzentrieren, wie Zeugen und Anwohner der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Die Soldaten griffen aus der Luft an, hieß es. Das Militär versuche zudem, die Kontrolle über einen Großteil des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Khartum zurückzugewinnen.
Welche Konfliktpartei bei den andauernden Kämpfen die Oberhand behält, ist angesichts der unübersichtlichen Lage und widersprüchlicher Informationen schwer zu beurteilen. Sowohl die sudanesischen Streitkräfte unter dem Befehl von De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan als auch die von seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo angeführte RSF verbreiten Erfolgsmeldungen, deren Wahrheitsgehalt sich kaum überprüfen lässt.
Humanitäre Kampfpause weitgehend ignoriert
Ursprünglich hatten sich die Parteien gestern auf eine dreistündige Kampfpause geeinigt, um die von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen humanitären Evakuierungen zu ermöglichen, so die UN-Mission im Sudan. Jedoch wurde die Vereinbarung nach einer kurzen Phase weitgehend ignoriert.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, verurteilte die Angriffe und forderte in einem Post auf Twitter, dass die Verantwortlichen unverzüglich zur Rechenschaft gezogen werden sollten: "Die anhaltenden Zusammenstöße im Sudan haben zum Tod und zu Verletzungen von Zivilisten geführt, darunter drei unserer WFP-Kollegen (UN Welternährungsprogramm), die bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet wurden."
Das Welternährungsprogramm setzte seine Arbeit im Land vorübergehend aus. Man sei entschlossen, der sudanesischen Bevölkerung zu helfen, die mit einer extremen Nahrungsmittelknappheit konfrontiert sei, sagte Direktorin Cindy McCain. "Aber wir können unsere lebensrettende Arbeit nicht leisten, wenn die Sicherheit unserer Teams und Partner nicht gewährleistet ist."
Auch der UN-Sondergesandte Volker Perthes erklärte, er sei entsetzt über die Berichte von Beschuss und Plünderungen, die die Vereinten Nationen und andere humanitäre Einrichtungen betreffen würden.
Überlastete Krankenhäuser
Aufgrund der schweren Gefechte in Khartum am Wochenende seien die Krankenhäuser der Hauptstadt, in deren Umland rund sechs Millionen Menschen leben, völlig überlastet, teilte die Weltgesundheitsorganisation WHO mit.
Vielen der neun Kliniken, die verletzte Zivilisten aufnehmen, fehle es an medizinischem Material wie Blutkonserven und Transfusionszubehör. Wasser- und Stromausfälle sowie fehlender Treibstoff für die Stromgeneratoren der Krankenhäuser schränkten den Betrieb weiter ein. Auch Fachkräfte wie Anästhesisten fehlten.
Militär und RSF lehnen Verhandlungen ab
Weltweit mehren sich die Appelle, die militärischen Auseinandersetzungen zu beenden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, US-Verteidigungsminister Antony Blinken und die Arabische Liga zeigten sich besorgt. Die Länder Katar, Saudi-Arabien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate drängten das sudanesische Militär und die RSF, sich auf eine Waffenruhe zu einigen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union war noch am Wochenende zu einer Notfallsitzung zusammengekommen. Aus dem ägyptischen Präsidialamt hieß es, Ägypten und der Südsudan hätten angeboten, im eskalierten Konflikt zu vermitteln.
Eskalierter Machtkampf
RSF-Anführer Daglo sagte Al Dschasira, Ziel seiner Kämpfer sei die Eroberung aller Armeestützpunkte. Die Miliz rief die Bevölkerung auf, sich gegen die Militärregierung zu erheben. In einem Interview mit dem Sender Sky News Arabia forderte Daglo: "Al-Burhan, der Kriminelle, muss sich ergeben."
Die Armee ihrerseits erklärte Daglo zu einem "gesuchten Kriminellen" und die RSF zu einer "Rebellenmiliz". Verhandlungen oder Gespräche wird es ihr zufolge "nicht geben, bis die Gruppe aufgelöst ist".