Urteil des EuGH Problemmeiler bleiben vorläufig am Netz
Belgiens AKW stehen seit Längerem in der Kritik. Der EuGH hat heute entschieden: Bei zwei Anlagen hätte die Laufzeit nicht verlängert werden dürfen. Die Meiler dürfen aber trotzdem erst einmal weiterlaufen.
Zumindest bei zwei der sieben belgischen Kernkraftwerke hätte die Laufzeit nicht verlängert werden dürfen. Das entschied heute der Europäische Gerichtshof. Allerdings lassen die Richter der Regierung auch eine Hintertür offen, um die Stromversorgung nicht zu gefährden.
Die Entscheidung der Luxemburger Richter ist daher eher symbolisch. Denn schon seit Längerem macht Belgiens noch amtierende christlich-liberale Bundesregierung klar, dass nun bald auch wirklich endgültig Schluss sein soll. Dass an eine weitere Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke im Land nicht gedacht wird.
"Die Kernenergie ist einfach keine Energie mit Zukunft", sagt Flanderns christdemokratischer Umweltminister Koen van den Heuvel. "Wir müssen einfach bei unserer Linie bleiben. Ein Stürmer beim Fußball darf auch nicht zweifeln, Zweifler bestehen einfach keine Herausforderungen."
Ausstiegsbeschluss schnell wieder kassiert
Zwar weiß noch keiner genau, wie es ab 2025 klappen soll. Genauso, wie man nach dem ersten Atomausstiegsbeschluss von 2003 auch nicht genau wusste, wie man es machen soll und das Ganze dann Jahre später in Rekordgeschwindigkeit wieder einkassierte. Zu Unrecht, entschied nun der Europäische Gerichtshof, weil man sich nicht einmal die Mühe machte, die Folgen für die Umwelt zu überprüfen, die eine Laufzeitverlängerung haben würde.
Doch diesen Fehler lassen die Luxemburger Richter unter einer Bedingung durchgehen: wenn sonst, ohne AKW, die Versorgungssicherheit im Land gefährdet wäre. Und genau dieses Szenario droht tatsächlich jedes Jahr im Winter, denn Belgiens Strom kommt zu mehr als der Hälfte aus Atomkraft. Und so vergeht eben auch kaum ein Herbstanfang, an dem der liberale Premier Charles Michel nicht vor die Kameras tritt und versichert, die Regierung tue alles, um zu verhindern, dass die Lichter im kleinen Königreich ausgehen.
Massive Sicherheitsprobleme
Die eigenen Kernreaktoren stehen allerdings weiter massiv in der Kritik, sowohl die Meiler von Tihange als auch die von Doel, direkt an der Grenze zu den Niederlanden. Um die, genauer gesagt um die Blöcke Doel 1 und 2, ging es auch vor dem EuGH. In Doel, am nordwestlichen Ende des Antwerpener Hafens, lässt sich schnell feststellen: Einig ist man sich selbst hier nicht. Die einen sehen es wie Anwohnerin Marja Soeren, die sagt, Doel müsse längst zu sein. "Das Ding ist 43 Jahre alt."
Ganz anders sieht das ihr Nachbar. "Ich kann nun mal meinen Schweinestall nicht nur mit meinen Solarzellen beheizen", sagt er. "Ich brauche dafür auch Strom aus dem Kernkraftwerk, sonst sterben meine Schweine. Jeder braucht hier noch das AKW." Er ist Bauer, zieht mit dem Traktor seine Runde unmittelbar in der Nähe des Reaktors, bei dem es regelmäßig Pannenmeldungen gibt. Mal ist es austretendes radioaktives Kühlwasser, schon seit Langem gibt es Risse im Reaktormantel, es kam auch schon zu Sabotage.
Die Nachbarn sind nervös
Die meisten jenseits der nahen Grenze haben dafür kein Verständnis. Aus dem Norden, aus den Niederlanden, kommt immer wieder heftige Kritik, etwa von der zuständigen Provinzverwaltung von Zeeland. Dort fühle man sich von den Belgiern regelrecht hintergangen, sagt Provinzsprecher Han Polman. "Wir brauchen Klarheit, dass die Meiler sicher sind, und was genau da los ist."
Wann immer solche Kritik auftaucht, verspricht Belgien Besserung, wenngleich man hinterherschiebt, dass nie, aber auch wirklich nie, Gefahr für Bevölkerung und Umwelt bestanden habe. Ein ungutes Gefühl bleibt dennoch, nicht nur bei den Nachbarn in Deutschland und den Niederlanden.