Ein Mobiltelefon zeigt den gesperrten X-Account von Elon Musk vor dem Hintergrund einer brasilianischen Flagge.

Streit um Onlinedienst Sperrung von X in Brasilien bestätigt

Stand: 02.09.2024 16:54 Uhr

Der Oberste Gerichtshof in Brasilien bestätigt die Sperrung der Social-Media-Plattform X. Die Richter werfen dem Dienst vor, nicht entschlossen genug gegen die Verbreitung von Hassrede und Fake News vorzugehen.

Die Mehrheit eines fünfköpfigen Gremiums des brasilianischen Obersten Gerichtshofs hat die Entscheidung des Richters Alexandre de Moraes bestätigt, die Social-Media-Plattform X in Brasilien zu sperren. Am Freitag hatte de Moraes, Richter am Obersten Gericht, angeordnet, die Plattform des Tech-Milliardärs Elon Musk solle seine Geschäftstätigkeit im nach Einwohnern siebtgrößten Land der Welt sofort und vollständig einstellen.

Musk habe "völlige Missachtung der brasilianischen Souveränität und insbesondere der Justiz" gezeigt, begründete de Moraes die Entscheidung. Elon Musk schrieb auf seiner Plattform, die Quelle Nummer 1 für die Wahrheit werde damit geschlossen. De Moraes nannte er einen bösen Diktator, der sich als Richter verkleidet habe.

Eskalation über Monate

Mit der Entscheidung von de Moraes war am Freitag ein monatelanger Rechtsstreit eskaliert. De Moraes hatte nach dem Putschversuch im Januar 2023 mehrere Verfahren gegen sogenannte digitale Milizen eingeleitet, die vor dem Sturm auf die Regierungszentrale Desinformation und Hassreden verbreitet haben sollen.

Die meisten sozialen Netzwerke hatten daraufhin Vereinbarungen mit der brasilianischen Regierung getroffen, um extremistische und gewalttätige Inhalte zu blockieren - mit der Ausnahme von X.

De Moraes hatte im April Ermittlungen gegen Musk eingeleitet und ihm vorgeworfen, illegale Accounts wieder aktiviert zu haben. Musk warf dem Richter daraufhin Zensur vor.

In der Folge kündigte Musk an, die X-Vertretung in Brasilien zu schließen, weil er um die Sicherheit der Mitarbeiter fürchte. Am Donnerstag dann setzte de Moraes Musk eine 24-Stunden Frist, erneut einen Rechtsvertreter für X einzusetzen und ordnete dann die Sperrung von X an, als Musk die Frist verstreichen ließ.

Regelgerecht oder Zensur?

Eine Entscheidung, die bei Rechtsberater Allan Carlos da Silva Marques auf Zustimmung traf. Alle Unternehmen in Brasilien müssten sich an die Regeln halten, und die Regierung müsse hart bleiben, wenn eines der Unternehmen das nicht tue - unabhängig von politischen Ansichten.

In den sozialen Medien allerdings zeigt sich viel Kritik. Von Zensur ist die Rede. Brasilien reihe sich damit ein in eine Liste von autoritär regierten Ländern und Diktaturen von Nord-Korea über Russland bis Venezuela, kommentierte Nicolas Ferreira die Entscheidung - er ist einer der populärsten Abgeordneten aus dem Lager des extrem rechten Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro. Den selbst wiederum ehrte Musk als "mutigen Mann."

Bewusste Provokation der brasilianischen Behörden

Allerdings habe Musk in anderen Staaten durchaus gerichtlichen Anforderungen zur Entfernung von Inhalten Folge geleistet, ruft der Politologe Mauricio Santoro in Erinnerung, der zu diesem Streit forscht. So beschränkte X zum Beispiel vor der türkischen Präsidentschaftswahl im Mai 2023 den Zugang zu einigen Inhalten. Auch in Indien soll Musk regierungskritische Inhalte gesperrt haben.

Der US-Unternehmer sei zu einer "Persönlichkeit der brasilianischen Parteipolitik" geworden, stellt Santoro fest. Und er habe beschlossen, die brasilianischen Behörden mit seiner Weigerung zu provozieren. Sein Kalkül dabei sei, dass die genauen Hintergründe seiner Suspendierung in Brasilien nicht genau verstanden würden und es deshalb in den meisten Ländern ein negatives Echo auf seine Blockade geben werde.

Auch innenpolitisch könne sich die Suspendierung von X auswirken, befürchtet Santoro. Sie könne nämlich das Narrativ der Bolsonaro-Anhänger stärken, dass die brasilianische Linke mit Hilfe von de Moraes autoritär die Meinungsfreiheit einschränke.

Inzwischen ein Kulturkampf

Tatsächlich ist aus dem Rechtsstreit ein politischer Kulturkampf geworden. Die politische Rechte Brasiliens wirft Richter de Moraes schon lange vor, autoritär zu sein und seine Befugnisse zu überschreiten, während ihn die progressive Linke - recht kritiklos - als Hüter der Demokratie feiert.

Raum für konstruktive Diskussionen abseits des Schwarz und Weiß gebe es kaum noch, beobachtet Politologe Santoro. "Es ist kaum mehr möglich, den Fall nüchtern zu betrachten, Es werden sehr unruhige Zeiten kommen."

Die X-Sperrung werde diese Polarisierung nochmals verstärken - und das in einem wichtigen Wahljahr. Im Oktober findet in Brasilien Kommunalwahlen statt. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in den Nachrichten am 31. August 2024 um 12:00 Uhr.