Ein Abschnitt des Grenzzauns in der Nähe des Ufers des Rio Grande.
reportage

Migration an US-Grenze Leere statt Behelfscamps in Eagle Pass

Stand: 12.09.2024 10:19 Uhr

Vor einem Jahr drängten Tausende Migranten durch den Rio Grande nach Eagle Pass. Inzwischen hat die republikanische Regierung von Texas den Grenzschutz mit übernommen. Damit sind nicht alle glücklich.

Ein kleines Motorboot mit zwei bewaffneten Männern in Uniform an Bord knattert über den Grenzfluss Rio Grande in Eagle Pass, Texas. Officer Aaron Ramirez steht ein paar hundert Meter entfernt vom Ufer hinter einem Metallzaun. Die Barrikade versperrt den Zugang zum Stadtpark und dem dahinter liegenden Grenzfluss.

Vor einem Jahr, im September 2023, gingen die Bilder von Shelby Park um die Welt: Tausende Migranten drängelten sich in einem Behelfscamp unter einer Brücke. Die Kleinstadt wurde zum Sinnbild für die nach Einschätzung der meisten Amerikaner gescheiterte Einwanderungspolitik der Biden-Regierung.

"Es war wie im Film", erinnert sich der Polizist. "Unglaublich selbst für uns, die wir hier aufgewachsen sind. Wie ein Flüchtlingslager. Nicht normal für uns."

Leer stehende Häuser als Versteck vor den Behörden

Jetzt ist Shelby Park bis auf ein paar Militärfahrzeuge leer. Statt wie im Herbst und Winter täglich Tausende kommen momentan in Eagle Pass täglich nur noch gut 100 Migranten über die Grenze. Die meisten stellen sich den Behörden, werden dann entweder gleich abgeschoben oder beantragen Asyl. Oder sie versuchen mit Hilfe von Schleppern weiterzukommen, die meist für mexikanische Kartelle arbeiten.

Ramirez fährt zu einer seit Jahren leer stehenden Villa an einem Hang oberhalb des Flusses. Hier versteckten sich immer wieder Menschen, bevor die Schlepperorganisationen sie von der Grenze wegbringen, sagt er, während in seinem Streifenwagen unablässig ein Scanner piepst.

"Die Kartelle kennen all diese leer stehenden Häuser. Deswegen benutzen sie sie gern immer wieder", sagt der Mittdreißiger. "Weil sie wissen, dass die Leute, die sie rüberschleusen, hier nicht auf Bewohner treffen, die vielleicht bewaffnet sind. Bewaffnet und nicht erfreut darüber, dass da jemand ohne Erlaubnis auf ihrem Grundstück ist."

"Operation Lone Star" zur Sicherung der Grenze

Auf dem Fluss fährt wieder ein Patrouillenboot vorbei. Grenzpolizei? Nationalgarde von Texas? Landespolizei? Ramirez, der für die lokale Polizei der Kleinstadt arbeitet, ist sich nicht ganz sicher.

Aber seit hier der republikanische Gouverneur Greg Abbott mit viel Geld, Manpower und Ausrüstung quasi das Kommando übernommen hat, habe sich die Situation insgesamt verbessert, meint er. Dank "Operation Lone Star", so heißt das Grenzsicherungsprogramm, hätten sie jetzt wieder annähernd Kontrolle über ihre Stadt. "Soweit es geht."

Keine Statistik zu Ertrunkenen im Rio Grande

Schon kommt das nächste Boot. Um die Migranten davon abzuhalten, den gefährlichen Grenzflusses zu durchwaten oder zu durchschwimmen, hat der Gouverneur große orangefarbene Bojen ausbringen lassen. Dazwischen hängen scharfkantige Metallscheiben.

Im August 2023 wurde die Leiche eines Migranten gefunden, der an der umstrittenen Barriere hängengeblieben war. Jeden Monat ertrinken im gesamten Flussverlauf mindestens ein Dutzend Menschen, schätzt Javier Leyva. Weil es keine offizielle Statistik gebe, wisse keiner, wie viele genau, oder wer diese Menschen waren.

"Es ist schwer, sich vorzustellen, dass die USA so etwas machen"

Leyva ist Pastor der First Methodist Church in Eagle Pass. Jeden Monat hält er am Ufer ein Mahngebet für die Opfer. Die große Präsenz an Sicherheitskräften aller Art in seiner Stadt, Trumps Mauer, die Barrieren, der NATO-Draht - all das macht ihn fassungslos.  

"Es ist schwer, sich vorzustellen, dass die USA so etwas machen. Weil wir uns anderswo für Menschenrechte einsetzen. Aber in unserem Land nicht", sagt der 71-Jährige. "Anderswo haben wir Mauern eingerissen. Hier bauen wir sie."

Legale Einwanderung kaum noch möglich

Das eigentliche Problem sei doch, meint Leyva, dass es kaum mehr legale Wege gebe, in die USA einzuwandern. Die meisten Migranten seien keine Kriminellen, sondern verzweifelt.

Und deshalb ließen sich die Menschen nicht aufhalten. Auch nicht von Zäunen, Stacheldraht und Bojen.

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 12. September 2024 um 05:45 Uhr im Deutschlandfunk.