Präsidentenwahl in Guatemala Außenseiter erreicht überraschend Stichwahl
Damit hatte keiner gerechnet: In Guatemala hat der linke Präsidentschaftskandidat Arevalo überraschend die Stichwahl erreicht. Sein angekündigter Kampf gegen die Korruption verfing bei den Wählern.
Besonders in den ländlichen Regionen warteten Frauen und Männer in ihren traditionellen Trachten in der Schlange, um ihre Stimme abzugeben. In manchen kleineren Orten wurden ganze Straßen von den Parteien gesperrt, damit sie ihre Wahlpartys abhalten konnten. Teils wurde ausgelassen gefeiert.
Grund dafür war vor allem die Mitte-Links-Partei Movimiento Semilla: Ihr Präsidentschaftskandidat Bernardo Arevalo erlangte mit rund zwölf Prozent den zweiten Platz.
Menschen in Chajul stehen Schlange, um ihre Stimmen abzugeben. Die Stadt liegt etwa 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Guatemalas. Zur Wahl standen - neben dem neuen Staatsoberhaupt - auch Abgeordnete und Bürgermeister.
"Ich bedanke mich bei den Menschen, die an uns geglaubt haben", sagte er. "Das ist eine große Chance für uns. Die Menschen haben eine eindeutige Botschaft gesendet: eine Absage an die Korruption." Die Guatemalteken erwarteten einen tiefgreifenden Wandel, so Arevalo.
Das Ergebnis dürfte für alle eine Überraschung gewesen sein. Die Umfragen im Vorfeld der Wahlen hatten es nicht vorhergesehen.
Deutlicher Stimmenverlust für Torres
Die meisten Stimmen erlangte die ehemalige Präsidentengattin Sandra Torres von der Partei UNE, die sich bereits zum dritten Mal zur Wahl stellt. Sie hatte schon in den Umfragen vorne gelegen, aber mit 15 Prozent deutlich an Stimmen verloren.
"Die vorherigen Regierungen waren alles Männer. Sie haben versagt", so Torres. Sie versprach: "Ich als Frau werde euch unterstützen und ich werde Ergebnisse liefern. Ich habe Erfahrung - ich weiß, was ich tue." Die Menschen würden sie kennen und wüssten, "dass ich meine Versprechen einhalte."
Weil keiner der Kandidaten über die nötigen 50 Prozent kam, wird es zwischen Arevalo und Torres eine Stichwahl geben.
Der Mitte-Links-Politiker Arevalo - Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, Juan Jose Arevalo - hat sich den Kampf gegen Korruption auf die Fahne geschrieben. Die Sozialdemokratin Torres steht für die alten Strukturen.
Menschenrechtsgruppen, Politikwissenschaftler und Indigenenvertreter kritisieren die zunehmende Kontrolle der Institutionen des Landes durch Interessengruppen aus Politik und Finanzwelt.
Niedrige Wahlbeteiligung
Es ist die Rede von einem "Pakt der Korrupten": Bestehend aus organisiertem Verbrechen, Politikern, einflussreichen Unternehmern und dem Militär. Im Vorfeld waren drei Kandidaten - unter fadenscheinigen Gründen - ausgeschlossen worden. Darunter auch die indigene Thelma Cabrera von der linken Bewegung MLP.
Die Wahlbeteiligung war mit rund 60 Prozent gering, fast ein Viertel der Wähler gab einen ungültigen oder einen leeren Stimmzettel ab - sicherlich auch eine Form des Protests. Francisco Rocael Mateo Morales vom Rat des Maya-Volkes wertet den unerwarteten Erfolg Arevalos als positive Nachricht.
"Arevalo verspricht die Bekämpfung dieses Krebsgeschwürs, der Korruption, die sich im Land breit gemacht hat", so Morales. "Er ist ein Demokrat. Er hat viel darüber gesprochen, wie man den Rechtsstaat wieder herstellen kann."
Die Stichwahl zwischen Arevalo und Torres wird voraussichtlich im August stattfinden.