Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und ihr Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz aus Minnesota kommen zu einer Wahlkampfveranstaltung.

Erster Auftritt von Harris und Walz Nahbare Art mit liberaler Agenda

Stand: 07.08.2024 08:17 Uhr

Es war ihr erster gemeinsamer Auftritt - und ihre Anhänger feierten: Kamala Harris pries ihren "Running Mate" dabei in den höchsten Tönen. Tim Walz gab sich nahbar - zeigte aber, dass er auch Attacke kann.

Schwüle 33 Grad Celsius in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania: Tausende Menschen jeden Alters und jeder Hautfarbe schieben sich in Richtung ausgebuchter Arena.

Auch Sophia, 27, steht schon seit über einer Stunde und immer noch sehr weit hinten in der schier endlosen Schlange. Aber die Sozialarbeiterin ist trotzdem bester Laune: "Zum ersten Mal seit Langem fühlt es sich wieder nach echter Hoffnung an."

Auch mit Kamala Harris' erster Entscheidung als frischgebackene Präsidentschaftskandidatin ist Sophia mehr als einverstanden: Tim Walz, den im Land noch weitgehend unbekannten Gouverneur von Minnesota, zu ihrem Vize gemacht zu haben.

Ein weißer Mann an der Seite der möglicherweise ersten Frau mit indisch-jamaikanischen Wurzeln im Weißen Haus. "Eine richtig gute Wahl", sagt Sophia. "Ich weiß zwar noch nicht viel über ihn, aber wir haben mit ihm die Chance, nicht nur Leute anzusprechen, die nicht wissen, wen sie wählen wollen, sondern ob sie überhaupt wählen wollen. Und ich glaube, genau diese Leute kann er erreichen."

"Ein Lehrer, wie ihn jedes Kind verdient"

In der bis auf den letzten Platz besetzten Arena brandet später minutenlang der Applaus auf. Menschen schwenken druckfrische Schilder mit den Namen des demokratischen Kandidaten-Teams, bevor Harris und Walz überhaupt "Guten Abend" sagen können.

Dann preist die 59-jährige Harris den nur ein paar Monate älteren Gouverneur in den höchsten Tönen: Ein langgedienter Offizier der Nationalgarde, erfolgreicher Kongressabgeordneter und noch erfolgreicherer Gouverneur, ergebener Familienvater - und, aus Sicht von Harris besonders eindrucksvoll: ein Lehrer, der sich für Minderheiten engagiert habe. Und Trainer der Football-Mannschaft seiner Schule, der sein Team vom Dauerverlierer zum Landesmeister gemacht habe.

US-Präsidentschafts-Bewerberin Harris und Vize-Kandidat Walz absolvieren ersten Auftritt

Torben Börgers, ARD Washington, tagesschau, 07.08.2024 09:00 Uhr

"Er war ein Lehrer, wie ihn jedes Kind will und verdient", so Harris. "Weil er den Menschen das Gefühl gibt, dazuzugehören und sie inspiriert. Und genau so ein Vizepräsident wird er sein."

Nicht nur Optimismus, sondern auch Attacke

Walz verbeugt sich artig, legt die Hand aufs Herz. Und spricht vielen im Saal offenbar aus der Seele, als er sagt: "Danke für die Ehre - aber vor allem Danke dafür, dass Sie die Freude zurückgebracht haben."

Rentnerin Kathleen aus New Jersey sieht es genauso: "Die Energie ist genauso wie damals vor der Wahl von Barack Obama 2008."

Aber Walz zeigt an diesem Abend auch, dass er nicht nur Optimismus, sondern auch Attacke kann: Der republikanische Kandidat und Ex-Präsident Donald Trump diene nicht dem Volk, sondern nur sich selbst.

Trumps Vize-Kandidat J.D. Vance vertrete doch gar nicht "Middle America", das Amerika jenseits der Küsteneliten. Der Senator aus Ohio habe stattdessen mit seinem Bestseller seine Herkunft versilbert und seine Nachbarn ausverkauft.

Walz bemüht noch mal das Adjektiv, mit dem er in den vergangenen Tagen Schlagzeilen gemacht hat: Trump und Vance, die seien "creepy and weird" - "gruselig und sonderbar".

"Wählen für die Zukunft"

Für das Publikum im Saal besteht Walz seinen ersten Auftritt als Vizepräsidentschaftskandidat mit Bravour. Aber zur volkstümlichen nahbaren Art gehört auch eine liberale Agenda: In Minnesota hat Walz für ein liberales Abtreibungsrecht, strengere Waffengesetze und kostenlose Schulmahlzeiten gesorgt.

Der 27-jährige Temi aus Philadelphia schätzt genau das an ihm. Walz sei der rare Demokrat, der zeige, dass man nicht moderat sein muss, um in den USA Wahlen zu gewinnen.

Er als Afro-Amerikaner habe sich bislang häufig von den Demokraten nur als Stimmvieh missbraucht gefühlt. Das sei jetzt anders: "Zum ersten Mal wählen wir für die Zukunft, und nicht aus Depression oder Angst."

Und auch Sozialarbeiterin Sophia ist voller Hoffnung: "Wir haben wirklich eine Chance zu gewinnen."