US-Wahl 2024

Kamala Harris unter einem Banner, auf dem "Trust Women" steht.

US-Wahlkampf Kann Harris mit dem Thema Abtreibung punkten?

Stand: 30.07.2024 15:43 Uhr

So wichtig es vielen Republikanern ist, so gefährlich kann es Trump im Wahlkampf werden: das Thema Abtreibung. Mit Harris als Kontrahentin könnte es ihn die entscheidenden Stimmen kosten. Das macht manche Republikaner nervös.

Gelb und rosa leuchten die Textmarker auf der Landkarte. Konzentriert beugen sich Michelle Bouchard und ihre Freundin Gilda Bayegan über das Papier. Die zwei Republikanerinnen planen eine Revolution in ihrer eigenen Partei - die Karte hilft ihnen dabei.

Die Frauen markieren Wahlbezirke. Sie haben eine Mission: Ihre republikanischen Parteifreunde in ihrem Heimatstaat Texas davon zu überzeugen, das Thema Abtreibung aus dem Wahlkampf zu streichen.

"Unser Land ist in Gefahr", sagen Bayegan und Bouchard. Die Grenze zu Mexiko, die Wirtschaft, Außenpolitik - in diesen Bereichen habe US-Präsident Joe Biden mit seinen Demokraten komplett versagt.

Darauf solle sich ihre Partei konzentrieren, nicht auf Abtreibung. Das sei das einzige Thema, mit dem die Demokraten punkten und das die Chancen der Republikaner auf einen Wahlsieg verringern könnte.

Harris setzt auf Frauenrechte

Tatsächlich setzt Vizepräsidentin Kamala Harris den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, im US-Wahlkampf mit dem Thema Abtreibung unter Druck.

Bei ihrem ersten Wahlkampfauftritt als voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten erklärte sie, sie vertraue darauf, dass Frauen Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen können und die Regierung nicht vorschreiben solle, was sie zu tun haben.

Und auch in ihrem offiziellen Kampagnenspot macht sie das Thema zu einem ihrer Hauptanliegen. Ihr Vorteil: Sie kann glaubhaft versichern, dass ihr Frauenrechte am Herzen liegen. Laut Weißem Haus war sie die erste Vizepräsidentin, die eine Abtreibungsklinik besuchte. In ihrer Zeit als US-Senatorin setzte sie sich konsequent für das Recht auf Abtreibung ein.

Trump unter Druck

Donald Trump fällt es dagegen schwer, sich im Wahlkampf zum Thema Schwangerschaftsabbruch zu positionieren. Weiße, evangelikale, konservative US-Amerikaner stellen seit Jahren den harten Kern seiner Wählerschaft.

Die Präsidentschaftswahl 2016 gewann er auch mit dem Versprechen, den Supreme Court, den Obersten Gerichtshof der USA, konservativer zu besetzen und so dazu beizutragen, das landesweite Recht auf Abtreibung zu kippen - ein Ziel religiöser Gruppierungen und konservativer Politiker.

Zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass genau das passiert ist: Mit den Stimmen der von Trump ernannten Richter entschied das Gericht, dass die US-Verfassung kein Recht auf Abtreibung vorsehe.

Seitdem liegt die Verantwortung für Abtreibungsgesetze wieder bei den Bundesstaaten. Einige, vor allem im Süden der USA, haben Abtreibungen seitdem zum Teil massiv eingeschränkt. In 14 Staaten sind Schwangerschaftsabbrüche nahezu komplett verboten.

"Gesundheitsversorgung von Frauen gefährdet"

Auch in Texas. Was das für Frauen bedeuten kann, musste Kaitlyn Kash dort erleben. Ihre Krankenakte ist ein etwa 500 Seiten dicker Stapel Papier. Nach einer Fehlgeburt wollte eine Apotheke ihr verschriebene Medikamente nicht geben weil diese auch für Abtreibungen genutzt werden können.

Eine auf die Fehlgeburt folgende Kinderwunschbehandlung stand nach der Entscheidung des Supreme Courts auf der Kippe. Als sie schließlich ein Kind zur Welt bringt, verblutet sie fast. Auch wenn die Klinik keine Fehler einräumt - Kash vermutet, dass sie wegen der verschärften Gesetze länger als nötig auf eine Ausschabung warten musste.

Für sie geht es längst nicht mehr ausschließlich um Abtreibungen. Durch die Verbote sei die Gesundheitsversorgung von Frauen stark gefährdet. Deshalb ist die Demokratin mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen. Sie spricht ehrenamtlich auf Veranstaltungen ihrer Partei über das Erlebte.

Republikaner versuchen, das Thema Abtreibung zu umgehen

Fälle wie dieser bewegen auch die Republikanerin Bouchard. Sie sei keine Abtreibungsgegnerin. Um die Abtreibungsgesetze an sich gehe es ihnen aber auch nicht. "Right to Win" steht in roten Glitzerbuchstaben auf ihrer Schärpe. Es ist der Name ihrer neu gegründeten Organisation.

Der Name ist angelehnt an "Right to Life", den Slogan der Abtreibungsgegner. Die sehen Michelle Bouchard und Gilda Bayegan als große Gefahr für die Republikaner. Die Partei lasse sich von "extremistischen Gruppen" innerhalb der eigenen Reihen, die Abtreibungsverbote überall in den USA durchsetzen wollen, in eine Falle locken.

Nach jüngsten Umfragen ist in den wichtigen Swing States die Mehrheit der Befragten dafür, Abtreibungen grundsätzlich zu erlauben. Solange die Republikaner aber als radikale Abtreibungsgegner wahrgenommen würden, böten sie die perfekte Angriffsfläche für die Demokraten, um mit dem Thema zu punkten, so die Texanerinnen.