US-Wahl 2024
Michigan und die US-Wahl 2024 Wo die alten Gewissheiten nicht mehr zählen
Im Swing State Michigan verschieben sich die Trennungslinien. Manche Republikaner wechseln zu den Demokraten aus Sorge um die Demokratie. Und die Republikaner gewinnen bei Wählern mit arabischen Wurzeln dazu.
Zwiebeltürmchen schmücken die Häuser, aus Lautsprechern schallt Blasmusik, und am Straßenrand stehen Wahlplakate. Dass deutsche Auswanderer Frankenmuth gegründet haben, ist nicht zu übersehen. Und auch nicht, dass der Landkreis um den Ort besonders umkämpft ist. Hier leben viele Wechselwähler.
Künstler Stephen Hargash ist einer von ihnen. Wen er wählt, wolle er vielleicht erst in der Wahlkabine entscheiden. Viele Themen seien komplex. Beispiel Abtreibung: Er sei für Frauenrechte. Aber auch dafür, das Leben ungeborener Kinder zu schützen. Er kenne aus TV-Debatten und Wahlwerbung zwar die Positionen von Kamala Harris und Donald Trump zu vielen Themen. Wie genau sie nach der Wahl ihre Versprechen umsetzen wollen, verstehe er trotzdem nicht.
Manche seiner Freunde vertreten Positionen, die er nicht teile, sagt Stephen. Sie hätten beschlossen, darüber nicht mehr zu reden. Freundschaften zu gefährden - das sei es ihnen nicht wert. "Politik und Religion klammern wir aus. Dann kommen wir gut miteinander klar", sagt er lachend.
Warum der Nahost-Konflikt in Michigan auf die Wahl wirkt
Außenpolitik und Religion könnten in Michigan aber wahlentscheidend sein. Anders als in anderen Bundesstaaten gewinnen in den sogenannten Swing States mal die Republikaner und mal die Demokraten. 2016 hatte Donald Trump hier mit einem Vorsprung von nicht einmal 11.000 Stimmen gewonnen, 2020 Joe Biden mit rund 154.000.
Sollte Kamala Harris hier verlieren, könnte das auch an den sogenannten Arab-Americans liegen. Im Bundesstaat Michigan leben fast 400.000 Menschen mit arabischen Wurzeln. Trump und seine Wahlkampfmanager haben diese Gruppe auf den letzten Metern des Wahlkampfes noch entdeckt. Nur wenige Tage vor der Wahl wendet sich Trump an die Community.
"Für Frieden? Wähl Trump", leuchtet die Werbetafel jeden an, der nach Dearborn fährt - auf Englisch und Arabisch. Sie nennen diesen Ort die arabische Hauptstadt der USA. Nur wenige Tage vor der Wahl hat Donald Trump Dearborn besucht - unter Jubelrufen und Applaus der Menschen. Bei einem seiner vorherigen Besuche im Swing State scharte sich eine ganze Gruppe von islamischen und arabischen Führungspersönlichkeiten auf der Bühne um Trump: "Großer Applaus für Sie, denn Sie werden für uns stimmen und wir werden gewinnen."
Ein Imam, begeistert von Trump
Ein jemenitischer Imam rief hörbar gerührt ins Mikrofon: "Wir werden Präsident Trump wählen. Wir Muslime stehen hinter Präsident Trump. Denn wir wollen Frieden."
Die Wahlempfehlung von Belal Alzuhairi ging viral: "Das war die unruhigste Woche meines Lebens. Trump hat unser Video gepostet. Ich habe Tausende von Nachrichten und unzählige Interviewanfragen bekommen."
Der jemenitische Imam aus Dearborn lebt zwar seit 26 Jahren dort. Er habe aber niemals gewählt, geschweige denn eine Wahlempfehlung ausgesprochen. Doch dieses Mal sei alles anders.
Über den Schwiegervater von Trumps Tochter Tiffany sei er angesprochen worden. Der Mann heißt Massad Boulos. Nun habe er Trump bereits dreimal getroffen und ist begeistert: Trump trinke keinen Alkohol, sei ein Familienmensch und er werde Frieden im Nahen Osten schaffen.
"Noch nie wurde ein Präsident so ungerecht behandelt wie Trump, genau wie die Muslime", ist er überzeugt. An den Einreisestopp für Muslime, den Trump angekündigt hat, glaubt der Imam nicht: "Das wird nicht passieren."
Die Ansprache wirkt
Das Vertrauen und die Zuversicht in den republikanischen Kandidaten ist in der arabischen Community in Michigan groß. Auch viele katholische Iraker stimmen für ihn.
Die Stiftung der irakisch-katholischen Gemeinde hat ihren Saal als Wahllokal zur Verfügung gestellt. Soeben hat der 19-jährige Miron zum ersten Mal in seinem Leben gewählt. "Wir haben ähnliche Werte. Und er hat uns mit 'Habibi' angesprochen. Da wusste ich, den wähle ich."
Sorge um die Demokratie
Auf der politischen Bühne duellieren sich Trump und Harris, in der Studentenstadt Ann Arbor zwei Uni-Football-Teams. Der Kampf ist ähnlich hart: Michigan gegen Michigan State. Eine der größten Rivalitäten im College-Football.
Die 51-Jährige Grundschullehrerin Joni Kase schaut sich das Spiel mit ihrem Schwager an. Trump zu wählen kann sie sich nicht vorstellen. Sie sieht ihn als Bedrohung für die Zukunft. "Die größte Sorge, die ich habe, ist, dass er unsere Demokratie zerstört", fürchtet sie.
Was ihre Football-Mannschaft angeht, ist sie sich mit ihrem Schwager einig. Politisch ist er erst jetzt in ihr Team gewechselt. Er zwar sei schon immer Republikaner gewesen und finde die Politik der Demokraten nicht gut. Trotzdem will er sie wählen. Denn Trump sei für ihn keine Option.
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