Liam Mooney
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Reportage

Boykott von US-Produkten in Kanada "Elbows up" gegen Trump 

Stand: 28.03.2025 10:20 Uhr

Urlaube in Florida werden abgesagt, US-Produkte boykottiert: Seit Trumps Drohgebärden gegen Kanada wächst dort der Widerstand: Unter dem Motto "Elbows Up" wehren sich die Menschen gegen die Politik des US-Präsidenten.

Von Marion Schmickler , ARD New York

Am Anfang dachten alle: Das ist ein schlechter Scherz. Doch Donald Trump hat die Drohung, er wolle Kanada als 51. Bundesstaat schlucken, so oft wiederholt, dass die Menschen im zweitgrößten Land der Erde sich Sorgen machen, er könnte es ernst meinen. Ihre Antwort: Eine nie dagewesene Welle der Solidarität und ein politisches Beben, das die nächste Wahl entscheiden könnte. 

Bei William Oliveira gibt's nur "Made in Toronto": Jeden Tag backt der Besitzer des Café Belem knusprige Croissants und portugiesische Pudding-Teilchen. Seit dem Zollkrieg mit den USA braut sein Barista auch einen Schluck Patriotismus dazu. Ein doppelter Espresso mit Wasser heißt jetzt "Canadiano".

Seitdem sie den Americano umbenannt haben, ist der schwarze Kaffee zum Renner geworden. "Die Leute ändern mehr und mehr ihr Verhalten", erzählt William, "das fängt bei den kleinen Dingen an. Wir achten verstärkt darauf, welche Firmen und Geschäfte amerikanisch sind und versuchen, sie zu meiden."

  

William Oliveira

Im Café von William Oliveira gibt's nur "Made in Toronto".

"Es hat uns Kanadier wachgerüttelt"

Donald Trumps Drohung, Kanada zum 51. Bundesstaat zu machen, schweißt das Land zusammen. "Elbows up", der Schlachtruf aus dem Eishockey, ist zum Mantra einer ganzen Bewegung geworden. Gemeinsam gegen den neuen Gegner im Süden. Das sei längst überfällig gewesen, sagt Gayle und nippt an ihrem Kaffee. "Es hat uns Kanadier wachgerüttelt, und dazu gebracht, darüber nachzudenken, was es bedeutet, Kanadier zu sein."

Karina Richardson-Jones, die das Café heute zu ihrem Homeoffice gemacht hat, sorgt sich um die Zukunft ihres Landes. "Wir verlassen uns so sehr auf die USA, ob beim Handel oder so vielen anderen Dingen in unserer Wirtschaft", warnt die Einwanderungsanwältin und fügt hinzu: "Seitdem Donald Trump im Amt ist und mit Strafzöllen droht, ist klar, wie verwundbar Kanada ist." 

Kanada und die USA - vor Trump waren sie beste Freunde, ihre Wirtschaft ist eng verflochten. 70 Prozent aller kanadischen Exporte gehen in die USA. Die Drohung, sie mit weiteren Strafzöllen zu belegen, sorgt für Angst und Empörung.

Giancarlo Trimarchi

Giancarlo Trimarchi vom Supermarkt Vince's hat seine Produkte so gekennzeichnet, dass seine Kunden sofort erkennen, wo sie herkommen.

Mehr und mehr Kanadier boykottieren US-Produkte

Viele Kanadier boykottieren amerikanische Produkte, sagen ihren Urlaub in Florida und Arizona ab. Allein im Februar wurden an der Grenze 500.000 weniger Einreisen in die USA registriert als im Vorjahr. So niedrig waren die Zahlen zuletzt am Ende der Corona-Pandemie.  

Bei Giancarlo Trimarchi stand das Telefon nicht mehr still nach Trumps Drohungen. Die Kunden seiner kleinen Supermarkt-Kette Vince's im Speckgürtel von Toronto wollten wissen: Welche Produkte kommen aus den USA? Denn die wollen sie boykottieren.

"Wir haben 35.000 verschiedene Produkte - allein in diesem Laden", erklärt Giancarlo. "Es ging vor allem darum, jedes so zu kennzeichnen, dass man sofort erkennen kann, ob ein Produkt aus Kanada stammt."

Mit kanadischen Flaggen gekennzeichneter Käse liegt neben deutschem Käse in einem Supermarkt in Toronto.

Kanadischer Käse und deutscher Käse - im Laden von Giancarlo Trimarchi sind die Produkte mit Flaggen gekennzeichnet.

Kalifornische Weine aus den Regalen geräumt

Überall in seinem Laden weisen jetzt Sticker mit dem roten Ahornblatt darauf hin, dass die Produkte "Made in Canada" sind. Die kalifornischen Weine sind längst ausgeräumt. Auch beim Obst und Gemüse hat Giancarlo sein Sortiment angepasst.

Früher hat er die frischen Produkte immer aus der Region gekauft, wo es gerade am besten und günstigsten war. Jetzt gibt es Blaubeeren und Himbeeren aus Peru und Mexiko, obwohl die kalifornischen gerade Hochsaison haben. Doch Kundinnen wie Sarah Argille sind gerne bereit, mehr zu zahlen. "Ich hab überhaupt kein Interesse, die USA finanziell zu unterstützen."

Giles Gherson hat einen weiten Blick über die Stadt und den Ontariosee. Bei gutem Wetter kann er von seinem Büro aus die USA auf der anderen Seite des Sees sehen. Doch die Beziehungen seien extrem abgekühlt, sagt der Präsident der Handelskammer.

Auch er hat Sorge, dass Kanada in eine Rezession schlittern könnte. Investoren hielten sich derzeit zurück, weil sie nicht wüssten, wie der Streit ausgeht. "Diese Unsicherheit könnte uns noch härter treffen als die möglichen Zölle", sagt er.

 

Kappen mit der Aufschrift „Canada is not for sale” werden in einer Näherei in Toronto hergestellt.

In einer kleinen Fabrik in Toronto werden diese Baseball-Kappen mit der Aufschrift "Canada is not for sale" hergestellt.

Einer profitiert

Liam Mooney ist einer der wenigen, die von dem Streit zwischen Kanada und Donald Trump profitieren. In einer kleinen Fabrik in Toronto rattern Dutzende Nähmaschinen und besticken Baseball-Kappen. 5.000 Nadelstiche mit einer klaren Botschaft "Canada is not for sale". Das Design stammt von Liam.

50.000 Kappen hat er in den letzten zwei Monaten produzieren lassen - ein Erfolg, den er bittersüß nennt. "Natürlich wäre es uns lieber, wenn wir nicht so heftig reagieren müssten", sagt er. "Aber es ist rührend zu sehen, wie sehr die Kanadier zusammenstehen für ihr Land." 

Alle Blicke auf die Wahl Ende April

Ende April wird gewählt in Kanada. Bis vor wenigen Wochen noch lagen die Konservativen in den Umfragen uneinholbar vorn. Doch Trumps Drohungen haben ein politisches Erdbeben ausgelöst.

Die Liberalen mit ihrem neuen Premierminister Mark Carney haben so rasant aufgeholt, dass es plötzlich nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aussieht. Und alle Experten sind sich einig: Die Wähler werden für den Kandidaten stimmen, dem sie am ehesten zutrauen, dass er sie gegen Donald Trump verteidigen kann. Liam Mooney lässt seine Kappen jetzt in allen Farben produzieren, für alle Parteien. Denn in einem sind sich alle einig: Kanada steht nicht zum Verkauf. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. März 2025 um 10:41 Uhr.