Mitglieder der kanadischen Spezialeinheit der "Smokejumper" stehen vor ihrer Ausrüstung für einen Absprung über einem Waldbrandgebiet.
weltspiegel

Waldbrandbekämpfung in Kanada "Das Feuer ist ein Biest, das stärker ist als du"

Stand: 25.08.2024 11:49 Uhr

Die kanadischen "Smokejumper" haben eine Mission. Sie springen mit dem Fallschirm in entlegenen Gebieten ab, in denen Waldbrände ausgebrochen sind. Die Spezialeinheit ist eine Antwort auf die immer heftigeren Folgen des Klimawandels.

Sie gehen immer dann in die Luft, wenn das Feuer für andere nicht erreichbar ist. Die "Smokejumper" in British Columbia sind eine Spezialeinheit der Feuerwehr. In ihren feuerfesten Anzügen stürzen sie sich im wahrsten Sinne in den Rauch und spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Brände. Denn auch in diesem Jahr lodern hunderte Feuer in Kanada.

450 Meter über einer Lichtung in British Columbia kreist das rot-weiße Jumpship One, im Flieger steigt die Spannung. Durch die offene Tür können die Feuerwehrleute in ihren gelben Kevlaranzügen schon den Rauch am Boden sehen. "Es geht los mit den Sprüngen", ruft David Poon am Boden in sein Funkgerät.

Ingrid Pond steht an der offenen Flugzeugtür. Ein Klaps auf die Schulter - und dann kommt der Moment, der Pond und ihre Kameraden so fasziniert: der Absprung in den freien Fall. "Du musst Deine Ellenbogen feste an dich drücken, sonst verfängst du dich in den Seilen“, erklärt die junge Feuerspringerin mit dem blonden Zopf und dem Baum-Tattoo auf dem Arm. "Das sind die vier Sekunden, in denen du am wenigsten nachdenken musst. Die genieße ich: einfach warten, bis der Fallschirm aufgeht."

Einsatz in entlegenen Gebieten

Pond ist eine von 76 "Smokejumpern". Die Spezialeinheit von British Columbia Wildfire sitzt am Flughafen von Fort St John. Sie sind so etwas wie eine schnelle Eingreiftruppe, rücken immer dann aus, wenn es in entlegenen Regionen brennt, erklärt James Bergen, der Chef der einzigen Feuerspringer-Einheit in Kanada.

“Wir können mehr Leute und mehr Equipment transportieren - und innerhalb von etwas mehr als zwei Stunden überall in British Columbia sein. Ein Helikopter bräuchte acht bis zehn Stunden, um so weit zu fliegen."

Die Brände in Kanada werden heftiger und häufiger, Wissenschaftler sprechen bereits von einem neuen Zeitalter der Waldbrände. Bis nach Europa zieht auch in diesen Tagen der gefährliche Rauch. Vor allem nach dem schlimmsten Jahr in seiner Geschichte 2023 setzt Kanada auf Schnelligkeit und Prävention.

Ingrid Pond von der kanadischen Feuerwehreinheit der "Smokejumper" packt in einem Hangar die Ausrüstung für einen Einsatz zusammen.

Wenn Ingrid Pond ihre Ausrüstung zusammenpackt, kommen am Ende bis zu 45 Kilogramm zusammen.

Ein "Tanz mit dem Feuer"

Ein lauter Gong tönt durch die Hallen - Einsatz für die Springer. Alle rennen los, viele mit Gejohle. Ingrid Pond legt Power-Musik auf, und im Herzen des Hangars wird es hektisch. Wie an einer riesigen Garderobe hängt alles bereit, die roten Hemden und die feuerfesten Anzüge, aufgeklappt zum reinschlüpfen.

Wenn sie sich auf den Weg zu ihrem Flieger machen, dick eingepackt, mit den vergitterten Helmen und bis 45 Kilo am Körper, dann könnte man glauben, hier wird ein Actionfilm gedreht. Doch wer in dieser Eliteeinheit arbeiten will, muss das Feuer aus dem eff-eff kennen.

Denn nach dem kurzen Adrenalinrausch kommt das, was auch ganz "normale" Feuerwehrleute in Kanada tun: Wasserstelle suchen, Schläuche legen, das Feuer bändigen. "Du kannst mit dem Feuer spielen, gucken wie du es in eine bestimmte Richtung lenken kannst", beschreibt Pond ihren "Tanz mit dem Feuer". Faszination - und Respekt, denn: "Das Feuer ist definitiv ein Biest, das stärker ist als du."

Schnellere Erwärmung als in anderen Weltregionen

Der Nordwesten Kanadas bekommt den Klimawandel besonders hart zu spüren. Diese Region erwärmt sich bis zu viermal schneller als der Rest der Welt. Selbst in der kanadischen Arktis sorgen Hitzewellen für Rekordtemperaturen, zuletzt wurden 35 Grad verzeichnet. Es ist die gefährliche Mischung von Hitze, Trockenheit und starken Winden, die den Verantwortlichen Sorgen bereitet.

"Wir müssen uns besser vorbereiten", warnt Kandis Jameson. Die Bürgermeisterin von Hay River in den Nordwest-Territorien musste im vergangenen Jahr ihre komplette Stadt evakuieren lassen. Wie durch ein Wunder sei niemand zu Schaden gekommen.

Aber das hat nicht nur sie aufgerüttelt. "Der Norden ist so etwas wie das Frühwarnsystem. Die Leute sollten gucken, was hier passiert, denn das wird Auswirkungen auf die ganze Welt haben."

"Aber wir sind nicht machtlos", sagt die Bürgermeisterin. Jede und jeder kann helfen, sein Zuhause vor den Flammen zu sichern. Oft mit verblüffend einfachen Dingen: Aufräumen rund ums Haus zum Beispiel, weg mit allem, was brennbar ist, feuerfeste Baumaterialien und Pflanzen. "Firesmart" heißt das von der Regierung geförderte Programm. Mehr Prävention - das ist eine der großen Lehren aus dem Horror-Sommer 2023.

Kanadische "Smokejumper" bereiten sich in einem Flugzeug auf ihren Absprung über einem Waldbrandgebiet vor.

Die Ausrüstung, die die "Smokejumper" mit sich führen, soll im Einsatz für bis zu 48 Stunden reichen.

Veränderungen jeden Tag

Pond und ihre Kolleginnen und Kollegen erleben die Veränderungen in der Natur jeden Tag. Und dennoch: Sie lieben ihren Job. "Es ist harte Arbeit, aber sehr befriedigend, wenn du am Ende des Tages müde, verschwitzt, dreckig bist, siehst, was Du geschafft hast", sagt die Feuerwehrfrau, als sie mit verkohltem Gesicht aus dem Einsatz zurückkommt.

Da wird der Flieger auf dem Rollfeld schon wieder für den nächsten Einsatz gepackt. An Bord die Taschen mit den Sägen und Pumpen - und die Rucksäcke der Feuerspringer, mit allem was sie brauchen für die ersten 48 Stunden in der Wildnis. Pond kann es nicht abwarten, bis der Gong wieder ertönt, das Zeichen: Es geht wieder los!

Eine ausführliche Reportage sehen Sie in der Weltspiegel-Dokumentation "Kanada - Leben mit dem Feuer" - heute um 18.30 Uhr und ab 11 Uhr in der ARD-Mediathek.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet der Weltspiegel am 25. August 2024 um 18:30 Uhr.