Durch die Schlammlawine zerstörte Häuser im Ort Bento Rodrigues

Dammbruch in Brasilien Bergbaukonzerne müssen Milliarden zahlen

Stand: 26.10.2024 11:34 Uhr

Der Dammbruch in einer Mine vor neun Jahren war eine der schlimmsten Umweltkatastrophen Brasiliens: 19 Menschen starben, ein Fluss wurde verseucht und viele Tiere verendeten. Nun müssen die Betreiber hohe Entschädigungen zahlen.

Rund neun Jahre nach dem verheerenden Dammbruch von Bento Rodrigues in Brasilien müssen die verantwortlichen Bergbaukonzerne zusätzliche Zahlungen in Milliardenhöhe leisten. Die Regierung unterzeichnete mit dem Minenbetreiber Samarco sowie seinen Mutterunternehmen - dem brasilianischen Konzern Vale und dem australisch-britischen Konzern BHP Billiton - die neue Vereinbarung über Entschädigungen in Höhe von 132 Milliarden Reais (etwa 21 Milliarden Euro) an die betroffenen Familien, Städte und Gemeinden.

Die "Tragödie von Mariana" ging nach Regierungsangaben als die größte Umweltkatastrophe des Landes in die Geschichte ein. Die Zahlung, von der ein Teil über einen Zeitraum von 20 Jahren läuft, gilt als Wiedergutmachung für die Schäden an Menschen, Umwelt und Infrastruktur. Die Regierung schätzt, dass rund 300.000 Bürger Entschädigungszahlungen erhalten werden.

Hunderte Kilometer verseucht

Am 5. November 2015 hatte eine Schlammlawine den Ort Bento Rodrigues nahe der Stadt Mariana zerstört, 19 Menschen kamen ums Leben. Der Dammbruch im Rückhaltebecken eines Eisenerzbergwerkes im Bundesstaat Minas Gerais hatte die Katastrophe verursacht.

Rund 40 Millionen Kubikmeter giftiger Abwässer waren aus dem Rückhaltebecken in den Fluss Doce und später in den 650 Kilometer entfernten Atlantik gelangt. Die Giftstoffe verseuchten den Fluss - Tausende Tiere verendeten, Hunderttausende Menschen hatten kein sauberes Trinkwasser mehr.

BHP und Vale hatten bereits 2016 in eine Entschädigungszahlung in Höhe von umgerechnet rund 3,5 Milliarden US-Dollar eingewilligt, aber aufgrund "nicht eingehaltener" Zusagen und der langsamen Bearbeitung durch die Justiz wurden 2021 neue Verhandlungen aufgenommen.

Luiz Inácio Lula Da Silva

Brasilien Präsident Lula war bei der Zeremonie zur Unterzeichnung der Entschädigungen sichtlich bewegt

"Eine Lehre" für die Bergbaukonzerne

"Ich hoffe, dass die Bergbauunternehmen eine Lehre daraus gezogen haben. Es wäre viel billiger gewesen, das, was passiert ist, zu vermeiden, unendlich viel billiger", sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

In einer Zeremonie wurde mit einer Schweigeminute der Opfer der Umweltkatastrophe gedacht. Lula bezeichnete das Entschädigungsabkommen als das "wichtigste in der modernen Geschichte" nach einer Katastrophe dieser Art.

Vertreter von Opferorganisationen kritisierten die Einigung. Viele Geschädigte würden aufgrund fehlender Dokumente über ihr verlorenes Hab und Gut nicht entsprechend entschädigt. Zudem seien die individuellen Zahlungen zu niedrig. Lula verwies auf die sich über Jahre hinziehenden Verhandlungen zwischen der Justiz und den Unternehmen. In den vergangenen Wochen hatte die Regierung Druck gemacht, damit die Einigung vor Beginn eines Prozesses in England zustande kommt.

Gerichtsverfahren in Großbritannien

In Großbritannien läuft ein zusätzliches Gerichtsverfahren nach einer Sammelklage von mehr als 620.000 Betroffenen, darunter Gemeinden, Unternehmen und mehrere indigene Völker. Sie fordern Schadenersatz in Höhe von 36 Milliarden Pfund (43 Milliarden Euro) vom Rohstoffkonzern BHP.

Experten denken jedoch, dass die nun in Brasilien verhandelte Einigung die Aussichten auf einen Erfolg in England schwächt. Ein Urteil wird dort für Mitte 2025 erwartet.

Die Einigung in Brasilien stelle lediglich einen ersten Schritt in einem andauernden Kampf um Gerechtigkeit dar, sagte Kläger-Anwalt Tom Goodhead. "Unser Gerichtsverfahren wird BHP öffentlich zur Rechenschaft ziehen und einen Präzedenzfall schaffen, der es multinationalen Unternehmen generell erschwert, ihre Verantwortung gegenüber den Gemeinden, in denen sie tätig sind, zu vernachlässigen."

Die Bergbaukonzerne waren bereits Anfang des Jahres von einem brasilianischen Gericht zu einer Milliardenstrafe verurteilt worden. Die nun mit der Regierung getroffene Vereinbarung muss noch vom Obersten Gerichtshof Brasiliens genehmigt werden. Sie hat nicht zur Folge, dass die laufenden Prozesse gegen die Unternehmen aufgehoben werden, erklärte BHP.

Weiterer Dammbruch mit 270 Toten

In Brasilien wurde bisher niemand persönlich wegen der Katastrophe verurteilt. 2016 waren ursprünglich 22 Personen angeklagt worden. Ihnen wurde neben Umweltdelikten auch Mord vorgeworfen. Mittlerweile sind es nur noch sieben Personen, die sich wegen Umweltdelikten verantworten müssen.

Im Januar 2019 kam es zu einem weiteren Vorfall in einer Mine. An einem Rückhaltebecken einer Vale-Eisenerzmine nahe der Kleinstadt Brumadinho, ebenfalls im Bundesstaat Minas Gerais, brach wieder ein Damm. 13 Millionen Kubikmeter giftigen Bergbauschlamms ergossen sich in die Umgebung, mindestens 270 Menschen kamen ums Leben. Der Dammbruch führte ebenfalls zu einer Naturkatastrophe in der Region.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. April 2024 um 12:42 Uhr.