Historische Abstimmung Repräsentantenhaus-Chef McCarthy abgewählt
Nach dem Präsidenten und dessen Vize gilt der Vorsitz des Repräsentantenhauses als drittwichtigster Posten in den USA. Der Republikaner McCarthy muss ihn nun räumen - als Verlierer eines parteiinternen Machtkampfes.
Zum ersten Mal in der US-Geschichte ist mit Kevin McCarthy ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum von seinem Posten abgesetzt worden. Eine Mehrheit der Parlamentskammer stimmte dafür, den republikanischen Vorsitzenden aus dem Amt zu entfernen. Hintergrund ist eine parteiinterne Revolte bei den Republikanern. Der Vorsitz des Repräsentantenhauses gilt in der staatlichen Reihenfolge der USA als drittwichtigster nach dem Präsidenten und dessen Vize.
Angeführt von dem republikanischen Hardliner Matt Gaetz stimmten mehrere weitere Republikaner dafür, McCarthy zu entmachten. Die Demokraten in der Kammer wiederum verzichteten darauf, McCarthy zur Hilfe zu kommen und votierten gegen ihn. Die Republikaner haben eigentlich das Sagen in der Kammer, aber nur mit geringem Vorsprung. Durch die Zahl der internen Revoltierenden in den eigenen Reihen kam damit eine knappe Mehrheit gegen McCarthy zustande.
Haushaltsstreit in den USA als Anlass
Der Anführer der Revolte, Gaetz, hatte am Montagabend einen Antrag auf McCarthys Absetzung ins Repräsentantenhaus eingebracht. Der 41-Jährige warf McCarthy unter anderem vor, gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden zu machen, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten. Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA.
Gaetz störte sich daran, dass McCarthy am vergangenen Wochenende mit den Stimmen von Demokraten einen drohenden Stillstand der Regierung im letzten Moment abwendete. Der Kongress hatte am Samstag einen Übergangshaushalt bis Mitte November verabschiedet. Er beschuldigte McCarthy aber auch, gegen mehrere fraktionsinterne Absprachen verstoßen zu haben - ihm sei daher nicht zu trauen. Da die Parlamentskammer ihren Vorsitzenden selbst wählt, ist sie auch das einzige Gremium, das ihn wieder aus dem Amt verdrängen kann - auf Antrag aus den Reihen der Abgeordneten.
Nie zuvor hat ein Vorsitzender der Kammer allerdings auf diesem Weg seinen Posten verloren. In der Geschichte des Kongresses gab es zuvor auch überhaupt erst ein einziges Mal eine Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses über einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden. Das war vor mehr als hundert Jahren: 1910.
McCarthy kritisiert Motive für seine Absetzung
Bei einem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt sagte McCarthy, für ihn sei der Vorsitzenden-Posten die größte Ehre gewesen. "Ich habe jede Minute geliebt." Er sei mit sich im Reinen. "Ich würde rein nichts anders machen", betonte er. "Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich wirklich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben." Selbstironisch sagte er: "Ich habe Geschichte geschrieben, oder?"
Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen - insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches - und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen, beklagte McCarthy. Gaetz' Vorwürfe wies er zurück. "Nur weil Gaetz etwas gesagt hat, heißt das nicht, dass es wahr ist. Ich habe ihn noch keine einzige wahre Sache sagen hören."
McCarthy beklagte, es dürfte nicht möglich sein, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses die überwältigende Mehrheit seiner Fraktion hinter sich habe und trotzdem von acht Abgeordneten gemeinsam mit der anderen Partei aus dem Amt entfernt werde. "Ich glaube nicht, dass es diese Regel geben sollte - unabhängig davon, wer der Vorsitzende ist." Das Parlament als Institution habe versagt.
Wahl der Nachfolge wohl nächste Woche
Nach der Absetzung McCarthys rief US-Präsident Joe Biden die Kongresskammer auf, rasch dessen Nachfolge zu wählen. "Die dringenden Herausforderungen für unser Land werden nicht warten", erklärte Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre. Der Präsident hoffe deshalb, dass das Repräsentantenhaus "schnell" einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende wähle.
Bis diese Wahl stattgefunden hat, wird McCarthys republikanischer Parteikollege Patrick McHenry vorläufig den Posten übernehmen. Am Abend ergriff McHenry gemäß der Regelungen in der großen Kongresskammer den Hammer. Das Amt wird der 47-Jährige - ein Verbündeter McCarthys - kommissarisch innehaben, bis ein neuer Vorsitzender gewählt ist.
Bei der Wahl, die voraussichtlich in der kommenden Woche stattfinden soll, wird McCarthy auf eine erneute Kandidatur um das Spitzenamt verzichten. Er werde nicht wieder antreten, teilte der Republikaner am Abend den Abgeordneten mit. "Ich habe für das gekämpft, woran ich glaube. Ich glaube, dass ich weiterkämpfen kann, aber vielleicht auf eine andere Art und Weise".