Lionel Messi ist für viele Argentinier und Argentinierinnen ein Held. Für manche ist er ein besonderer Unterstützer.

Argentinien "Messi-Mania" als Hoffnung in der Wirtschaftskrise

Stand: 25.08.2024 11:48 Uhr

Seit Monaten steckt Argentinien in einer massiven Wirtschaftskrise, die große Teile der Bevölkerung trifft. Ausnahmen gibt es für diejenigen, die einen besonderen Kunden haben - nämlich Fußballstar Messi.

San Miguel ist eine dicht besiedelte Vorstadt von Buenos Aires, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Mittendrin, in einer Werkstatt hinter seinem bescheidenen Einfamilienhaus, fertigt José Guillermo Fernández Parillas Grillroste. Argentinier lieben Fleisch - deshalb ist ist das eigentlich ein krisensicheres Produkt.

Doch bei dreistelligen Inflationsraten kam das Geschäft zuletzt zum Erliegen - bis er ein besonderes Modell fertigte: "Das ist unser Kapitänsgrill", erzählt José - gefertigt aus Edelstahl. "Hier, im Bereich, in dem angeheizt wird, haben wir eine Zehn eingestanzt. Die leuchtet auf, wenn Feuer gemacht wird. Dazu die drei WM-Sterne am Deckel. Und hier das Bild von Leo, wie er seine berühmte Geste in Richtung Himmel macht."

Der Punkt ist: Einer dieser Kapitänsgrills - genau genommen das Ursprungsmodell - steht heute auf einer Terrasse in Miami, der Terrasse von keinem geringeren als Messi selbst. Und José Guillermo, der vor wenigen Monaten noch vor dem Bankrott stand, ist heute dabei, zu expandieren.

Karte: Buenos Aires, Argentinien

Instagram-Nachricht von Messi

Aber von Anfang an: "Ende 2023 arbeitete ich eigentlich nur noch, um meine fünf Angestellten zu halten. Aber irgendwann ging es nicht mehr", erzählt José. Er beantragte bei der Bank einen Kredit. "Damit ich die Jungs wenigstens zu Weihnachten auszahlen konnte. Ich war am Boden. Aber eines Nachmittags ploppte plötzlich eine Nachricht von jemandem mit blauem Haken auf: Messi stand da. Ich dachte, es wäre ein Betrug, aber das Profil hatte 500 Millionen Follower. Mir begann die Hand zu zittern."

Dazu muss man wissen: Ordentliche, robuste argentinische Grills sind in der Exilgemeinde heiß begehrt, es gibt zum Thema jede Menge Gruppen in sozialen Netzwerken. Auch José Guillermo postete seine Modelle. Und der Zufall wollte es, dass ein Freund von Messi, der Cousin seiner Frau, genauso einen Grill erstand. Und nach einem gemeinsamen Asado - einem gemeinsamen Grillfest - wollte Messi dann eben auch einen.

"Du musst ihm den Grill schenken"

Und so machte sich José Guillermo in San Miguel an die Arbeit. Das Problem nur war, dass er kein Geld mehr hatte, das teure Edelstahl zu kaufen. "Alle sagten mir, du musst ihm den Grill schenken. Und ich so, wie denn? Ich hatte ja nicht mal mehr Geld, um meine Angestellten zu bezahlen."

Messis Frau Antonella schickte dann das Geld. Es gab nur ein weiteres Problem: "Einen Tag nachdem es hier ankam, wertete die Regierung die Landeswährung ab. Das Geld war plötzlich nur noch die Hälfte wert." Denn die Preise für die Materialien orientieren sich am US-Dollar. "Ich hatte über Nacht die Hälfte meines Budgets verloren."

Am Ende klappte dann aber doch alles. Und José Guillermo bat Antonella um das Okay, einen Post dazu auf Instagram zu veröffentlichen. Wenig später hatten er 6.000 Bestellungen im Postfach - aus den USA, Brasilien, sogar aus Vietnam.

Ein riesiges Gemälde mit dem Porträt vom Fußballstar Lionel Messi ist an einem Strand in Mar del Plata in Argentinien zu sehen, wo Kinder Fußball spielen.

Messi wird in Argentinien seit dem WM-Titel verehrt. Früher wurde der Kapitän der Nationalmannschaft durchaus kritisch gesehen.

Einzelfälle im wirtschaftlich schwachen Argentinien

Die Grills von José Guillermo sind nicht die einzigen Produkte, die Schützenhilfe vom Kapitän erhalten haben: Auch die Verkäufe einer Churros-Bäckerei und eines Herstellers von Badelatschen sind, seit Messi sich dafür interessiert hat, durch die Decke gegangen.

Luciano Gianzi ist der Hersteller der hellblau-weißen Messi-Badelatschen. In Argentinien als Unternehmer tätig zu sein, sei sehr riskant, schildert der Unternehmer. Man müsse wagemutig sein und angesichts des wirtschaftlichen Chaos gute Nerven haben. "Wir wurden von Messis Zauberstab berührt, aber Dutzende andere Kollegen kämpfen jeden Tag ums Überleben", schildert Gianzi.

Wir sind glücklich, dass wir heute 70 Arbeitsplätze schaffen konnten, das ist etwas besonders in Argentinien heute, dafür sind wir einfach nur dankbar.
Argentinischer Regierungssitz Casa Rosada in Buenos Aires

Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise.

"Dafür lieben wir ihn"

Auch Grillproduzent José Guillermo konnte seine Mitarbeiterzahl verfünffachen. Derzeit arbeitet er daran, eine Zweigstelle in den USA zu eröffnen - von San Miguel nach Miami sozusagen. 

"Ich weiß nicht, ob Messi bewusst ist, was er erzeugt", sagt er. "Er hat ja ohnehin schon einen Grill. Aber er wollte unser Produkt aus Argentinien haben und hat uns geschrieben, als sei es das normalste auf der Welt. Dafür lieben wir ihn. Auch wenn er eigentlich nicht von dieser Welt ist."

Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, tagesschau, 25.08.2024 00:59 Uhr