Verschollenes Tauchboot Was wir über das "Titan"-Boot wissen - und was nicht
Mit fünf Menschen an Bord ist das Tauchboot "Titan" verschollen. Rettungskräfte suchen mit Sonarbojen und Flugzeugen in der abgelegenen Meeresregion im Atlantik. Was ist bisher bekannt und was nicht?
Worum geht es?
Gesucht wird nach dem Tauchboot "Titan" mit fünf Menschen an Bord, das seit Sonntag vermisst wird. Das Gefährt wird vom Unternehmen OceanGate Expeditions betrieben, das wohlhabenden Abenteuerurlaubern sowie "Titanic"-Forschern gegen einen hohen Preis eine Tauchfahrt zu dem weltberühmten Wrack bietet. Die "Titan" ist nach Unternehmensangaben eines von nur sehr wenigen Booten, die Menschen mehrere Tausend Meter weit in die Tiefe transportieren können.
Wer ist an Bord?
Bestätigt ist, dass der britische Geschäftsmann und Abenteurer Hamish Harding an Bord ist. Bestätigt ist auch, dass der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und sein 19-jähriger Sohn Suleman an Bord sind. Auch der französische "Titanic"-Experte Paul-Henri Nargeolet ist auf dem Boot, wie ein Sprecher der Familie der BBC mitteilte.
OceanGate Expeditions bestätigte, dass der Vorstandschef der Firma, Stockton Rush an Bord ist. Zuvor hatte die US-Küstenwache bekannt gegeben, dass ein "Pilot" und vier Gäste hinabgetaucht seien.
Wie und wo wird gesucht?
Mit mehreren Flugzeugen, Schiffen sowie Sonarbojen suchen die Retter nach dem Boot. Die Bojen sollen Geräusche bis in eine Meerestiefe von 4000 Metern erfassen können. Geleitet wird der Einsatz von der US-Küstenwache in Boston, die sich mit kanadischen Rettungskräften abstimmt. Zunächst sei vor allem die Wasseroberfläche mit Flugzeugen abgesucht worden, seit Dienstag konzentriere man sich nun aber auf die Suche unter Wasser, sagte Kommandant John Mauger.
Die US-Marine schickt ein Gerät zur Bergung des Gefährts. Wie eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa sagte, soll das Tiefsee-Bergungssystem mit dem Kürzel "Fadoss" in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in der kanadischen Stadt St. Johns in Neufundland ankommen. Wann es das Suchgebiet Hunderte Kilometer weiter südlich erreichen könnte, blieb zunächst unklar. Die US Navy beschreibt "Fadoss" als "tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet." "Fadoss" könnte aber erst dann zum Einsatz kommen, wenn das Tauchboot gefunden wurde.
Frankreich entsandte ein Spezialschiff samt Tauchroboter in die Region. Das Forschungsschiff "L’Atalante" des Meeresforschungsinstituts Ifremer werde am Mittwochabend vor Ort eintreffen, sagte Frankreichs Meeresstaatssekretär Hervé Berville. Das Schiff ist mit einem für große Tiefen geeigneten Tauchroboter ausgestattet. Experten zur Bedienung des Roboters seien vom südfranzösischen Toulon aufgebrochen, um vor Ort die Suche nach dem vermissten Tauchboot zu leiten. Auch die kanadische "HMCS Glace Bay", die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord habe, ist auf dem Weg in das Gebiet.
Bisher war es nicht möglich, das Tauchboot ausfindig zu machen. Suchteams hätten aber am Dienstag mit einem Sonar alle 30 Minuten eine Art Klopfgeräusch in der Region registriert, berichtete die US-Küstenwache auf Twitter.
Das Wrack der "Titanic" liegt etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland in einer Tiefe von 3800 Metern.
Was für ein Boot ist die "Titan"?
Die 6,70 Meter lange und 10,4 Tonnen schwere "Titan" bietet Platz für fünf Personen und ist ein sehr einfaches Gefährt. Die Wände sind beheizt, weil das Wasser in großer Tiefe sehr kalt wird. Das gewölbte Fenster an der Vorderseite soll den Blick auf die "Titanic" ermöglichen. Starke Scheinwerfer an der Außenseite durchbrechen die Dunkelheit in großer Tiefe.
Tatsächlich handelt es sich im engen Sinne um ein Tauchboot, nicht um ein U-Boot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt. Vielmehr wird es von seinem großen Begleitschiff "Polar Prince" zu dem Ort gebracht, wo die "Titanic" liegt und taucht dann für einige Stunden ab.
Um dem enormen Wasserdruck in der Tiefe standzuhalten, verfügt das Boot über einen fünf Zoll dicken Rumpf aus Kohlefaser, der mit zwei gewölbten Endkappen aus Titan verstärkt ist. Im Notfall reicht der Sauerstoff auf der "Titan" für 96 Stunden, also in etwa bis Donnerstag. Eine Rettungskapsel gibt es nach Aussagen von Experten und früheren Fahrgästen nicht.
Die "Titan" verfügt im vorderen Bereich über eine Toilette, die sich durch einen Vorhang abtrennen lässt. Nach BBC-Informationen wird dann die Musik lauter gemacht, um eventuelle Geräusche zu übertönen. Das Unternehmen empfehle, die "Ernährung vor und während des Tauchgangs einzuschränken".
Wie sicher ist das Tauchboot?
Vor zwei Jahren ist Arthur Loibl, Mitglied im Deutschen Titanic-Verein, mit der "Titan" mitgefahren. Im Interview mit dem Hessischen Rundfunk berichtet er von technischen Problemen. Ein Tauchgang sei aus technischen Gründen bei 1600 Meter abgebrochen worden. Zudem habe es Probleme beim Laden der Batterie gegeben, was einen Tauchgang verzögert habe. "Batterie und Elektrik waren eigentlich von Anfang an ein Thema", so Loibl.
Einem Artikel der "New York Times" zufolge hatten Führungskräfte der Tauchboot-Industrie schon vor Jahren Sorgen bezüglich der Sicherheit der "Titan" geäußert. "Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von OceanGate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)", schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte.
Was wir nicht wissen
Über die mögliche Unglücksursache können Experten bislang nur spekulieren. Es kursieren mehrere Szenarien, was der Besatzung des Tauchbootes zugestoßen sein könnte.
Eine Befürchtung ist, dass der Rumpf des Bootes beschädigt worden sein könnte und es ein Leck gibt. Das für eine Rettungsmission wohl günstigste Szenario wäre es, wenn die "Titan" sich im Wrack der "Titanic" verfangen hätte. Dann wäre sie am einfachsten zu finden, sagte der Meeresforscher Tim Taylor im Gespräch mit dem US-Sender NBC News.
Zwei weitere Theorien erscheinen angesichts neuester Entwicklungen und je länger das Tauchboot verschollen bleibt immer unwahrscheinlich. Wäre es an Bord der "Titan" zu einem Stromausfall oder einem Ausfall der Kommunikationssysteme gekommen, hätte das Tauchboot an die Meeresoberfläche treiben können. Dort hätte die Besatzung per Radio Kontakt aufnehmen können. Sollte es sich bestätigen, dass die jüngst registrierten "Klopfgeräusche" von der "Titan" stammen, würde auch die Theorie nichtig, das Tauchboot könne zerborsten sein.
Auch in Bezug auf eine Rettungsmission für die "Titan" gehen die Expertenmeinungen teils auseinander. Sie drohe, sehr kompliziert zu werden, wie der Ozeanologe Simon Boxall von der Universität Southampton der britischen Nachrichtenagentur PA sagte. Es gebe nur sehr wenige Boote, die in dieser Tiefe operieren und eine solche Mission ausführen könnten.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London. Gegenüber der BBC betonte auch er, sollte die "Titan" tiefer als 200 Meter gesunken sein, gebe es nur wenige Schiffe, die in eine solche Tiefe vordringen könnten. Meeresforscher Taylor hingegen zeigte sich überzeugt: "Das Boot vom Grund zu heben, ist nicht so schwer oder kompliziert, wie man denken könnte, wenn es noch intakt ist."
Mit Informationen von dpa und AP