Tauchboot wohl implodiert US-Küstenwache hält "Titan"-Insassen für tot
Die am Meeresboden gefundenen Trümmerteile gehören laut US-Küstenwache zur verschollenen "Titan". Für die Insassen des Bootes gab es demnach keine Überlebenschance. Das Weiße Haus kondolierte den Angehörigen.
Die fünf Insassen des verschollenen Tauchboots "Titan" sind offenbar tot. Wie der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, sagte, habe ein Tauchroboter Trümmerteile der "Titan" gefunden. Das Schadensbild passe zu einem Kollaps der Druckkammer des Bootes. Mauger sprach den Familien der Insassen sein Beileid aus und dankte den Rettungskräften, die seit Sonntag nach dem Gefährt gesucht hatten.
Das Weiße Haus kondolierte den Angehörigen. "Unsere Herzen sind bei den Familien und den geliebten Menschen von jenen, die ihr Leben in der "Titan" verloren haben", hieß es in einer Mitteilung vom Donnerstagabend. Die Hinterbliebenen hätten in den vergangenen Tagen eine "grauenvolle Tortur" durchlebt. "Wir werden weiterhin an sie denken und für sie beten", erklärte das Weiße Haus. Es dankte zudem den Hilfskräften und der Küstenwache, die an dem internationalen Sucheinsatz vor der Küste Nordamerikas beteiligt waren.
Mehrere Spezialschiffe mit Sonaren und Tauchrobotern waren in das Suchgebiet 700 Kilometer südlich von Neufundland geeilt. Die "Titan" war auf dem Weg zum Wrack der 1912 gesunkenen "Titanic" in rund 3800 Metern Tiefe. Rund 500 Meter von deren Wrack entfernt seien die Trümmer der "Titan" gefunden worden, sagte Mauger.
Chef der Betreiberfirma unter den Toten
Auch das Unternehmen OceanGate, das das Tauchboot betrieb, kondolierte den Angehörigen der Insassen. Unter ihnen war auch der Vorstandschef von OceanGate, Stockton Rush, außerdem der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding, der pakistanische Geschäftsmann Shahzada Dawood und dessen Sohn Suleman und der französische "Titanic"-Experte Paul-Henry Nargeolet.
Die fünf Männer seien "echte Forschungsreisende" gewesen, mit "speziellem Abenteuergeist und einer tiefen Leidenschaft für die Erforschung und den Schutz der Meere der Welt", hieß es in der Mitteilung der Firma.
Expertin vermutet "schmerzlosen" Tod der Insassen
Von einer möglichen Implosion des Tauchbootes hätten deren Insassen wohl nichts mehr mitbekommen, schätzte die frühere Marineoffizierin Aileen Marty, Professorin für Katastrophenmedizin. Im Gespräch mit dem Sender CNN sagte sie, der Druck auf die "Titan" sei in einem solchen Fall so groß gewesen, dass eine Implosion in nur einem Bruchteil einer Millisekunde geschehen wäre. Das menschliche Gehirn könne so eine Lage so schnell gar nicht erfassen.
Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.
Die Insassen der "Titan" seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden, so Marty: "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos."
US-Navy hat möglicherweise Implosion registriert
Die US-Marine erfasste die mutmaßliche Implosion des Mini-U-Boots einem Bericht zufolge schon am Sonntag mit Geräten zur Überwachung von Unterwassergeräuschen. Das Geräusch sei aufgenommen worden, kurz nachdem der Kontakt zu der "Titan" abgebrochen sei, berichtete die Zeitung "Wall Street Journal" unter Berufung auf einen Vertreter der US-Marine, der anonym bleiben wollte.
Die Aufzeichnung erfolgte demnach durch ein geheimes akustisches Überwachungssystem, mit dem U-Boote aufgespürt werden sollen. Die US-Marine habe eine Analyse akustischer Daten vorgenommen "und eine Unregelmäßigkeit festgestellt, die zu einer Implosion oder Explosion in der Zone passen könnte, in der das Mini-U-Boot 'Titan' sich befand, als die Kommunikation abbrach", sagte der Navy-Vertreter dem "Wall Street Journal". Die Marine habe diese Information umgehend an die Verantwortlichen der Such- und Rettungsaktion weitergeleitet, erfuhr der Sender CNN. Dadurch habe das Suchgebiet eingegrenzt werden können.
Suche nach restlichen Wrackteilen läuft weiter
Am Meeresboden werde die Suche nach den restlichen Wrackteilen fortgesetzt, darüber hinaus werde die Küstenwache ihren Einsatz aber zurückfahren, sagte Mauger. "Wir werden im Laufe der nächsten 24 Stunden damit beginnen, Personal und Schiffe vom Unfallort abzuziehen."
Schon vor der Entdeckung der Wrackteile war die Hoffnung, die Insassen noch lebend finden zu können, immer weiter geschwunden. Der Sauerstoff an Bord der "Titan" wäre im Laufe des Donnerstags aufgebraucht gewesen. Seit Sonntag, als der Kontakt zur "Titan" abgebrochen war, hatten die Retter ein etwa 26.000 Quadratkilometer großes Gebiet durchkämmt - etwas größer als Mecklenburg-Vorpommern.
Wohl kein Zusammenhang mit Klopflauten
Noch unklar ist, wann die "Titan" implodierte - es sei noch "zu früh", um das mit Sicherheit sagen zu können, sagte Mauger. Allerdings hätten Sonarbojen in den vergangenen 72 Stunden kein "katastrophales Ereignis" registriert. Dies könnte ein Hinweis sein, dass das Boot bereits kurz nach dem Kontaktabriss zerstört worden sein könnte.
Die in den vergangenen Tagen mehrfach registrierten Klopflaute standen laut Küstenwache wohl nicht im Zusammenhang mit dem Boot. Ob die Laute menschlichen Ursprungs waren, blieb bisher ungeklärt - sie hatten aber Hoffnungen geschürt, dass die "Titan"-Insassen so auf sich aufmerksam machen wollten.