Vance, Hegseth und Waltz lachen während eines Treffens im Weißen Haus.
Player: videoJournalist liest mit: Chatgruppe des Weißen Hauses um US-Verteidigungsminister Hegseth auf öffentlicher Plattform
interview

Chat-Gruppe zu Jemen-Angriff "Potenzielle Gefährdung von US-Soldaten"

Stand: 25.03.2025 17:23 Uhr

Der Signal-Chat von führenden Mitgliedern der Trump-Regierung war nach Einschätzung des US-Experten Johannes Thimm grob fahrlässig. Der Chat passe aber zu ihrem haarsträubenden Umgang mit sensiblen Daten. Wird das Konsequenzen haben?

tagesschau.de: Führende Mitglieder der US-Administration, Minister und der Vizepräsident tauschen über Signal militärische Angriffspläne für den Nahen Osten aus. Was ist daran ungewöhnlich?

Johannes Thimm: Es ging hier um Angriffe auf die Huthi-Miliz im Jemen mit militärischen Mitteln. Solche Informationen sind normalerweise streng geheim, besonders vor einem Angriff. Nichts soll nach außen dringen. Für diese Geheimhaltung gibt es in der amerikanischen Regierung etablierte Verfahren.

Wenn man sich persönlich über verschiedene Politikoptionen bespricht, macht man das in abhörsicheren Räumen. Dann dürfen die Teilnehmenden nicht einmal ihre eigenen Handys und Endgeräte mit hineinnehmen, um ein Ausspionieren zu verhindern. Es gibt aber auch auf elektronischem Wege offizielle Kanäle, wo man über gesicherte Leitungen auf gesicherten Regierungsgeräten Nachrichten austauschen kann.

Johannes Thimm
Zur Person
Johannes Thimm ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Verhältnis der USA zu internationalen Organisationen und dem Völkerrecht.

Austausch der obersten Regierungsebene

tagesschau.de: Gehört Signal dazu?

Thimm: Signal ist eine allgemein erhältliche Software, die in dieser Hinsicht von der US-Regierung nicht überprüft ist. Sie gehört zwar unter Programmen von privaten Anbietern zu den sichereren. Aber für den Austausch offizieller, insbesondere streng geheimer Informationen ist sie nicht zugelassen. Hier aber haben sich führende Kabinettsmitglieder und der Vizepräsident untereinander ausgetauscht.

Hinzu kommt: Nachdem die Teilnehmer schon gegen die Regelungen über die offiziellen Kanäle des Informationsaustauschs für geheime Informationen verstoßen haben, wurde noch der Chefredakteur des Atlantic, Jeffrey Goldberg, diesem Chat hinzugefügt und konnte den Austausch zwischen diesen Kabinettsmitgliedern live mitverfolgen. Hier wissen wir aber noch nicht, wie es zu diesem Fehler gekommen ist - das konnte auch Goldberg nicht erklären.

tagesschau.de: Um noch bei Signal zu bleiben: Gibt es nicht doch immer wieder Gelegenheiten, wo Minister solche kommerziellen Messenger-Dienste nutzen?

Thimm: Man muss ehrlicherweise sagen, dass es immer mal wieder Situationen gibt, wo die Regelungen wahrscheinlich nicht ganz streng eingehalten werden. Ich weiß von multilateralen Verhandlungen wie zum Beispiel auf UN-Klimakonferenzen, wo Delegationen sich auch über Messenger-Dienste abgestimmt haben, als es um die Einhaltung enger Fristen ging.

Aber das sind in der Regel nicht streng geheime Informationen, die eine unmittelbar bevorstehende Kriegshandlung betreffen. Und das ist bemerkenswert. Es zeigt, dass diese Regierung sich überhaupt nicht an etablierte Verfahren und an Vorschriften hält. Das deckt sich auch mit anderen Erfahrungen, die wir mit dieser Regierung gemacht haben.

"Ihr eigenes WikiLeaks geschaffen"

tagesschau.de: Für diese Verfahren gibt es ja einen Grund - unter anderem den, die Beteiligten zu schützen. In diesem Fall wären das die US-Soldaten, die diese Angriffspläne umsetzen sollten. Wurden die durch diesen Austausch gefährdet?

Thimm: Das war auf jeden Fall eine potenzielle Gefährdung und grob fahrlässig. Das kann Konsequenzen für Menschenleben haben, auch für amerikanische Soldaten, die solche Einsätze ausführen. Die Administration hatte sogar noch Glück, dass die Person, die diesem Chat vermutlich aus Versehen hinzugefügt wurde, ein verantwortungsvoller Journalist ist, der nicht alles, was er mitlesen konnte, veröffentlicht hat. Nach seiner Darstellung hat er zum Beispiel einen Namen eines aktiven Nachrichtendienstmitarbeiters zurückgehalten, der im Chat erwähnt wurde und der allein durch die Veröffentlichung seines Namens schon gefährdet worden wäre.

Jemand, der nicht so verantwortungsvoll ist wie Jeffrey Goldberg, hätte möglicherweise einen Scoop gewittert und den Namen veröffentlicht. Das hätte noch ganz andere Konsequenzen haben können. Genau deshalb sind die Gesetze zum Geheimnisverrat so streng. Mit der Folge, dass Menschen, die sich als Whistleblower sehen, unter dem Espionage Act angeklagt und wegen Geheimnisverrats verurteilt wurden, unter anderem Chelsea Manning und WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Wenn man das als Maßstab nimmt, hat die Trump-Administration jetzt in Bezug auf den Angriff auf die Huthi-Miliz ihr eigenes kleines WikiLeaks geschaffen.

"Zumindest müsste es zu Rücktritten führen"

tagesschau.de: Unter normalen Umständen müsste das auch rechtliche und auch politische Konsequenzen haben?

Thimm: Unter normalen Umständen: ja. Grundsätzlich könnten die Beteiligten wegen Geheimnisverrats unter dem Espionage Act angeklagt werden. Zumindest müsste es politische Konsequenzen haben und zu Rücktritten führen. Aber seit Trump im Amt ist, haben wir es in ganz vielen Bereichen nicht mehr mit normalen Umständen zu tun.

Ich erwarte deshalb nicht, dass diese Veröffentlichung irgendwelche Konsequenzen für die Betroffenen haben wird. Verteidigungsminister Pete Hegseth hat auch gleich auf Angriff gesetzt und Goldberg als unseriös und als Verbreiter von Fake News bezeichnet. Obwohl ein Vertreter des Nationalen Sicherheitsrats die Echtheit des Chats bestätigt hat.

"Teil einer größeren Entwicklung"

tagesschau.de: Was drückt sich in dem Regelbruch aus - Unerfahrenheit, mangelnde Professionalität oder vor allem sehr große Selbstgewissheit und die Überzeugung, dass man sich über das, was bislang galt, rechtlich, politisch und organisatorisch einfach so hinwegsetzen kann?

Thimm: Wir beobachten im gesamten Vorgehen dieser Regierung eine extreme Sorglosigkeit im Umgang mit vertraulichen Informationen und unglaubliche Verstöße gegen etablierte Verfahren. Um die Dimension der doppelten Standards deutlich zu machen: 2016 war es noch ein Riesenskandal, dass Hillary Clinton als Außenministerin für bestimmte Dinge, die Verschlusssache waren, ihre private E-Mail-Adresse genutzt hat. Damals gab es eine FBI-Untersuchung, die mit dazu beigetragen hat, dass sie die Präsidentschaftswahl 2016 verlor. Trump selbst hat damals gefordert, sie dafür einzusperren - und auch Hegseth hat sie damals massiv kritisiert.

In Trumps erster Amtszeit gab es Berichte darüber, dass er in einem persönlichen Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und dem damaligen russischen Botschafter Sergej Kisljak vertrauliche Informationen weitergegeben habe, die auch die Quellen und Methoden der Nachrichtendienste teilweise offenlegten. Wir haben es insofern nicht mit einem neuen Phänomen zu tun, sondern mit einem, das mit Trump zusammenhängt.

Zur Sorglosigkeit gehört auch das Vorgehen von Elon Musk und seinem Team von nicht offiziell ernannten Mitarbeitern, die sich Zugang zu staatlichen Behörden und streng vertraulichen Regierungsservern verschaffen, Daten kopieren und Sicherheitsexperten rausschmeißen. Es gibt von einschlägigen Experten und Bloggern haarsträubende Berichte darüber, wie die gesamte IT-Sicherheit der US-Regierung gerade durch das Vorgehen von DOGE massiv unterminiert wird. Insofern ist das, was wir über die Signal-Gruppe lesen, Teil einer größeren Entwicklung.

Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de