Cornel West
Porträt

US-Präsidentschaftskandidat West Links, grün - und gern gesehen bei Fox

Stand: 30.07.2023 05:08 Uhr

Cornel West dürfte keine Chancen haben, US-Präsident zu werden - er tritt für die Grünen und eine weitere linke Partei an. Aber er könnte Joe Biden wichtige Stimmen wegnehmen, obwohl er für manche wie ein Rechtspopulist klingt.

Ein Hauch eines Blaxploitation-Film aus den 1970er-Jahren hat Cornel West umweht, als er in einer Videobotschaft seine Präsidentschaftskandidatur ankündigte - gleich für zwei Parteien: die kleinere, links-außen People’s Party und die größere, chancenreichere Green Party.

Seine Kandidatur sei eine Art Akt der Verzweiflung, räumt der Afroamerikaner West ein, und betont sein Alter von 70 Jahren. 55 davon habe er sich politisch engagiert, in der Tradition von Martin Luther King.

Cornel West

Früher hat sich Cornel West für den linken Demokraten Bernie Sanders engagiert, wie hier bei einem Auftritt in Durham (US-Bundesstaat New Hampshire). Nun tritt er selbst an.

Ein bisschen Baptistenpredigt, ein bisschen Szenejargon

"Bruder Trump" sei ein neo-faschistischer Gangster und nicht der Beste; "Bruder Biden" sei ein neo-liberaler Heuchler, auch nicht der Beste: Allein diese Sprache, dieser Mix aus Baptistenpredigt und linkem Szenejargon, unterscheidet West von der Konkurrenz. Er ist Philosoph, Intellektueller, Bürgerrechtler und Aktivist.

West lehrte an den Elite-Unis Harvard, Yale und Princeton, war fünfmal verheiratet und scheut keine Provokation. Im Nahost-Konflikt steht er auf der Seite der Palästinenser, die Ukraine würde er als Präsident nicht weiter finanziell unterstützen.

Er würde sich mit Ukrainern und Russen an einen Tisch setzen und den Krieg schnell beenden. Schließlich kenne er den größeren Kontext des Konflikts. Russland sei versprochen worden, dass sich die NATO keinen Zentimeter in seine Richtung ausdehnt, und man müsse sich nur mal umgekehrt vorstellen, Moskau würde Atomraketen in Kanada oder in Mexiko stationieren.

Fox lädt ihn gerne ein

Wegen solcherlei Trump-ähnlicher Positionen ist der 1953 in Tulsa, Oklahoma, Geborene gern gesehener Gast auch in rechten Medien, auch bei Fox News. In der abendlichen Show von Laura Ingraham listet die Gastgeberin genüsslich auf, wie viele Überschneidungen es zwischen Wests Positionen und Rechtspopulisten wie Trump gibt: kein Geld mehr für die Ukraine, keine endlosen Kriege, Kampfansagen an Großkonzerne und die Wall Street.

Der schwarze Bürgerrechtler weist das mit Abscheu zurück. Es sei die Fremdenfeindlichkeit von Politikern wie Trump-Konkurrent DeSantis, die Rechtspopulisten radikal von Linken wie ihm unterscheide.

Auffällig ist, dass sich West zwar links verortet, sich einen nicht-marxistischen Sozialisten nennt, aber nicht als Grüner zu profilieren versucht. Immerhin befürwortet er den grünen Umbau der US-Industriegesellschaft, den "Green New Deal", wie ihn der linke Flügel der Demokraten einmal konzipiert hat.

Ungemütliche Erinnerungen bei den Demokraten

Für die Biden-Partei ist die Vorstellung eines charismatischen Konkurrenten von links, der zwar keinerlei Siegeschancen hat, aber in ihrem Lager auf Stimmenfang geht, ein Horror. 2016 hatte Hillary Clinton die liberalen Staaten Michigan, Wisconsin und Pennsylvania an Trump verloren, weil hier die Grüne Jill Stein gut abschnitt.

Vor allem aber wirkt die 2000er-Wahl nach, als der Verbraucheranwalt Ralph Nader für die Green Party antrat. Damals verlor der Demokrat Al Gore äußerst knapp, auch, weil ihm Naders Stimmen fehlten.

Nader allerdings wehrt sich gegen diese Interpretation. Er sei hier der Sündenbock, klagt er. In Wahrheit hätten die Demokraten es nie überwinden können, gegen George W. Bush verloren zu haben, den stümperhaften Gouverneur von Texas. Jeder habe das Recht, sich für die Präsidentschaft zu bewerben, alle nähmen sich gegenseitig Stimmen weg, alle seien Spielverderber.

Hier reiht West sich ein. Auch er lehnt es ab, Stimmenfänger für das kleinere Übel zu spielen.

Der Öko-Anteil: gering

Mit Öko-Themen hält er sich zurück, weil er die Stimmung im Land kennt. Einer aktuellen Erhebung des Pew Research Centers zufolge sagen nur 37 Prozent aller Amerikaner, Klimaschutz solle oberste Priorität sein.

Auf der Liste der 21 wichtigsten politischen Anliegen liegt der Kampf gegen den Klimawandel auf Platz 17. Gerade einmal die Hälfte der Befragten, 54 Prozent, bezeichnet den Klimawandel als gravierende Bedrohung: In Deutschland sind es laut Pew Research Center 73 Prozent und in Frankreich sogar 81 Prozent.

Er sei ein Jazz-Mann in der amerikanischen Politik, begründet West seine Haltung zum Klimawandel. Beim Jazz gehe es auch um Blues, und beim Blues wiederum gehe es darum, mit Katastrophen leben zu lernen - so gelassen sieht West das.

Manchmal zu derbe für das Fernsehen

Seine schrillen öffentlichen Auftritte haben ihn bekannt gemacht: West hatte kleine Rollen in zwei der Matrix-Filme und hat mehrere Hip-Hop-Alben eingespielt. Wenn er in entsprechender Laune ist, wirft er mit "four-letter-words" nur so um sich, und seine Fernsehauftritte können deshalb auch mal wie eine Aneinanderreihung von Pieptönen klingen.

Medienpräsenz dürfte West weiter garantiert sein. Eine deutliche Mehrheit der Amerikaner meint, weder Biden noch Trump sollten noch einmal antreten.

Der grüne Außenseiter verleiht dem recycelten Wahlkampf eine gewisse Würze. In welchem Ausmaß sich das auch in Stimmen niederschlägt, bleibt abzuwarten.

Sebastian Hesse, ARD Washington, tagesschau, 24.07.2023 13:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Juli 2023 um 13:50 Uhr.