Sturm auf das Kapitol Was bedeutet die Anklage für Trump?
Ex-US-Präsident Trump muss sich wegen versuchter Wahlbeeinflussung vor Gericht verantworten. Bei einer Verurteilung droht ihm eine langjährige Gefängnisstrafe. Er selbst streitet alle Vorwürfe ab und spricht von einer Kampagne der Regierung. Was bislang über die Anklage bekannt ist.
Was wird Donald Trump vorgeworfen?
Der frühere US-Präsident muss sich wegen Versuchen der Wahlbeeinflussung und der Attacke seiner Anhänger auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 vor Gericht verantworten. Die 45-seitige Anklageschrift gegen Trump umfasst vier Punkte: Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zum Betrug an den USA sowie Verschwörung, um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu hindern.
Der Vorwurf bezieht sich auf die Kongresssitzung am 6. Januar 2021, in der die Stimmen der Wahlleute ausgezählt werden sollten, um Joe Biden als offiziellen Wahlsieger zu bestätigen. Dieser Vorwurf wurde gegen Hunderte der mehr als 1000 Menschen erhoben, die im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vom 6. Januar angeklagt waren, darunter Mitglieder der rechtsextremen Gruppen Oath Keepers und Proud Boys. Mehr als 100 Menschen wurden bereits verurteilt oder haben sich vor Gericht schuldig bekannt.
Laut Anklage gab es ein Komplott und wochenlange Bemühungen, Druck auf Abgeordnete sowie andere, die offiziell mit der Organisation der Wahl zu tun hatten, auszuüben. Man habe gefälschte Listen mit Pro-Trump-Wahlleuten erstellen wollen, die an den Kongress geschickt werden sollten, heißt es.
Der Anklageschrift zufolge versuchten Trump und seine Verbündeten auch, das Justizministerium zu benutzen. Es habe Scheinermittlungen wegen Wahlbetrugs aufnehmen sollen, um Trumps Plan mit den falschen Wahlleuten zu unterstützen.
Was droht Trump bei einer Verurteilung?
Sollte der frühere US-Präsident in mindestens einem der vier Anklagepunkte schuldig gesprochen werden, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Auf Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens und Behinderung eines offiziellen Verfahrens stehen jeweils bis zu 20 Jahre Haft.
Der Straftatbestand Verschwörung, um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu hindern, wird mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft - Verschwörung zum Betrug an den USA mit bis zu fünf Jahren.
Wie reagiert Trump auf die Vorwürfe?
Trump streitet alle Vorwürfe ab und wertet jedes juristische Vorgehen gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn von einem Wiedereinzug ins Weiße Haus abzuhalten. Trumps Wahlkampfteam wetterte, die neue Anklage sei ein weiterer Versuch der Regierung von Präsident Biden, in die Präsidentenwahl 2024 einzugreifen. Dies erinnere an das Vorgehen in Nazi-Deutschland und in anderen autoritären Regimen. Trump habe stets das Gesetz befolgt.
Trump deutete zudem an, dass seine Verteidigung zumindest teilweise auf der Argumentation beruhen könnte, er habe wirklich geglaubt, die Wahl 2020 sei "gestohlen" worden. In einem Social-Media-Post schrieb er kürzlich: "Ich habe das Recht, gegen eine Wahl zu protestieren, von der ich fest überzeugt bin, dass sie gefälscht und gestohlen wurde, so wie es die Demokraten 2016 gegen mich getan haben und wie es viele andere im Laufe der Zeit getan haben."
Die Staatsanwälte haben aber eine beträchtliche Menge an Beweisen zusammengetragen, die zeigen, dass Trump immer wieder mitgeteilt wurde, dass er verloren hat. Trump "wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass seine Behauptungen unwahr sind - oft von den Menschen, auf die er sich in wichtigen Angelegenheiten verlassen hat und die die Fakten am besten kennen", heißt es in der Anklageschrift. Trump habe "die Wahrheit absichtlich ignoriert".
Was bedeutet die Anklage für Trumps Kandidatur?
Trump will bei der Präsidentenwahl 2024 erneut für die Republikaner kandidieren. Daran wird auch die Anklage vermutlich nichts ändern. Bereits vor der ersten Anklage auf Bundesebene gegen ihn hatte er erklärt, dass er deshalb seine Kandidatur nicht zurückziehen werde. Und selbst bei einer Verurteilung dürfte er laut US-Medienberichten zumindest theoretisch immer noch für das Präsidentenamt kandidieren.
Auch seiner Beliebtheit dürfte die erneute Anklage nicht schaden. Die "New York Times" veröffentlichte erst vor wenigen Tagen eine Umfrage, wonach Trump 54 Prozent der republikanischen Wähler hinter sich hat - mehr als alle anderen Präsidentschaftsbewerber seiner Partei zusammen. Selbst Floridas Gouverneur Ron DeSantis, Trumps größter parteiinterner Konkurrent, liegt abgeschlagen hinter ihm.
Wie fallen die Reaktionen auf die Anklage aus?
In den politisch tief gespaltenen USA rief die Anklage Trumps ganz unterschiedliche Kommentare hervor - seine Verbündeten verteidigten ihn dabei wie gewohnt kompromisslos. Ex-Vizepräsident Mike Pence, der sich ebenfalls für die republikanische Kandidatur bewirbt, teilte dagegen scharf gegen seinen ehemaligen Chef aus: "Die heutige Anklage ist eine wichtige Erinnerung: Wer sich über die Verfassung stellt, sollte niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein."
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, und der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, bezeichneten den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 als einen der traurigsten Tage in der amerikanischen Geschichte, inszeniert von Donald Trump und durch eine Lüge von ihm angeheizt.
Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, verwies auf Ermittlungen zu den geschäftlichen Beziehungen von Hunter Biden, dem Sohn von US-Präsident Biden. "Jeder in Amerika konnte sehen, was als Nächstes kommen würde: Der Versuch des Justizministeriums, von den Nachrichten abzulenken und den Spitzenkandidaten für die Nominierung der Republikaner, Präsident Trump, anzugreifen", schrieb McCarthy bei X (früher Twitter).
Ein Anwalt von Trump bezeichnete die neue Anklage gegen seinen Mandanten als eine "Attacke auf die Redefreiheit". Er sehe in dem Vorgang auch "politische Fürsprache", sagte der Jurist John Lauro dem Nachrichtensender CNN. Es gehe nicht nur darum, seinen Mandanten strafrechtlich zu belangen, sondern dessen freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.
Was für Verfahren laufen noch gegen Trump?
In den vergangenen Monaten war Trump bereits in zwei anderen Fällen angeklagt worden: zunächst im Frühling in New York im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York. Damit war der Republikaner der erste Ex-Präsident in der US-Geschichte, gegen den wegen einer Straftat Anklage erhoben wurde. Im Juni folgte eine weitere Anklage in Miami, weil Trump Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Trump plädierte in beiden Fällen auf "nicht schuldig".
Außerdem könnte ihm womöglich eine weitere Anklage bevorstehen: Im Bundesstaat Georgia ermittelte die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahre lang ebenfalls wegen Trumps Rolle nach der Wahl 2020. Eine Entscheidung über eine etwaige Anklage steht dort noch aus.