Vereinte Nationen im Jahr 2024 Enorme Möglichkeiten, frustrierende Machtlosigkeit
Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg, immer mehr Konfliktherde nicht nur im Nahen Osten: 2024 war kein gutes Jahr für die Vereinten Nationen. Doch es gab auch Lichtblicke, zumindest aus deutscher Sicht.
Der 27. September war der Tag der größten Hoffnung bei den Vereinten Nationen und zugleich wohl auch der Tag der größten Enttäuschung. Ein Tag, der in wenigen Stunden die enormen Möglichkeiten, aber auch die frustrierende Machtlosigkeit der Weltgemeinschaft deutlich machte.
Am Rande der UN-Generalversammlung hatten Diplomaten aus mehreren Staaten alles versucht, eine dreiwöchige Waffenpause im Gaza-Krieg zu erreichen und eine drohende Eskalation im Libanon zu verhindern.
Die Krisendiplomatie in New York stand kurz vor einem erfolgreichen Abschluss. Bis Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer kämpferischen Rede vor der UN-Generalversammlung klar machte: "Wir werden kämpfen, bis wir den Sieg erreicht haben, den totalen Sieg."
Es war Netanjahus Antwort auf die ebenso unversöhnliche Rede von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. Er hatte Israel zuvor gleich drei Mal zugerufen: "Wir werden nicht verschwinden!"
Nicht weniger, sondern mehr Kriege
Für die deutsche Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Antje Leendertse, war es die größte Enttäuschung im Jahr 2024: dass nicht nur alle Bemühungen um einen Waffenstillstand in Gaza scheiterten, sondern im Gegenteil, der Krieg auch im Libanon und in anderen Regionen im Nahen Osten eskalierte.
Allerdings sieht die Botschafterin die Schuld nicht bei den UN: "Die Vereinten Nationen können immer nur so stark sein, wie die Mitgliedsländer das zulassen."
Blockaden und Vetos
In einer Welt, die in mehrere große Machtblöcke auseinanderdriftet und die zunehmend von Nationalismus und Populismus bestimmt ist, haben es die Vereinten Nationen schwer. Der Weltsicherheitsrat, das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen, erinnerte oft an die Zeiten des Kalten Krieges.
Wenn es um den Krieg gegen die Ukraine ging, blockierte Russland konkrete Beschlüsse der Weltgemeinschaft durch sein Veto. Wenn es um Israel-kritische Resolutionen ging, legten meist die USA ihr Veto ein.
Bei Abstimmungen in der Generalversammlung wurde deutlich, wie isoliert Israel unter den 193 UN-Mitgliedsstaaten ist. Erschreckend viele arabische Staaten und Länder aus dem Globalen Süden bringen eine klare Verurteilung des Hamas-Terrors vom 7. Oktober nicht über ihre Lippen. Stattdessen kritisieren sie Israel als Kolonialmacht.
Deutschlands Verhältnis zu Israel
Deutschlands Position war fast immer an der Seite Israels, sagt UN-Botschafterin Leendertse. Nicht aber als es um das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen UNRWA ging.
Das von Israel verhängte Arbeitsverbot für UNRWA kritisierte Deutschland. Die Arbeit des Palästinenserhilfswerks hält Botschafterin Leendertse für "sehr wichtig, zentrale Rolle, jedenfalls nicht unmittelbar und kurzfristig ersetzbar. Das ist nicht möglich. Und wir glauben auch, dass UNRWA diese Unterstützung verdient".
Entschlossenheit beim Umgang mit Syrien
Immerhin: Am Ende des Jahres gibt es Hoffnung bei den Vereinten Nationen. Nach dem Sturz des Assad-Regimes herrschte im Weltsicherheitsrat seltene Einmütigkeit.
Die 15 Mitgliedsstaaten befürworten einen Neuanfang in Syrien, an dem alle politischen und ethnischen Gruppen des Landes beteiligt sind. Ziel sind eine neue Verfassung und freie Wahlen unter Aufsicht der UN. Die Weltgemeinschaft scheint entschlossen, ein Desaster wie in Libyen zu vermeiden.
Lichtblick 2024
Für die deutsche UN-Botschafterin gab es 2024 einen Lichtblick: der Abschluss des so genannten Zukunftspakts im September.
Dass der gelungen ist, obwohl wir auf den letzten Metern noch wirklich Schwierigkeiten hatten, den Konsens herzustellen. Und dass der Multilateralismus lebt, das war wirklich sehr schön und auch ein Erfolg für uns.
Der Zukunftspakt fasst auf 30 Seiten in fünf Kapiteln die wesentlichen Ziele und Grundüberzeugungen der Vereinten Nationen zusammen, macht aber auch wichtige Reformvorschläge.
Eine Art Kompass für die Zukunft, auf den sich die Weltgemeinschaft einigen konnte: vom Kampf gegen Hunger und Armut, über Friedenssicherung, die Reform der internationalen Finanzarchitektur bis hin zu Klimaschutz und Künstlicher Intelligenz. Für die Federführer dieser schwierigen Aufgabe, Deutschland und Namibia, gab es nach erfolgreicher Abstimmung viel Lob.
2025 noch schwieriger?
2025 könnte für die Vereinten Nationen ein noch schwierigeres Jahr werden. Ins Weiße Haus zieht Donald Trump ein, der die Vereinten Nationen für einen "Club von Schwätzern" hält.
Deutschland will dagegen 80 Jahre nach Gründung der UN sein Engagement für die Weltgemeinschaft weiter verstärken. So soll die deutsche Diplomatin Helga Schmid nächste Präsidentin der UN-Generalversammlung werden, hofft die deutsche UN-Botschafterin Leendertse:
"Sie wird dann tätig sein, wenn die neue, die 80. Generalversammlung im September 2025 zusammentritt, wenn sie gewählt wird. Und wir hoffen, dass wir damit ein besonderes Zeichen setzen können 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg." Außerdem kandidiert Deutschland wieder für einen nicht-ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat für die Jahre 2027 und 2028.