Menschenrechtsverletzungen UN erheben schwere Vorwürfe gegen Taliban
In einem Bericht prangern die UN massive Menschenrechtsverstöße durch die Taliban in Afghanistan an. Sie töteten demnach mehr als 100 ehemalige Regierungsmitglieder und -helfer. Die militanten Islamisten bestreiten das.
Seit ihrer Machtübernahme in Afghanistan vor fünf Monaten haben die radikalislamischen Taliban einem UN-Bericht zufolge offenbar mehr als hundert ehemalige Regierungsmitarbeiter und Ortskräfte internationaler Stellen getötet.
Ungeachtet der von den Taliban verkündeten Generalamnestie gebe es "glaubwürdige Anschuldigungen über Tötungen" sowie darüber, dass Menschen gewaltsam verschwinden. So heißt es in einem Schreiben von UN-Generalsekretär Antonio Guterres an den Sicherheitsrat.
Taliban weisen Anschuldigungen zurück
In mehr als zwei Drittel der Fälle sollen die Taliban oder ihre Verbündeten verantwortlich für die Tötungen sein. Es gebe außerdem glaubwürdige Berichte, denen zufolge mindestens 50 mutmaßliche Mitglieder der Extremistengruppe des sogenannten "Islamischen Staates" ohne Verfahren hingerichtet worden seien.
Die Taliban wiesen die Anschuldigungen zurück. "Das Islamische Emirat hat seit Verkündung der Amnestie niemanden getötet", erklärte das Innenministerium auf Twitter. Bei den gemeldeten Tötungen handele es sich um Folgen "persönlicher Feindschaften". Die Fälle würden untersucht.
Guterres schlägt neuen Überwachungsmechanismus vor
Der UN-Bericht prangert auch weitere massive Menschenrechtsverletzungen durch die Machthaber in Afghanistan an. So seien Menschenrechtsaktivisten und Journalisten "weiterhin Angriffen, Einschüchterungen, Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Tötungen ausgesetzt".
Friedliche Proteste würden von den Taliban verhindert, der Zugang zu Arbeit und Bildung für Frauen und Mädchen sei seit der Machtübernahme der Taliban massiv beschnitten. Guterres beklagt in seinem Schreiben: Ein komplettes soziales und ökonomisches System werde stillgelegt. Der UN-Chef schlägt dem Sicherheitsrat unter anderem vor, eine neue Stelle zur Überwachung der Menschenrechtslage einzurichten.
Humanitäre Lage verschärft sich zusehends
Die Taliban-Regierung wird derzeit von keinem Land der Welt anerkannt. Seit ihrer Rückkehr an die Macht geben sich die radikalislamischen Taliban nach außen zwar moderater als während ihrer brutalen ersten Herrschaft von 1996 bis 2001. International bestehen aber erhebliche Zweifel an der Zusage der Taliban, die Menschenrechte zu schützen. Unter anderem ehemalige Ortskräfte der US-Armee, Bundeswehr und anderer internationaler Truppen oder unabhängiger Organisationen fürchten seit der Machtübernahme der Taliban um ihre Sicherheit.
Zu der prekären Sicherheitslage in Afghanistan kommt eine schwere humanitäre Krise, die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans ist nach UN-Angaben von Ernährungsunsicherheit bedroht. Grund dafür sind gravierende Ernteausfälle als Folge einer langen Dürre. Hinzu kommt die grassierende Armut seit der Machtübernahme der Taliban. Die meisten bei der öffentlichen Verwaltung angestellten Afghanen wurden seit Monaten nicht mehr bezahlt.
Afghanistan ist seit langem von internationalen Hilfen abhängig. Nach der Machtübernahme der Taliban froren internationale Geber ihre Hilfen an die Behörden in Kabul jedoch ein. Im Dezember stimmte der UN-Sicherheitsrat dann einstimmig dafür, humanitäre Hilfen für Afghanistan trotz der gegen die Taliban geltenden Sanktionen zuzulassen. Menschenrechts- und Hilfsorganisationen fordern jedoch eine Freigabe weiterer Mittel durch den Westen.