Internationale Reaktionen Freude über Geiselbefreiung - aber auch Kritik
Nicht nur in Israel, auch international ist die Befreiung von vier weiteren Geiseln aus dem Gazastreifen begrüßt worden. Doch es gibt auch scharfe Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs. Laut Hamas soll es viele Tote gegeben haben.
Die Befreiung von vier weiteren Menschen aus den Händen der Hamas hat nicht nur in Israel, sondern auch weltweit Freude und Hoffnung ausgelöst. Der EU-Chefdiplomat Josep Borrell erklärte: "Wir teilen die Erleichterung der Familien und fordern die Freilassung aller verbleibenden Geiseln." Allerdings äußerte er auch scharfe Kritik an der israelischen Militäraktion mit mutmaßlich vielen Toten. "Das Blutbad muss sofort beendet werden", forderte er auf der Plattform X. "Die Berichte aus Gaza über ein weiteres Massaker an Zivilisten sind entsetzlich."
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte ihre Hoffnung auf ein Ende des Gaza-Krieges: Die Befreiung wecke Hoffnung darauf, "dass das Leid endlich ein Ende nimmt. Und darauf, dass auch die anderen Geiseln freikommen und von ihren Liebsten in die Arme geschlossen werden", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es sei nun an der Hamas, dem Vorschlag für ein Abkommen über eine Feuerpause zuzustimmen. Das Abkommen liege auf dem Tisch und könne "der Einstieg in das Ende des Kriegs sein".
"Zeichen der Hoffnung"
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor die Befreiung als "wichtiges Zeichen der Hoffnung" bezeichnet. Die Hamas müsse endlich alle Geiseln freilassen, und der Krieg müsse enden. Auch US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatten ihre Freude über die Befreiung der Geiseln bekundet.
Die Türkei wiederum verurteilte den Einsatz als "barbarischen Angriff". Sie warf Israel Kriegsverbrechen vor. "Mit diesem jüngsten barbarischen Angriff hat Israel der Liste der Kriegsverbrechen ein weiteres hinzugefügt", erklärte das Außenministerium in Ankara, ohne die Geiselbefreiung zu erwähnen.
Geiseln offenbar wohlauf
Die israelische Armee hatte am Samstag vier Menschen lebend aus der Gewalt der Hamas befreit. Laut Armeesprecher Daniel Hagari waren die drei Männer und eine Frau in zwei Wohngebäuden in der Flüchtlingssiedlung Nuseirat gefangengehalten worden. Die Geiseln sollen in einem guten Gesundheitszustand sein, wurden aber dennoch zunächst in ein Krankenhaus gebracht.
Die befreite Noa Argamani wird im Krankenhaus von ihrem Vater begleitet.
Die im Gazastreifen herrschende Hamas erklärte, bei israelischen Angriffen im Flüchtlingsviertel Nuseirat seien am Samstag mehr als 270 Menschen getötet und mehr als 700 weitere verletzt worden. Die Angaben der Terrororganisation können nicht unabhängig überprüft werden. Mediziner im Gazastreifen meldeten mindestens 50 Tote und 24 Verletzte.
Nuseirat liegt im mittleren Teil des Gazastreifens. Dort hatte es in den letzten Tagen immer wieder Luftangriffe gegeben, aber auch Kämpfe mit Bodentruppen. Die Kämpfe waren zuletzt heftiger geworden.
Erneut Kritik an Premier Netanyahu
Unterdessen wurde Kritik an Israels Premier Benjamin Netanyahu laut, weil dieser sich mit den befreiten Geiseln, nicht aber mit den Opferfamilien getroffen hat: "Wenn man Premier ist, dann ist man Premier der Erfolge und der Niederlagen", sagte Oppositionsführer Jair Lapid dem israelischen Kan-Sender. "Nur dann Regierungschef zu sein, wenn alles klappt, und zu verschwinden, wenn alles nicht so läuft, wie man will, das ist erbärmlich."
Der Vater eines am 7. Oktober getöteten Soldaten schrieb bei X: "Ein Ministerpräsident mit moralischen Werten hätte angerufen, um (uns) zu trösten und zu stärken. Und um sich zu entschuldigen für das, was unter seiner Verantwortung passiert ist." Sein Urteil zu Netanyahu: "Ich verachte ihn, ein schäbiger Mensch."
Noch Dutzende Geiseln in den Händen der Hamas
Insgesamt haben die israelischen Streitkräfte damit seit dem Beginn des Gaza-Kriegs bisher sieben von etwa 250 verschleppten Geiseln befreien können. Mehr als 100 waren Ende November und Anfang Dezember im Rahmen eines Geisel-Deals freigekommen. Drei Geiseln waren von israelischen Soldaten erschossen worden.
Nach Armeeangaben sollen noch 120 Geiseln in der Hand der Hamas und anderer Terrororganisationen im Gazastreifen sein. Mehr als 40 von ihnen sollen aber nicht mehr am Leben sein, die Zahl der Toten könnte noch höher liegen.