Israel befreit zwei Geiseln "Viele Tränen sind geflossen"
Nach Luftangriffen auf den Süden des Gazastreifens ist es Israels Armee gelungen, zwei israelische Geiseln zu befreien. Bei dem Einsatz wurden zahlreiche Menschen getötet.
Der Einsatz begann mitten in der Nacht - mit heftigem Beschuss und Luftangriffen mitten in Rafah, ganz im Süden des Gazastreifens. Dann drangen israelische Spezialkräfte in ein Haus ein und befreiten zwei Geiseln, die dort festgehalten wurden. Inzwischen sind beide Männer, einer ist 61, der andere 70 Jahre alt, in Freiheit.
Idan Bejarno ist der Schwiegersohn einer der Männer. Er beschreibt im israelischen Radio seine Erleichterung: "Um 3.20 Uhr klingelte das Telefon, was uns besorgte. Normalerweise sind Telefonanrufe um diese Uhrzeit kein gutes Zeichen. Meine Frau ging ran und auf der anderen Seite war der Vertreter der Geisel-Familien. Er sagte nur einen Satz: Louis ist in unseren Händen, Fernando ist in unseren Händen. Kommt ins Tel Hashomer Krankenhaus!"
In der Nähe von Tel Aviv kümmern sich jetzt die Ärzte um die beiden. Ein Foto wurde veröffentlicht, das sie zeigt: "Sie sind dünn, blass, erschöpft, aber mit einem Lächeln, das viel sagt", berichtet Bejarno.
129 Tage Geiselhaft hinter sich
Die beiden Männer waren nach dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober aus dem Kibbuz Nir Yitzhak verschleppt worden. Sie waren zuletzt in einer Wohnung im zweiten Stock eines Hauses in Rafah festgehalten worden. Sie haben 129 Tage Geiselhaft hinter sich.
"Es war ein sehr emotionales und bewegendes Wiedersehen mit einer echten Umarmung, die fest und lang war", erzählt Bejarno. "Viele Tränen sind im Zimmer geflossen. Louis und Fernando brauchen jetzt ihre Zeit und ihre Ruhe - und müssen erst einmal realisieren, wo sie sich befinden."
Erstmals zivile Geiseln befreit
Damit ist der israelischen Armee in diesem Krieg zum ersten Mal eine Befreiung ziviler Geiseln gelungen. In den ersten Tagen der Bodenoffensive im Gazastreifen konnte eine Soldatin befreit werden. Darüber hinaus waren 105 Geiseln während einer Feuerpause und eines Deal mit der Hamas freigekommen.
Zuletzt hatte es jedoch immer mehr Berichte von Geiseln gegeben, die offenbar durch die Kampfhandlungen im Gazastreifen ums Leben gekommen sind. Israelische Soldaten hatten zudem drei Geiseln erschossen, die mit erhobenen Armen, nacktem Oberkörper und einer weißen Fahne aus einem Gebäude gekommen waren.
Mehr als eine Million Schutzsuchende in Rafah
Die Haltung der politischen und militärischen Führung in Israel ist aber weiterhin, dass nur großer Druck auf die Hamas und andere Terrororganisationen zu einer Freilassung von Geiseln führt. Daniel Hagari, der Armeesprecher, sieht das jetzt bestätigt: "Das war eine komplexe Rettungsaktion unter Beschuss im Herzen von Rafah, auf Basis sehr genauer Aufklärung. Wir haben die Operation einige Zeit vorbereitet und haben auf Bedingungen gewartet, die sie ermöglicht haben."
Bei dem Einsatz kam es zu zahlreichen Toten und Verletzten in Rafah - die Zahlen schwanken zwischen 48 und bis zu 100 Toten. Das Vorrücken der israelischen Streitkräfte dort wird als sehr problematisch angesehen. Mehr als eine Million Menschen haben in Rafah Schutz vor den Kampfhandlungen gesucht. Unter anderem die USA haben Israel aufgefordert, auf die Zivilbevölkerung Rücksicht zu nehmen und sie in Sicherheit zu bringen.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee
UN: "Kollektive Bestrafung" der Palästinenser
Israels Regierung hat das zugesagt und dafür offenbar ein weitgehend unbebautes Gebiet im Südwesten des Gazastreifens vorgesehen. Es ist aber völlig unklar, wie die Menschen dort versorgt werden sollen.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sprach im Zusammenhang mit den immer stärker werdenden Angriffen in Rafah von einer "kollektiven Bestrafung" der Palästinenser, die das humanitäre Völkerrecht verletze. Angehörige der Geiseln fordern Israels Regierung auf, alle Wege zu nutzen, um weitere Geiseln freizubekommen.