Entwurf eines Teils einer "Stadt der Achtsamkeit" in Gelephu (Bhutan).

Traumort im Himalaya Bhutan will Stadt der Achtsamkeit bauen

Stand: 12.11.2024 02:31 Uhr

Im Süden des Bhutan soll in den nächsten Jahren eine Stadt der Achtsamkeit entstehen. Ein wichtiges Ziel dabei: Das Land will die Flucht gut qualifizierter, aber arbeitsloser junger Menschen ins Ausland stoppen.

Es ist ein Traum, das wird schon im Werbevideo klar. Mit ziemlich blumigen Worten beschreibt der Architekt seine Vision:

Vom Himalaya bis in die tropischen Ebenen prägt ein ununterbrochener Fluss von Wasserpflanzen und -tieren die Stadt der Achtsamkeit. Kaskadenförmige Terrassenfelder werden zu lebendigen Wohnvierteln, die entlang natürlich verbundener Grüngebiete verlaufen, bewohnbare Brücken überspannen Biodiversitätskorridore und verbinden Gemeinschaften sowohl physisch als auch spirituell, mit Zentren, die ein Gleichgewicht schaffen, das sowohl respektvoll als auch kreativ ist.

Der dänische Star-Architekt Bjarke Ingels soll diese Stadt der Achtsamkeit entwerfen, die Gelephu Mindfulness City, wie das Projekt heißt.

Eine Stadt der Superlative

Gelephu ist bislang ein Nest im Süden Bhutans an der Grenze zu Indien. Geplant ist nun eine Stadt der Superlative, aber auch eine Stadt die eben super achtsam ist, super nachhaltig und ihre Bewohnerinnen und Bewohner super glücklich macht - ganz im Sinne des Bruttonationalglücks, für das das Königreich bekannt ist.

Die Fragen, die Bhutans Premierminister in einer Rede in Indien jüngst aufwarf, sie waren natürlich nur rhetorisch: "Würde Ihre Stadt übernommen von den Kräften des Marktes und von ihnen angetrieben? Oder würden Sie eine Stadt entwerfen, die darauf abzielt, das Wohlbefinden und das Glück ihrer Bewohner zu steigern?"

2.500 Quadratkilometer groß soll die Stadt am Ende sein, fast dreimal so groß wie Berlin. Eine Sonderwirtschaftszone mit internationalem Flughafen, Bahnlinie nach Indien und Platz für Unternehmen aus den verschiedensten Branchen: Finanzen, Tourismus, Gesundheit, Technologie - und auch ein spirituelles Zentrum des Buddhismus. Und das alles im Einklang mit der Natur und mit grüner Energie betrieben, mit Wasserkraft.

"Eine Stadt, die von Flüssen angetrieben wird und die eine Art Drehscheibe für nachhaltige Innovation darstellt. Eine Stadt mit einer menschengerechten Umgebung, die für Zusammenarbeit, Gemeinschaft und Zusammensein konzipiert ist", erklärt Architekt Bjarke Ingels.

 

Sorge vor Wegzug der Bevölkerung

Ob sie denn schon von Gelephu gehört hätten, fragte Bhutans König sein Volk am Nationalfeiertag letzten Dezember. Ja, ist die Antwort. Denn dass es das Projekt geben könnte, war schon vergangenes Jahr zu hören. Es sei eine Zeit des Erwachens für Südasien, des Wachstums und großer Chancen, sagt Jigme Khesar Namgyel Wangchuck. Der 44-Jährige trägt den Titel Fünfter Drachenkönig, und er gilt in seinem Volk als jemand, der die Sorgen der Menschen ernst nimmt.

"Manche werden fragen, welchen Nutzen das Projekt für uns persönlich, unsere Familien und unsere Kinder hat. Die Errichtung der Stadt der Achtsamkeit wird große Investitionen erfordern in die öffentliche Infrastruktur wie Straßen, Brücken und Flughäfen", erklärte er den Zuhörenden.

Die Arbeitslosigkeit im Land ist hoch, es gibt wenig attraktive Jobs. Und deshalb gehen viele junge Bhutanerinnen und Bhutaner ins Ausland, nach Australien vor allem, und nicht wenige von ihnen bleiben auch dort. Die Stadt der Achtsamkeit sei auch ein Projekt, das junge Menschen im Land halten soll, und die zur Rückkehr bewegen soll, die bereits weg sind, sagt der König.

"Unsere Herausforderung besteht darin, dass unser Land kaum 700.000 Einwohner hat. Wenn wir nicht die richtigen Lösungen finden, könnte unsere Bevölkerung so weit schrumpfen, dass wir mehr Geschäfte als Kunden, mehr Restaurants als Gäste und mehr Häuser als Mieter haben. Geleitet von unseren gemeinsamen Bestrebungen und Sorgen eröffnet sich uns ein klarer Weg. Unser unmittelbares Ziel ist, dass Bhutan ein entwickeltes Land wird."

Finanzierung aus dem Ausland

Nun aber muss erst einmal Geld dafür gesammelt werden - bei ausländischen Investoren, aber auch bei Bhutanern im Ausland. Insgesamt 100 Millionen Dollar sollen zusammen kommen von denen, die ihr Glück und ihren Wohlstand in der Fremde gefunden haben.

In den ersten sieben bis zehn Jahren sollen sich 150.000 Menschen in Gelephu niederlassen, in gut 20 Jahren könnte es eine Million sein. Bemerkenswert ist, dass es bislang offenbar keine große Kritik an der Stadt der Achtsamkeit gibt, höchstens Skepsis, ob das kleine Land wirklich genug Investoren anziehen kann. Sehr abenteuerlich sei das Ganze, heißt es, sehr ehrgeizig - aber im Grunde sehr positiv.

Karte von Bhutan mit der Hauptstadt Thimphu und Gelephu.

Peter Hornung, ARD Neu-Delhi, tagesschau, 12.11.2024 00:01 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. November 2024 um 05:44 Uhr.