Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Februar 2022
Weltspiegel

Chinas "Friedensinitiative" Vorstoß für das eigene System

Stand: 26.02.2023 09:14 Uhr

China hat mit einer "Friedensinitiative" zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Aufsehen erregt. Ist das Land bereit, den Druck auf den Kreml zu erhöhen? Vieles spricht dafür, dass das Papier vor allem eigenen Interessen dient.

Die Aufmerksamkeit war ihm sicher, als Chinas Chefdiplomat Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer Woche ankündigte, "einen Friedensplan für die Ukraine" vorzulegen. Ein möglicher kleiner Lichtblick im grauenvollen, seit einem Jahr andauernden Angriffskrieg Russlands.

Auch wenn der Vorstoß größtenteils mit Skepsis aufgenommen wurde, gibt es doch auch hoffnungsvolle europäische Politiker. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Anfang April nach Peking reisen. Er sagt, die Tatsache, dass China sich für einen Frieden einsetze, sei gut. China müsse helfen, Druck auf Russland auszuüben. 

Genau das ist der neuralgische Punkt, selbst wenn man die eigenen Ambitionen der chinesischen Staats- und Parteiführung zunächst kurz beiseite lässt: Wird sie ernsthaft Druck auf Russland ausüben? Und wenn ja, in welcher Form?

China braucht Putins Unterstützung

Die chinesische Staatsführung hat den Krieg nie verurteilt. Der russische Angriffskrieg ist zwar nicht im Interesse Chinas, aber die Partnerschaft mit Russland ist eben auch grenzenlos. Der Handel zwischen den beiden Ländern hat seit Kriegsbeginn zugenommen, auch wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland. China profitiert derzeit von günstigem Gas und Erdöl. Und nun wurden auch noch Vorwürfe laut, dass China Russland Waffen liefern könnte.

Vieles deutet also darauf hin, dass der Druck auf den russischen Machthaber Wladimir Putin von chinesischer Seite nicht bemerkenswert sein wird. Vielmehr scheint der chinesische Vorstoß Teil eines größeren Plans zu sein, der zum Ziel hat, Chinas geopolitische Machtposition als ein Gegenmodell zur westlichen Weltordnung zu stärken - und auch dafür braucht Staats- und Parteichef Xi Jinping seinen guten Freund Putin. 

"Chinesische Lösung für besseres Gesellschaftssystem"

Erst kürzlich, Anfang Februar, hat Xi eine Grundsatzrede gehalten, die eine Kampfansage an die USA und den Westen ist. Und die ist auch im Zusammenhang mit dem jetzigen Vorstoß zu einer "politischen Lösung der Ukraine-Krise" zu sehen, wie die Staatsführung den Krieg nennt. Xis Botschaft: "Modernisierung gleich Verwestlichung" sei ein Mythos. Es gebe "eine chinesische Lösung für die Suche der Menschheit nach einem besseren Gesellschaftssystem".

Adressat dieser Botschaft ist der globale Süden. Für Alexander Gabuev von der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden ist mehr als klar: "China macht den Friedensvorschlag, um sich als die einzige Weltmacht darzustellen, die wirklich am Frieden interessiert ist. Der Vorschlag ist in sehr schwachen Worten formuliert, die höchstwahrscheinlich nicht hilfreich sind, aber dieser Plan wird den globalen Süden davon überzeugen, dass die chinesische Seite, die einzige ist, die am Frieden interessiert ist."

China: Eigennütziger "Friedensplan"?

Marie von Mallinckrodt, ARD Peking, Weltspiegel 18:30 Uhr

Argumentation mit legitimen Sicherheitsinteressen

In dem Papier zur Ukraine findet sich eine Formulierung, die Basis für den Schulterschluss von Xi Jinping und Wladimir Putin im systemischen Wettbewerb ist. Darin heißt es etwa, die legitimen Sicherheitsinteressen aller Staaten müssten ernst genommen werden. Damit bezieht sich China auf die Argumentation Russlands, sich verteidigen zu müssen - gegen die USA und gegen die NATO.

Es sei das Narrativ, das China von Russland übernommen habe, so Angela Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Nämlich, dass die USA schuld seien an der Sicherheitsbedrohung Russlands und daher Russland ja auch ein Anrecht auf die Verteidigung seiner Sicherheit, nämlich die Invasion der Ukraine habe." 

"Absicherung des eigenen Falls Taiwan"

Die Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität aller Länder wird als Erstes erwähnt in dem Papier. Aus russischer und wohl auch chinesischer Sicht trifft das dann offenbar auf die Ukraine nicht zu. "Wenn China etwas über territoriale Integrität und Souveränität in so einen Friedensplan reinschreibt, dann ist das eigentlich gemeint als Absicherung seines eigenen Falls, nämlich Taiwan", meint Angela Stanzel. Die Volksrepublik sieht die demokratisch regierte Insel als Teil seines Staatsgebiets und strebt eine "Wiedervereinigung" an, droht mit militärischer Gewalt. Taiwan hat aber nie zur Volksrepublik gehört und ist heute eine lebendige Demokratie.

Die Strategie dahinter: die langfristige Legitimation der eigenen Interessen. Es scheint also ein doppeltes Spiel der chinesischen Staatsführung zu sein. Auch in Hinblick auf die EU. Einerseits steht sie fest an der Seite Russlands, gleichzeitig ist die chinesische Staatsführung auch um gute Beziehungen mit europäischen Ländern bemüht. Chinas Wirtschaft schwächelt und die EU ist ein wichtiger Markt, auch weil die USA sich mehr und mehr abwenden, mit für China schmerzhaften Sanktionen. 

Über dieses und weitere Themen berichtet der Weltspiegel heute ab 18.30 Uhr im Ersten.