Angriff auf die Ukraine China zeigt Verständnis
Nach dem Angriff auf die Ukraine zeigt China Verständnis für die "Sicherheitsbedenken" Moskaus und spricht von "notwendigen Maßnahmen". Doch das Vorgehen Russlands bringt Peking in eine schwierige Lage.
Russland sei gezwungen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Rechte und Interessen zu schützen. Das sagte der chinesische Außenminister Wang Yi nach einem Telefonat mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow.
Lawrow habe ihm erklärt, dass die Geschichte zwischen Russland und der Ukraine komplex sei. China erkennt: Die Sicherheitsbedenken Russlands seien in der Folge legitim.
Der chinesische Außenminister betonte zudem noch einmal, dass China immer die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder respektiere und scheint damit Russland zu meinen. In den vergangenen Tagen hatte China immer wieder mit dem gleichen Satz betont, dass die Souveränität der Ukraine geschützt werden müsse.
Keine Rückendeckung
Das chinesische Außenministerium hat in einer Pressekonferenz offiziell bestritten, dass es sich bei dem Angriff Russlands auf die Ukraine um eine russische Invasion handle, wie dies teilweise beschrieben werde.
Gleichzeitig distanziert sich Hua Chunying, eine Sprecherin des Außenministeriums, davon, dass China Russland den Rücken decke: "Ich glaube, Russland wird sehr unglücklich sein, das zu hören", sagt sie.
"Russland ist eine unabhängige Macht. Russland stützt sich auf das eigene Urteil, die eigenen nationalen Interessen, hat seine eigene Diplomatie und Strategie. Ich möchte betonen, dass die Beziehungen zwischen China und Russland nicht auf Konfrontation beruhen oder darauf, Dritte anzugreifen." Die Pressekonferenz fand vor dem Telefonat der beiden Außenminister statt.
Sanktionen können sich auf China auswirken
Das Vorgehen Russlands versetzt die chinesische Staats- und Parteiführung in eine schwierige Lage. Sanktionen der USA und der Europäischen Union gegen Russland könnten sich auch negativ auf China auswirken.
Steigende Rohstoffpreise könnten die chinesische Wirtschaft bremsen, die wegen der Corona-Pandemie ohnehin weniger stark wächst als erhofft.
Russland gehört zu den größten Öl- und Gasexporteuren der Welt. China ist stark von Rohstoffimporten abhängig.
Ukraine wichtig für "neue Seidenstraße"
Die Ukraine ist außerdem wichtiger Partner des chinesischen "Belt-and-Road"-Infrastrukturprojekts, einer Handelsroute von China durch ganz Asien nach Europa - über Land und über See, auf deutsch "neue Seidenstraße" genannt.
Die Stabilität der "Belt-and-Road"-Länder und -Regionen sei wichtig, damit das Projekt umgesetzt werden, damit die neue Seidenstraße gemeinsam genutzt und aufgebaut werden könne, sagt Li Xin, Professor für Europa und Asien Studien an der Universität für Politikwissenschaften und Recht in Shanghai.
"China wird sich bemühen, die Stabilität der regionalen Situation mit friedlichen Mitteln zu erhalten. Als einer der wichtigen Partner beim gemeinsamen Aufbau des Gürtels und der Straße mit China steht die Stabilität der Ukraine natürlich im Mittelpunkt von Chinas Aufmerksamkeit."
Chinas Staatsmedien berichten zuerst: nichts
Lange hatte die Volksrepublik China keine klare Linie, wie sie sich im Russland-Ukraine Konflikt positionieren soll - die chinesischen Staatsmedien wussten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offenbar nicht, wie sie berichten sollten.
Während in Deutschland eine Eilmeldung nach der anderen einging, war in den chinesischen Staatsmedien: nichts. Die Top-Nachricht des Tages: ein Nachklapp auf die Olympischen Winterspiele.
Ukraine habe Beziehungen abgebrochen
Nach den offiziellen Äußerungen des chinesischen Außenministeriums scheint nun aber auch die Nachrichtenlinie der chinesischen Staatsmedien gefunden. Diese betonen in ihren Schlagzeilen, die Ukraine habe die diplomatischen Beziehungen zu Russland abgebrochen.
Li erklärt die chinesische Perspektive so: "Indem die Ukraine der NATO beitreten will, macht sie sich Russland zum Feind. Die Ukraine hat das russische Vorgehen als Konsequenz zu spüren bekommen."
Von einem Angriff ist nicht die Rede
In den chinesischen Medien sind Kriegsbilder zu sehen. Im Text ist von einem Angriff nicht die Rede, sondern von einer speziellen Militäroperation Russlands oder davon, dass russische Truppen in die Region Donbas gezogen seien.
Die chinesische Botschaft in Kiew forderte chinesische Staatsbürger in der Ukraine auf, in ihren Wohnungen zu bleiben. Als Grund nannte sie: Die Sicherheitslage habe sich stark verschlechtert und es könnten Unruhen ausbrechen. Auf die Militärpräsenz russischer Truppen in der Ukraine ging sie nicht ein.
Desinteresse und Unverständnis
In China stößt der Russland-Ukraine-Konflikt bei den Menschen eher auf Desinteresse oder auf Unverständnis, was das mit China zu tun habe.
Bei einer Umfrage der ARD in der chinesischen Stadt Yiwu im Landesteil Zhejiang südlich von Shanghai sagte ein Passant vor dem Angriff Russlands auf der Straße: "China mischt sich niemals in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein. Wir unterstützen den Frieden. Wir hoffen, dass sie sich durch Verhandlungen einigen können."
"China ist ein unabhängiges Land"
"Die Russen fangen keine Kriege an, das tun nur der Westen und die NATO. Und wenn sie es tun, beginnt Krieg. In diesem Fall wird China davon betroffen sein, denn China und Russland sind Partner", sagte ein anderer Mann.
"Kriege in anderen Ländern haben nichts mit China zu tun. China ist ein unabhängiges Land. Wir kommen gut allein zurecht", sagte eine Frau.