Fahrzeuge passieren die  beschädigte Maharmyatmuni-Pagode nach einem Erdbeben in Mandalay
Player: videoHenry Braun, Welthungerhilfe Myanmar, zum Erdbeben in Südostasien
interview

Erdbeben in Myanmar "Sie brauchen Soforthilfe, jetzt und nicht morgen"

Stand: 30.03.2025 14:54 Uhr

Helfern im Erdbebengebiet in Südostasien bieten sich entsetzliche Bilder, sagt Henry Braun von der Welthungerhilfe im tagesschau24-Interview. Mitarbeiter berichten aus Myanmar von Leichengeruch in den Straßen und verängstigten Bewohnern.

Zwei Tage nach dem Erdbeben in Südostasien ist die Lage weiter unübersichtlich - vor allem in Myanmar. Mittlerweile ist die Rede von etwa 1.700 Toten und etwa 3.400 Verletzten. Die, die überlebt haben, stehen vor dem Nichts, sagt Henry Braun, der für die Hilfsorganisation Welthungerhilfe in dem Land ist. Er berichtet im Interview mit tagesschau24, wie schwer die Rettungsarbeiten sind - auch weil Kämpfe zwischen der Militärjunta und Rebellen nicht zur Ruhe kommen, obwohl eine Waffenruhe angekündigt worden war.

tagesschau24: Herr Braun, was hören Sie denn von Ihren Leuten aus den Regionen, die besonders betroffen sind?

Henry Braun: Unsere Leute sind heute nach Sagaing ganz nah an das Epizentrum vorgedrungen. Und die Schilderungen sind entsetzlich. Sie sprechen von Leichengeruch in den Straßen, von einer völlig zerstörten Stadt, von Leuten, die verwirrt sind und Angst haben vor den nächsten Tagen. Wir sind eine der ersten Organisationen, wenn nicht die erste Organisation, die eingetroffen ist. Es ist ein ganz, ganz entsetzliches Bild, das sich uns da bietet.

tagesschau24: Es soll Nachbeben gegeben haben. Ist schon klar, welche Auswirkungen es gab?

Braun: Eigentlich haben wir an jedem der letzten zwei Tage so zwei, drei kleinere Nachbeben gehabt, die alle ungefähr eine Stärke von fünf auf der Richterskala hatten. Diese haben nicht sehr große Schäden angerichtet, kaum bemerkenswert. Aber was passiert ist: Die Leute haben richtig Angst, dass wieder etwas passiert. In einer Situation, wo der Strom ausgefallen ist und die Märkte schwer zu erreichen sind. Es ist eine ganz entsetzliche Geschichte für die Leute, sie sind verängstigt und schlafen auf der Straße.

Player: videoHenry Braun, Welthungerhilfe Myanmar, zum Erdbeben in Südostasien

Henry Braun, Welthungerhilfe Myanmar, zum Erdbeben in Südostasien

tagesschau24, 30.03.2025 13:00 Uhr

Erste internationale Hilfe kommt an

tagesschau24: Was bedeutet das für die Menschen, wenn in einer solch verheerenden Situation erneut die Erde bebt?

Braun: Das heißt, dass sie ihr Leben nicht wieder von Neuem anfangen können. Sie werden immer wieder zurückgeworfen in die Angstzustände. Sie können nicht anfangen, ihre Wohnungen aufzubauen und neu anzufangen. Sie bleiben in in der Situation des Bebens noch stecken.

tagesschau24: Was brauchen die Menschen jetzt im Moment am dringendsten?

Braun: Sie brauchen Nahrungsmittel, sie brauchen Wasser, sie brauchen Unterkunft, sie brauchen Decken. Und sie brauchen Geld, um wieder anfangen zu können und für medizinische Bedürfnisse. Sie brauchen Soforthilfe, jetzt und nicht morgen.

Karte: Städte in Myanmar und Epizentrum des Erdbebens am 28.3.2025

tagesschau24: Kommt denn inzwischen internationale Hilfe ins Land? Wie wird sie koordiniert?

Braun: Hilfe ist angekommen. Wir haben jedenfalls Bilder gesehen von Flugzeugen aus vielen verschiedenen asiatischen Ländern. Auch aus Frankreich ist etwas angekommen. Wir haben gehört, dass ein Konvoi aus China mit ungefähr 180 Lkw auf dem Weg ist nach Mandalay (Anm. d. Red.: Mandalay ist die zweitgrößte Stadt in Myanmar). Alles wird koordiniert von einem System, das sich Clusterkoordination nennt, wo die UN-Organisation, die zivilen Organisation, die internationalen als auch die lokalen zusammenkommen und die Bedürfnisse bestimmen und danach die Mittel verteilen.

tagesschau24: Wie hilft die Welthungerhilfe?

Braun: Wir sind vor Ort mit unseren lokalen Partnern und wir verteilen Wasser. Wir verteilen auch die ersten Gelder an die Leute, die gelitten haben. Wir werden auch die nächsten Wochen weiterhin mit unseren Partnern die Sofortmaßnahmen durchführen, um den Leuten durch die erste Zeit hindurch zu helfen, bevor man überhaupt mal daran denken kann, wieder über einen Neuaufbau zu reden.

Ein buddhistischer Mönch steht inmitten der Trümmer des durch ein Erdbeben eingestürzten Klosters in Naypyitaw in Myanmar.

tagesschau24: Nun haben Rebellen eine zweiwöchige Waffenruhe angekündigt. Wie wirkt sich das in dem Bürgerkriegsland aus?

Braun: Das ist korrekt, die wurde angekündigt. Aber wir hören zur gleichen Zeit auch, dass immer noch Kämpfe stattfinden. Das ist schwierig für uns als Entwicklungshelfer und Katastrophenhelfer, weil wir dann nicht an die Gegenden rankommen, nicht über die Gebirge hinwegkommen, weil gekämpft wird. wir müssen an unsere eigenen Leute denken und denen Schutz anbieten.

tagesschau24: Besteht denn jetzt überhaupt noch die Möglichkeit, Verschüttete lebendig zu bergen?

Braun: Ja, ich denke, es ist immer noch möglich für die nächsten Stunden, für den nächsten Tag. Es sind immer noch Geräusche zu hören. Es werden immer noch lebende Leute geborgen, geschwächt. Sie müssen sich vorstellen: Es ist gefühlt in Mandalay so um die 42 Grad. Es ist sehr heiß. Wenn man verschüttet ist, ist es bei solchen Bedingungen extrem schlimm für den Körper, weil er austrocknet. Aber es werden noch lebende Leute geborgen.

Das Gespräch führte Kirsten Gerhard für tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde das Interview leicht angepasst.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. März 2025 um 15:00 Uhr.