Menschen untersuchen die Absturzstelle in Muan

Flugzeugunglück in Südkorea Welche Rolle spielte die Mauer von Muan?

Stand: 31.12.2024 14:30 Uhr

Nach dem verheerenden Flugzeugunglück mit 179 Toten in Südkorea gerät nun die Betonmauer in den Fokus der Ermittler, an der die Boeing-Maschine zerschellt war. Gibt es auch wegen ihr so viele Todesopfer?

Nach dem Flugzeugunglück in Muan mit 179 Toten fahnden die Ermittler in Südkorea weiter nach der Unglücksursache. Bei Experten gerät jene rund 250 Meter hinter der Landebahn gelegene Mauer in den Fokus, an der die Maschine des Flugs 7C2216 der südkoreanischen Billigfluglinie Jeju Air am vergangenen Sonntag zerschellte. Es geht um die Frage, ob das Betonwerk die hohe Zahl der Todesopfer begünstigt haben könnte.

Die Boeing 737-800 war bei einer versuchten "Bauchlandung" ohne ausgefahrenes Fahrwerk von der Landebahn abgekommen, gegen die Mauer geprallt und in Flammen aufgegangen.

Antennesystem in Mauer eingefasst

Auf der von Erde umgebenen Betonwand war ein für die Landung notwendiges Antennensystem angebracht, das Piloten beim Anflug unterstützt. An vielen Flughäfen sehen diese Antennen aus wie eine Reihe roter Stangen. Unklar ist jedoch, warum diese vier Meter hohe Konstruktion in Muan von einer Mauer eingefasst war. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa.

Die Sperrung der Start- und Landebahn des Flughafens im Südwesten des Landes wurde vorerst bis zum 7. Januar verlängert, um die Unfallstelle weiter untersuchen zu können. Vor Ort sind neben koreanischen Experten auch Vertreter des US-Flugzeugbauers Boeing und der US-Behörde NTSB, die Unglücke in der Luftfahrt aufklärt. 

John Cox, ein ehemaliger Pilot, der in den USA Flugzeugunfälle aufklärt, sagte, der Betonwall habe ihn am meisten erstaunt. "Denn das Flugzeug hätte stoppen, Menschen hätten das Flugzeug verlassen können - wäre er nicht da."

Zwei Menschen sehen sich die Absturzstelle am Flughafen von Muan an

Ermittler machen sich ein Bild von der Absturzstelle am Muan International Airport.

Mauer nach internationalen Standards?

Die Antennen in Signalfarben müssten flexibel wie ein Strohhalm sein, um bei einem Aufprall zu brechen, so die Einschätzung des Experten Song Byeong Heum im südkoreanischen Fernsehsender KBS. Selbst wenn man die Antennen höher hätte positionieren wollen, hätte man keine Betonmauer darum bauen müssen, teilte ein Pilot der Nachrichtenagentur Yonhap mit. 

Andere Luftfahrt-Fachleute mutmaßten, dass die Konstruktion in Muan nicht internationalen Standards entspreche. Laut Nachrichtenagentur Yonhap begründete der Flughafen, dass die Erhöhung notwendig war, damit das System ordentlich funktioniere. Das Verkehrsministerium argumentierte, dass auch andere Flughäfen in Südkorea eine ähnliche Betonkonstruktion hätten.

Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, werden die Vorschriften für eine Betonmauer überprüft. Auf die Frage, ob die Verwendung von Beton an dieser Stelle des Flughafens zulässig war, sagte der Generaldirektor für Flughafenpolitik, Kim Hong Rak, den Angaben nach, dass die Regierung "die einschlägigen Vorschriften und deren Anwendung überprüfen" werde.

Einer von zwei Flugschreibern beschädigt

Die Bergungsteams fanden bereits die beiden Flugschreiber. Jener mit den Sprachaufzeichnungen aus dem Cockpit sei in relativ gutem Zustand, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap. Der zweite Speicher, mit den Flugdaten, wurde demnach beschädigt. Die Experten müssen nun prüfen, wie sie an die Daten kommen. Bis es Ergebnisse gibt, dürfte es deshalb noch einige Zeit dauern. 

Veranlasst wurde nach dem Unglück auch, die Wartungsaufzeichnungen aller Maschinen nationaler Airlines des bei Billigfluglinien beliebten Typs Boeing 737-800 überprüfen zu lassen. Dem Verkehrsministerium zufolge betraf eine entsprechende Untersuchung sechs Fluggesellschaften. Laut Nachrichtenagentur Yonhap überprüften auch die südkoreanischen Streitkräfte Maschinen eines ähnlichen Typs in ihren Flotten.

Die Regierung kündigte darüber hinaus die Überprüfung aller Boeing-Flugzeuge gleicher Bauart im Land mit Blick auf die Fahrwerke an.

Genauer Unfallhergang unklar

Die Ermittler bestätigten nach Angaben des Verkehrsministeriums bislang die Identität von 174 der 179 getöteten Insassen der Unglücksmaschine. Erste Leichen hätten die Behörden bereits zur Bestattung überstellt. Der geschäftsführende südkoreanische Präsident Choi Sang Mok besuchte in Seoul eine Gedenkveranstaltung für die Opfer.

An Bord der Boeing 737-800 waren neben zwei thailändischen Staatsbürgern ausschließlich Koreaner. Lediglich zwei Crew-Mitglieder überlebten die Bruchlandung. 

Der Vorfall in Muan gilt als das bisher verheerendste Flugzeugunglück auf südkoreanischem Boden. Als Unfallursache vermuten die Behörden einen Vogelschlag kurz vor der Landung. Der Tower hatte zunächst vor einem solchen Zusammenprall mit Vögeln gewarnt. Unmittelbar danach meldeten die Piloten per Mayday-Notruf selbst einen Vogelschlag. Unklar ist bislang, wie diese Kollision das Fahrwerk beschädigen konnte. 

Mit Informationen von Katharina von Tschurtschenthaler, NDR

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 31. Dezember 2024 um 08:52 Uhr.