Fortsetzung der Kämpfe Israel greift wieder Hamas-Stellungen an
Die Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der Hamas ist ausgelaufen. Seit dem Morgen greift Israel wieder Hamas-Stellungen an, es soll Tote geben. International wird eine Verlängerung der Waffenruhe gefordert.
Nach der Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der Terrororganisation Hamas sprechen Medien und Augenzeugen von heftigen Gefechten im Gazastreifen. Die israelische Armee gab an, Hamas-Stellungen aus der Luft anzugreifen. Das palästinensische Radio sprach von mehr als 50 Toten und zahlreichen Verletzten seit dem Ende der Waffenruhe. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas war am Morgen ausgelaufen. Israel warf der militanten Organisation vor, die Waffenruhe verletzt und vor dem Auslaufen der Frist Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert zu haben. In mehreren Ortschaften nahe der Grenze zu Gaza gab es Raketenalarm. Später heulten die Sirenen auch im Norden des Landes an der Grenze zum Libanon.
Noch etwa 140 Geiseln im Gazastreifen
"Die Terrororganisation Hamas-ISIS hat gegen die Rahmenvereinbarung verstoßen", in dem sie ihrer Verpflichtung, alle weiblichen Geiseln freizulassen, nicht nachgekommen sei und Raketen auf israelische Bürger abgefeuert habe, hieß es in einer Mitteilung aus dem Büro von Premierminister Benjamin Netanyahu. Israel sei entschlossen, seine Kriegsziele zu erreichen, darunter die Befreiung der Geiseln und die Eliminierung der Hamas.
Nach Angaben der israelischen Koordinationsstelle für Vermisste und Entführte befinden sich noch 137 Geiseln im Gazastreifen, darunter elf Ausländer. Unter den Geiseln seien 20 Frauen, zwei Kinder unter 18 Jahren sowie zehn Personen über 75 Jahren. Sieben Personen gelten seit dem 7. Oktober als vermisst.
Mehr als 100 Geiseln waren im Rahmen der Vereinbarung von der Hamas freigelassen worden. Israel entließ im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen.
Offenbar Lkw mit Hilfslieferungen gestoppt
Israel warf nach Angaben von Bewohnern des Gazastreifens Flugblätter ab und forderte die Menschen darin auf, ihre Häuser östlich der Stadt Chan Yunis zu verlassen. Darin wurde auch gewarnt, dass Chan Yunis nun eine gefährliche Kampfzone sei.
Die Flugblätter deuten an, dass Israel eine Ausweitung seiner Bodenoffensive vorbereitet, die sich bisher weitgehend auf den nördlichen Teil des Gazastreifens konzentrierte. Hunderttausende Menschen flohen zu Beginn des Krieges aus dem nördlichen Gazastreifen, viele haben in Chan Yunis und anderen Städten im Süden Schutz gesucht.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee
Die israelische Armee rief die Zivilbevölkerung in Gaza auf, ihren Anweisungen Folge zu leisten. Sie veröffentlichte eine interaktive Karte in arabischer Sprache, die das Gebiet in kleinteilige Bereiche aufgeteilt zeigt, um den Bewohnern zu ermöglichen, "sich zu orientieren, die Anweisungen zu verstehen und sich bei Bedarf von bestimmten Orten aus in Sicherheit zu bringen".
Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf ägyptische Sicherheitskreise berichtete, wurden Lastwagen mit Hilfsgütern und Treibstoff für den Gazastreifen am Grenzübergang Rafah gestoppt. Vertreter von Hilfsorganisationen bestätigen diese Angaben. Rafah war der einzige Grenzübergang, über den Hilfsgüter auf dem Landweg in den Gazastreifen gelangen konnten. Während der Feuerpause hatten Hunderte Lkw humanitäre Hilfen in das Gebiet gebracht, auch in den nördlichen Teil.
Katar: Verhandlungen laufen weiter
Katar, das als Vermittler im Krieg auftritt, bedauerte die Wiederaufnahme der Gefechte und erklärte, die Bemühungen um eine Erneuerung der Waffenruhe liefen dennoch weiter.
Dem Sender Al-Dschasira sagte ein ranghohes Hamas-Mitglied, man sei zur Freilassung weiterer ziviler Geiseln bereit, Voraussetzung dafür sei eine neuerliche Feuerpause. Die Verhandlungen über die Freilassung von Militärangehörigen aus der Gewalt der Hamas seien nur im Rahmen eines umfassenden Waffenstillstands möglich, sagte Chalil al-Hajeh. Eine Kampfpause reiche hierfür nicht aus.
Laut al-Hajeh, hätte die israelische Seite mehrere Angebote für eine Freigabe von Geiseln gegen die Freilassung von Gefangenen abgelehnt. Israel habe sich stattdessen darauf vorbereitet, die Angriffe im Gazastreifen fortzusetzen.
UN verurteilen Wiederaufnahme der Kämpfe
Die Vereinten Nationen verurteilten die Fortsetzungen der Kampfhandlungen. Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk nannte sie "katastrophal". Er appellierte an die Konfliktparteien und alle Staaten, "die Einfluss auf sie haben, ihre Anstrengungen zu verstärken, um eine Waffenruhe zu gewährleisten".
Das mahnte auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres an. "Ich bedauere zutiefst, dass die Militäroperationen in Gaza wieder aufgenommen wurden", schrieb er auf der Plattform X. Er hoffe darauf, dass die Kampfpause nochmals verlängert werden könne. "Die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zeigt nur, wie wichtig eine echte humanitäre Waffenruhe ist", fügte Guterres hinzu.
Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF kritisierte das Ende der Feuerpause ebenfalls scharf. Die verantwortlichen Akteure hätten damit "im Grunde grünes Licht gegeben für das Töten von Kindern" im Gazastreifen, sagte UNICEF-Sprecher James Elder. "Es ist unverantwortlich zu glauben, dass weitere Angriffe auf die Menschen in Gaza zu etwas anderem als einem Gemetzel führen könnten", fügte er hinzu.
WHO besorgt über Gesundheitsversorgung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mahnte an, der Gazastreifen, könne es sich nicht leisten, weitere Krankenhauskapazitäten zu verlieren. 18 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen seien nur noch teilweise arbeitsfähig, einige könnten Patienten fast gar nicht mehr versorgen, sagte der WHO-Vertreter im Westjordanland und im Gazastreifen, Rik Peeperkorn, bei einem UN-Briefing. Die Gesamtbettenkapazität sank laut seinen Angaben von 3.500 vor dem Krieg auf jetzt noch 1.500.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warb für eine Fortsetzung der Feuerpause. "In diesen Minuten müssen wir alles dafür tun, dass die humanitäre Feuerpause fortgeführt wird", erklärte sie. Dies sei nötig "sowohl für die verbleibenden Geiseln, die seit Wochen in finsteren Tunneln auf Freilassung hoffen, als auch für die notleidenden Menschen in Gaza, die dringend mehr humanitäre Hilfe benötigen".