Ein palästinensischer Junge trägt eine provisorische weiße Flagge.
reportage

Kämpfe im Gazastreifen "Wir werden hierbleiben"

Stand: 06.11.2023 14:04 Uhr

Die israelische Armee hat Gaza-Stadt nach eigenen Angaben umstellt. Sie fordert die Palästinenser auf, in den Süden zu fliehen. Doch viele von ihnen bleiben - auch weil manchen gar keine andere Wahl bleibt.

Von Björn Dake, ARD Berlin

Moshe Tetro steht mit einem Maschinengewehr in der Hand vor einem gepanzerten Fahrzeug der israelischen Armee auf der Salah-al-Din-Straße im Gazastreifen. Der Soldat leitet das Verbindungsbüro der israelischen Zivilverwaltung für Gaza. 

"Ich rufe alle Zivilisten im Norden des Gazastreifens dazu auf, in den Süden zu gehen. Der Norden mit Gaza-Stadt ist eine Kriegszone, eine sehr gefährliche Gegend. Die Hamas-Terrororganisation benutzt euch als menschliche Schutzschilde. Geht in den Süden. Dort erleichtern wir die humanitäre Hilfe."

"Man weiß, dass dort der Häuserkampf für die Soldaten sehr gefährlich ist", Oliver Mayer-Rüth, ARD Tel Aviv

tagesschau, 06.11.2023 17:00 Uhr

Aufrufe wie in diesem Video der Armee kommen immer wieder. Sie wirft Tausende Flugblätter ab und verschickt nach eigenen Angaben Zehntausende Sprachnachrichten an palästinensische Telefone. Darin ruft sie die Menschen auf, sich über die Salah-al-Din-Straße in Sicherheit zu bringen.

Israel hat Gaza-Stadt umstellt

Für Zivilisten ist es der einzige Weg, den Norden zu verlassen. Denn die israelische Armee hat Gaza-Stadt nach eigenen Angaben umstellt. Der Gazastreifen ist nach den Worten eines Armeesprechers jetzt in Nord und Süd geteilt.

Doch viele Menschen bleiben lieber im Norden. Sie fühlen sich auch im Süden des Gazastreifens nicht sicher. "Wenn wir unser Zuhause verlassen, verlieren wir unsere Würde. In der Wüste können wir nicht überleben, da ist es besser auf unserem Land zu sterben", fasst der Palästinenser Mohammad Dahlan die Stimmung zusammen. "Ihre Warnungen nehmen wir nicht ernst. Wir werden hierbleiben."

Karte Gazastreifen mit den von der israelischen Armee kontrollierten Gebieten

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen

Dahlan steht vor den Trümmern eines Hauses in Chan Younis im Süden des Gazastreifens. Eine Katze streunt durch den Schutt, Jacken liegen im Staub, am Straßenrand steht ein ausgebranntes Auto. Auch hier geht die Armee gegen Hamas-Ziele vor. Auch hier gibt es seit Wochen keinen Strom, kaum sauberes Wasser und wenig zu Essen.

Hamas hindert Menschen an Flucht

Die israelische Armee veröffentlichte in den vergangenen Tagen Hinweise, wonach die Mitglieder der Terrororganisation die Menschen aus dem Norden daran hinderten, in den Süden zu gehen. Vielen Familien fehlt auch schlicht das Geld, eine Taxifahrt zu organisieren. All das sind Gründe, warum weiter viele Menschen im Norden ausharren. Die US-Regierung war am Wochenende von bis zu 400.000 ausgegangen.

International laufen Bemühungen, mehr Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Jordanien hat in der vergangenen Nacht nach eigenen Angaben medizinische Hilfsgüter aus der Luft abgeworfen. Die israelische Armee hat das bestätigt. Die Aktion sei mit ihr abgestimmt gewesen.  

Netanyahu: Feuerpause nur nach Rückkehr von Geiseln

Eine humanitäre Feuerpause kommt für Benjamin Netanyahu aber weiter nicht in Frage. Das hat der israelische Ministerpräsident erst gestern beim Besuch eines Luftwaffenstützpunkts wiederholt.

"Ich möchte, dass Ihr alle wisst, dass es eine Sache gibt, die nicht eintreten wird: Ohne eine Rückkehr unserer Geiseln wird es keine Feuerpause geben - das sollten sie gleich aus ihrem Wortschatz streichen. Wir sagen das unseren Feinden und auch unseren Verbündeten. Wir werden so lange weitermachen, bis wir sie besiegen. Wir haben keine Alternative."

Neben den Geiseln der Hamas sind die Raketen auf Israel ein weiterer Grund, warum sich Netanyahu so kompromisslos gibt. Seit Beginn des Krieges feuerten militante Palästinenser nach Angaben der Armee mehr als 8.100 Geschosse auf Israel ab. Auch am Morgen heulten wieder die Warnsirenen.

Björn Dake, ARD Tel Aviv, tagesschau, 06.11.2023 11:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 06. November 2023 um 12:44 Uhr.