Chan Yunis offenbar umstellt Israels Militär sucht den Hamas-Chef
Schwere Gefechte im südlichen Gazastreifen: Dort hat die Armee das Haus vom Hamas-Anführer Sinwar umstellt. Vermutet wird er aber im Tunnelsystem. Hoffnungen auf eine Feuerpause gibt es kaum.
Auch in der Nacht sind israelische Bodentruppen in mehreren Abschnitten des Gazastreifens gegen die militant-islamistische Hamas vorgegangen. Die Einheiten befanden sich nach Militärangaben zum Teil im Häuserkampf. Unterstützt werden die Infanterieeinheiten von schweren Panzern und Artillerie. Israels Luftwaffe fliegt weiter Angriffe, und die Marine beschießt ebenfalls Ziele im Gazastreifen.
Im Mittelpunkt der Kämpfe steht Chan Yunis, die größte Stadt im Süden des Küstengebiets. Die Armeeführung spricht weiterhin von den schwersten Gefechten seit Beginn der Bodenoffensive. Die Truppen sollen den Angaben zufolge inzwischen ins Stadtzentrum vorgedrungen sein.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee
Haus des Hamas-Anführers umstellt
Das Haus des Hamas-Anführers Jahia Sinwar wurde umstellt, wie Israels Premier Benjamin Netanyahu erklärte. "Ich sagte, unsere Truppen könnten jeden Ort im Gazastreifen erreichen", sagte er. "Jetzt umstellen sie das Haus von Sinwar. Sein Haus ist nicht seine Festung und er kann fliehen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn haben." Der Anführer wird in den Tunnelanlagen der Hamas vermutet.
Die Führungsebene der Terrororganisation Hamas werde den Kampf weiterführen, sagte der Sicherheitsexperte Michael Millstein im Interview mit dem israelischen Radiosender 103 FM. "Diese Leute sind Ideologen", betonte Millstein:
Dinge wie eine Exitstrategie interessieren sie nicht. Sinwar weiß, dass er in diesem Krieg sterben kann: Er, seine Familie und alle, die ihm nahestehen. Er akzeptiert das. Und zum jetzigen Zeitpunkt führt er seinen Heiligen Krieg fort.
Kämpfe werden sich vermutlich hinziehen
Die Kämpfe könnten sich also noch lange hinziehen. Die Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen spitzt sich derweil immer weiter zu. Das Gesundheitssystem für das Küstengebiet mit seinen etwa 2,2 Millionen Bewohnern sei nah am kompletten Zusammenbruch, warnte der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Hilfsgüter kommen weiterhin nur in geringer Menge in den Küstenstreifen.
Kommen die Hilfen bei der Bevölkerung an? Eine Frau, die sich vor dem Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis aufhält, ist im Interview mit dem Sender Al Dschasira sicher, dass die Hamas die Lieferungen für sich behält. "Alle Hilfsgüter gehen direkt nach unten, in die Tunnel. Die Menschen bekommen nichts davon."
Guterres: Humanitäre Katastrophe muss abgewendet werden
Neben Lebensmitteln fehlt im Gazastreifen vor allem Treibstoff. Das israelische Kriegskabinett gab nun grünes Licht für eine Erhöhung der Treibstofflieferungen und kommt damit einem Wunsch der US-Regierung nach. Bisher werden 60.000 Liter täglich geliefert. Unterschiedlichen israelischen Medienberichten zufolge soll die Menge nun verdoppelt oder verdreifacht werden. Aber auch das würde den Bedarf nicht annähernd decken.
UN-Generalsekretär António Guterres rief den Sicherheitsrat in einem Brandbrief dazu auf, eine humanitäre Katastrophe im Gazastreifen abzuwenden. Israel reagierte mit scharfer Kritik. Außenminister Eli Cohen nannte die Amtszeit von Guterres eine Gefahr für den Weltfrieden und warf dem UN-Generalsekretär vor, mit seiner Initiative die Hamas zu unterstützen.