Mögliche Kriegsverbrechen und Völkerrecht Strafgerichtshof ermahnt Israel und Hamas
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Khan, hat Israel und die Hamas aufgerufen, das Völkerrecht einzuhalten. Ein israelischer Regierungsberater wies den Vorwurf zurück, sein Land tue zu wenig zum Schutz von Zivilisten.
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Israel und die militant-islamistische Hamas aufgefordert, sich an internationales Recht zu halten. "Alle Beteiligten müssen das humanitäre Völkerrecht wahren. Wenn sie es nicht tun, dürfen sie sich nicht wundern, dass wir gezwungen sind zu handeln", sagt Karim Khan nach einem viertägigen Besuch in Israel und dem Westjordanland. Es war sein erster offizieller Besuch als Chefankläger. Er war von Angehörigen und Freunden von Opfern der Hamas-Attacken vom 7. Oktober eingeladen worden.
Khan forderte, Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. "Zivilisten müssen Zugang zu Grundnahrungsmitteln, Wasser und den nötigsten medizinischen Produkten haben, ohne weitere Verzögerung, zügig und angemessen."
"Berechnende Grausamkeit"
Israel bot er Hilfe bei der Aufklärung der Verbrechen durch Hamas-Terroristen vom 7. Oktober an. An Orten der Terroranschläge durch die Hamas und andere Extremisten in Israel habe es "Szenen der berechnenden Grausamkeit" gegeben. Dabei wurden etwa 1.200 Menschen getötet, die meisten davon Zivilisten. Rund 240 Menschen wurden als Geiseln genommen.
"Die Angriffe auf unschuldige israelische Zivilisten am 7. Oktober stellen einige der schwersten internationalen Verbrechen dar, die das Gewissen der Menschheit schockieren", teilte Khan mit. Der Strafgerichtshof sei eingerichtet worden, um solchen Verbrechen nachzugehen. Israel erkennt den IStGH nicht an.
Khan betonte zugleich, dass auch Israel bei Angriffen auf den Gazastreifen an internationales Recht gebunden sei. "Wie ich bereits zuvor gesagt habe, hat Israel ausgebildete Juristen, die Kommandanten beraten, und ein robustes System, das die Einhaltung des internationalen humanitären Rechtes garantieren soll." Fundierte Beschuldigungen über mutmaßliche Kriegsverbrechen müssten unabhängig und schnell geprüft werden.
Ermittlungen seit 2021
Der Ankläger äußerte zudem große Sorge über die zunehmende Zahl von Angriffen bewaffneter israelischer Siedler auf palästinensische Bürger im Westjordanland. "Kein Israeli, der mit einer extremen Ideologie und einer Schusswaffe bewaffnet ist, kann denken, dass er mit Straffreiheit gegen palästinensische Zivilisten vorgehen kann", sagte Khan. Sein Büro ermittele weiter zu solchen Fällen.
Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Die Palästinensergebiete sind seit 2015 Vertragsstaat des Gerichts. Israel ist hingegen kein Vertragsstaat. Das Gericht hatte 2021 festgestellt, dass es auch für die seit 1967 besetzten Gebiete wie das Westjordanland und den Gazastreifen zuständig ist. Die israelische Regierung erkennt den Strafgerichtshof allerdings nicht an und verweist darauf, dass Palästina kein Staat sei.
Regev: "Maximale Anstrengungen"
Der israelische Regierungsberater Mark Regev wies Vorwürfe zurück, sein Land würde zu wenig unternehmen, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. "Wir unternehmen maximale Anstrengungen, vielleicht sogar nie da gewesene in ähnlichen Umständen", sagte Regev der BBC. Die Schuld für zivile Todesopfer liege zudem bei der Hamas, weil sie militärische Infrastruktur in Wohnvierteln verstecke.
Vor allem das Tunnelsystem der Hamas nimmt Israel ins Visier. Nach Angaben der Armee wurden seit Beginn des Krieges mehr als 800 Tunnelschächte gefunden. Rund 500 davon seien bereits zerstört worden, teilte das Militär mit. Einige der Tunnelschächte hätten strategische Einrichtungen der Hamas unterirdisch miteinander verbunden, hieß es in der Mitteilung.
Nach Darstellung der Armee befanden sich die Tunnelschächte in zivilen Wohngebieten, teilweise neben Schulen, Kindergärten und Moscheen. In einigen seien Waffen gefunden worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Nach dem Ende der Feuerpause hatte Israel seine Militäroffensive auf den Süden des Gazastreifens ausgeweitet und dabei die Luftangriffe auf Ziele der Hamas massiv verstärkt. Ein Sprecher der Hamas-Behörde teilte mit, bei Angriffen im gesamten Gazastreifen seien binnen 24 Stunden mehr als 700 Menschen getötet worden. Kein Ort im Gazastreifen sei gegenwärtig sicher. Auch diese Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, James Elder, kritisierte die israelischen Angriffe während eines Besuchs im Süden des Gazastreifens scharf. Dort finde ein "Blutbad" statt, das "unmoralisch" sei und das "mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird", sagte Elder dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Wer das hinnehme, mache sich selbst schuldig. "Schweigen ist Mittäterschaft", sagte Elder.
Am Samstag hatten US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Verteidigungsminister Lloyd Austin Israel aufgefordert, Zivilisten besser zu schützen. Harris wie Austin machten zudem deutlich, dass es eine politische Perspektive eines eigenen Staates neben Israel für die Palästinenser geben müsse.