Menschen am Strand von Shanghai
reportage

Wie Shanghai mit Hitze umgeht Verhüllen, kühlen - und tanzen am frühen Morgen

Stand: 13.08.2024 10:35 Uhr

In China war der Juli der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Menschen in Shanghai haben Wege gefunden, mit der extremen Hitze umzugehen und trotzdem das Leben zu genießen.

Von Carolin Voigt, ARD-Studio Shanghai

8.30 Uhr im zentralen Fuxing-Park in Shanghai. Obwohl es am Vorabend gewittert hat, sind schon wieder 35 Grad im Schatten. Die Zikaden füllen den Park mit ihrem charakteristischen Rattern. In einer schattigen Ecke des Parks sind Seniorinnen und Senioren zusammengekommen, um ein wenig zu tanzen. Aus dem mitgebrachten Lautsprecher scheppert die Musik.

Im langsamen Dreivierteltakt wiegen sich eine handvoll Paare unter den Platanen. Einige der Tanzenden seien schon an die 90 Jahre alt, erzählt eine Dame, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie ruht sich gerade auf einer Bank aus. Bei Hitze habe sie ein besonderes Lieblingsgericht: "Wenn es heiß ist, esse ich Mungobohnen-Suppe oder Liliensuppe. Damit geht es. Man gewöhnt sich an die Hitze." Mungobohnen gelten in der traditionellen chinesischen Medizin als kaltes Lebensmittel. Sie sollen das Feuer im Körper stillen.

Menschen im Fuxing-Park in  Shanghai

Im Fuxing-Park in Shanghai suchen die Menschen Erholung von der Hitze.

Lieber im Freien als zu Hause langweilen

Ein paar Schritte weiter zwei Damen um die 70, beide mit Sonnenbrille. Eine hält einen Handventilator vor ihr Gesicht - neben klassischen Fächern ein gängiges Accessoire dieser Tage in China. Ein Geschenk ihrer Tochter, sagt sie. Ihre Freundin Zhu Huilin erzählt, was sie noch machen bei Temperaturen um die 40 Grad: "Wir tragen sommerliche Kleidung. Und wir kommen morgens hierher für Bewegung. Für uns Rentnerinnen ist es zu Hause langweilig."

Nachmittags gehen die beiden zur Zeit nicht raus, erzählt Zhu weiter. Da halten sie sich nur in klimatisierten Räumen auf. Es sei einfach zu heiß in Shanghai dieses Jahr.

Jeder hat sein Lieblingsrezept gegen Hitze

Eine Gruppe älterer Herren in einer anderen Ecke des Parks. Wie jeden Morgen haben sie sich im Schatten einer Pergola zusammengefunden. Sie trinken grünen Tee, mitgebracht in eigenen Trinkbechern. Leidenschaftlich erklären sie, dass grüner Tee am besten gegen das Schwitzen hilft: "Nein, Kaffee ist nicht gut. Wir sind eine Tee-Nation. Das haben wir von unseren Vorfahren."

Einer der Männer, ein ehemaliger Fahrer, der seine Namen auch lieber nicht nennt, hat außerdem einen Trick parat. Er zeigt ein altes Handtuch und erklärt, wie er es morgens nass macht und sich dann auf dem Weg in den Park über den kahlen Kopf legt - und so einen kühlen Kopf bewahrt.

Spätestens 11.30 Uhr verziehen sich auch die älteren Herren in ihre klimatisierten Wohnungen. Das ist sicherer. Mit der Extremhitze haben etliche Notaufnahmen in Shanghai mehr Einlieferungen verzeichnet. Eine nationale Statistik über Hitzetote gibt es in China nicht. Doch lokale Medien berichten und berufen sich auf örtliche Behörden. Demnach gab es in den letzten Tagen einen Hitzetoten in Shanghai und zwei weitere in der Stadt Shenzhen.

Eisspray auf die Kleidung

Alle, die nicht im Rentenalter sind, halten sich während der heißesten Stunden des Tages in Büros oder anderen Innenräumen auf und lassen sich ihr Mittag liefern, um bloß nicht raus zu müssen. Die 38-jährige Danny Cheng hat vor der Arbeit noch im Fuxing Park vorbeigeschaut und einen Shopping-Tipp: Eisspray, das nicht auf die Haut kommt - so wie bei Sportverletzungen - sondern auf die Kleidung: "Ich nutze Sonnencreme. Und dann haben wir noch diese Eissprays für die Kleidung. Das kühlt dich sofort runter."

Sie achte generell darauf, vor allem Kopf und Augen vor der Sonne zu schützen: "Ja, das mache ich. Um mein Gesicht zu schützen, trage ich einen Hut und Sonnenbrille. Wenn man zu viel in die Sonne schaut, bekommt man im Alter Grauen Star."

Menschen am Strand von Shanghai

Facekinis sollen das Gesicht vor Hitze und UV-Strahlen schützen.

Höchste Temperaturen seit 1961

Doch nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, auch der Schönheit halber verhüllen sich vor allem Chinesinnen teils komplett: lange Ärmel und Hosen, Socken in die Sandalen, Sonnenschilde, UV-dichte tragbare Sonnenschirme und nicht zuletzt der Facekini - eine Vollverhüllung von Kopf und Gesicht. Anders als in Europa ist gebräunte Haut hier verpönt. Das Ideal ist ein heller Elfenbein-Teint.

Diese speziellen Hilfsmittel sind nun schon seit einigen Monaten zu sehen. China erlebt seit dem Frühjahr ungewöhnlich warmes Wetter. Offiziellen Daten zufolge erreichten die Durchschnittstemperaturen ihren höchsten Wert seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1961.

Durch die Sommermonate zieht sich eine Hitzewelle nach der anderen. Ein Ende der hohen Temperaturen ist derzeit nicht in Sicht. Und so bleiben den Menschen weiter nur der Morgen und der Abend, um sich für ein wenig Bewegung im nächsten Park zu treffen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. August 2024 um 16:45 Uhr.