Istanbul: Menschen rufen Parolen während einer Protestkundgebung gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu (20.03.2025)
Player: videoProteste in der Türkei halten nach Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlus weiter an

Demonstrationen in der Türkei Neue Protestaufrufe und neue Warnungen

Stand: 21.03.2025 13:02 Uhr

In der Türkei kommt es trotz Verboten weiter zu Massendemonstrationen gegen die Festnahme des Istanbuler Oberbürgermeisters İmamoğlu. Die Behörden warnen vor Protesten - und gehen verstärkt gegen Äußerungen in sozialen Medien vor.

In der Türkei wächst der Druck auf die Menschen, die seit Mittwoch gegen die Festnahme des Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu demonstrieren. Die Regierung warnte vor weiteren Straßenprotesten.

Innenminister Ali Yerlikaya schrieb auf der Plattform X, bislang seien gegen 53 Menschen Ermittlungen im Zusammenhang mit den Protesten eingeleitet worden, 16 Polizisten seien zudem verletzt worden.

Zudem verschärften die Sicherheitsbehörden ihr Vorgehen im Zusammenhang mit Beiträgen in sozialen Medien. Wie Yerlikaya weiter mitteilte, hätten Behörden 326 verdächtige Inhaber von Online-Accounts wegen "Anstiftung zu Straftaten" identifiziert, davon lebten 72 im Ausland. 54 Verdächtige seien inzwischen festgenommen worden, gegen die übrigen Verdächtigen gehe man ebenfalls vor.

Die seit Mittwoch anhaltenden Beschränkungen sozialer Medien und Nachrichtendienste in Istanbul wurden jedoch wieder aufgehoben. Die Bandbreitendrosselung wurde nach 42 Stunden beendet, wie Cyberrechts-Aktivist Yaman Akdeniz auf X bestätigte. In der Zeit war der Zugang zu Portalen und Diensten wie X, YouTube, Instagram, Facebook, TikTok, Telegram, Signal und WhatsApp von Istanbul aus nicht möglich.

Weitere Städte verhängen Demonstrationsverbote

Trotz eines anhaltenden Demonstrationsverbots gingen am Donnerstagabend erneut viele Menschen in Istanbul gegen die Festnahme des CHP-Politikers İmamoğlu auf die Straße. Die Proteste hatten sich auf das Universitätsgelände und das Rathaus von Istanbul konzentriert, vereinzelt kam es dabei zu gewaltsamen Zusammenstößen.

Bei den Demonstrationen in der Hauptstadt Ankara schlossen sich Parlamentsabgeordnete zu einem Marsch zusammen. Laut Medien und Oppositionspolitikern wurden Plastikgeschosse gegen Demonstrierende eingesetzt. Das Kommunikationsdirektorat der Regierung bezeichnete dies als Falschinformation.

Inzwischen verhängten weitere Städte ein Demonstrationsverbot. In Ankara sowie in der Hafenstadt Izmir gilt dies nach Behördenangaben bis einschließlich Dienstag.

"Verfassungsmäßige Rechte wahrnehmen"

CHP-Chef Özgür Özel erneuerte am Freitag dennoch seinen Protestaufruf: "Ich lade Zehntausende, Hunderttausende und Millionen ein, friedlich zu demonstrieren, unsere demokratische Reaktion zum Ausdruck zu bringen und unsere verfassungsmäßigen Rechte wahrzunehmen."

An die türkische Regierung gewandt sagte Özel: "Denjenigen, die sagen, es sei unverantwortlich, die Menschen auf die Straßen zu rufen, entgegne ich: Wir sind nicht diejenigen, die diese Straßen und Plätze füllen. Es sind eure Gesetzlosigkeit und eure Ungerechtigkeiten, die die Menschen auf die Straße gebracht haben."

Der türkische Justizminister Yilmaz Tunç bezeichnete die erneuten Aufrufe als unverantwortlich. "Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sind Grundrechte. Aber während einer laufenden Ermittlung zu Protesten aufzurufen, ist illegal und inakzeptabel", schrieb Tunç auf X. Er rief zur Ruhe auf und mahnte, die "unabhängige und unparteiische Justiz" bewerte den Fall.

Terror- und Korruptionsvorwürfe gegen İmamoğlu

Am Mittwochmorgen war İmamoğlu gemeinsam mit vielen weiteren Menschen festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte dies mit Terror- und Korruptionsvorwürfen begründet.

Oppositionelle werfen der Regierung vor, hinter der Festnahme zu stecken, um damit einen politischen Konkurrenten auszuschalten. Der Istanbuler Oberbürgermeister gilt bei der für 2028 angesetzten Präsidentenwahl als potenziell aussichtsreichster Herausforderer des autoritär regierenden Amtsinhabers Recep Tayyip Erdoğan.

Player: videoMarkus Rosch, ARD Istanbul, zur Lage in der Türkei und über Proteste gegen Erdogan

Markus Rosch, ARD Istanbul, zur Lage in der Türkei und über Proteste gegen Erdogan

tagesschau24, 21.03.2025 09:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. März 2025 um 09:00 Uhr.