Indiens Premier Modi Mit Symbolpolitik zum Hindu-Staat
Indiens Premier weiht eine gigantische "Statue der Gleichberechtigung" aller Religionen ein - für Kritiker ein Hohn: Sie sehen Modis Auftritt als weiteren Schritt Richtung Hindu-Nation, in der sich andere Gläubige unterordnen sollen.
Man sieht sie schon von weitem, sie glänzt golden in der Sonne: Im südindischen Hyderabad wurde am Wochenende die mit 65 Metern zweithöchste sitzende Statue der Welt eingeweiht. Sie stellt den Hindu-Priester Bhagavad Ramanuja dar. Er soll vor 1000 Jahren gelebt haben und 120 Jahre alt geworden sein. Er gilt als Reformer, da er Gleichberechtigung für alle Glaubensrichtungen und Kasten gelehrt habe.
Zwölf Tage dauern die Feierlichkeiten in dem für Ramanuja errichteten Tempelkomplex. Ein Bauunternehmer hat das Land gekauft und zur Verfügung gestellt. Gebaut wurde mit Spenden von Hindus aus aller Welt. Die Einweihung übernahm Indiens Premierminister Narendra Modi. "Statue der Gleichberechtigung" nennt er die 65 Meter hohe Figur des Hindu-Heiligen.
Bei der Zeremonie im Ramanuja-Tempel bei Hyderabad erzählte Modi den handverlesenen Gästen, dass er 108 Tempel in Indien besucht habe. Hindu-Heilige wie Ramanuja sollten jeden Landsmann inspirieren.
Modi bekommt tatkräftige Unterstützung von den religiösen Hindu-Führern Indiens. Bei der Einweihungszeremonie begleitete ihn der Mönch Chinna Jeeyar Swami, ein einflussreicher Guru, dem Millionen Hindus folgen. Fragt man ihn, ob Minderheiten die gleichen Rechte wie Hindus haben sollen, erklärt er einem: "Kastenzugehörigkeit, Glaube, Religion oder Geschlecht spielen keine Rolle." Ethnizität und Hautfarbe könnten nicht verändert werden - wohl aber die Religion, setzt er hinzu.
Religion könne sich ändern, sagt der Guru
Der Autor Nilanjan Mukhopadhyay lebt in Neu-Delhi und hat über Modi 2013 eine Biografie geschrieben. In seinem jüngsten Buch schildert er, wie Modi und seine rechtspopulistische Partei mit einem ganz besonderen Hindu-Tempel Politik machen. Er wird gerade in Ayodhya im nördlichen Bundesstaat Uttar Pradesh zu Ehren des Hindu-Hauptgotts Ram gebaut und soll 250 Meter hoch werden. Modi legte wie ein Hohepriester der Hindu-Nation den Grundstein.
Der Tempel steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt eines erbitterten Streits und soll im Dezember des kommenden Jahres geweiht werden. Hindu-Nationalisten werten das schon jetzt als epochalen Sieg. Der Ort gilt laut Sanskrit-Schriften als Geburtsort von Ram. Dort aber wurde im 16. Jahrhundert die Babri-Moschee gebaut.
Hindu-Aktivisten - unter ihnen BJP-Mitglieder - organisierten Kundgebungen, die Anfang der 1990er-Jahre in Gewalt umschlugen, bei denen die Moschee schließlich zerstört wurde. Der Oberste Gerichtshof Indiens entschied fast 30 Jahre später, die Stätte gehöre den Hindus, der Ram-Tempel dürfe gebaut werden. Ein Triumph für die Hindus im Land, ein bitterer Moment dagegen für Indiens Moslems.
"Demokratische Prinzipien Indiens ausgehöhlt"
Für Autor Nilanjan Mukhopadhyay sind der Ram-Tempel, aber auch der Ramanuja-Tempel Beispiele dafür, dass Modi und die BJP dabei sind, Indien in einen Hindu-Staat zu verwandeln. "Das ist ein Staat, der glaubt, dass die Hindu-Gemeinschaft mehr Privilegien hat als andere Teile der Gesellschaft oder religiöse Minderheiten", sagt er - denn die würden sich in Zukunft in den von der hinduistischen Mehrheitsgesellschaft definierten Grenzen bewegen müssen: "Wenn die Hindu-Gemeinschaft glaubt, dass die Figur X eine sehr wichtige Persönlichkeit ist, weil zum Beispiel Ramanujas Tempel von Herrn Modi eingeweiht wurde und sie Ramanuja als sehr wichtigen Heiligen betrachten, dann müssen auch andere, die ihre eigene Religion, Islam oder Christentum, praktizieren, diesen Heiligen als einen sehr großen Heiligen ansehen."
Tatsächlich sieht sich Modi der Tradition Ramanujas. Er ließ vor dem Tempel ein überlebensgroßes Porträt von sich selbst aufstellen. Darauf steht: "Gleichheit beginnt mit uns". Ein populistisches Versprechen - aber keineswegs an alle Inder, meinen Kritiker: Modi und seine rechte hindu-nationalistische BJP benutzten den Slogan vielmehr zum gesellschaftlichen Umbau des Landes zu einer Hindu-Nation.
Auf dem Weg zum Ende der Religionsfreiheit?
Mukhopadhyay sieht bereits Bemühungen, die Religionsfreiheit in Indien einzuschränken. "Wenn dies offiziell von der staatlichen Politik abgesegnet wird, ist das ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Hindu-Staat. Herr Modi höhlt die demokratischen Prinzipien Indiens bereits definitiv aus."
In diesem Jahr feiert Indien 75 Jahre Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft Großbritanniens. In diesem besonderen Jahr solle sich jeder Landsmann vom "Quell der Unabhängigkeit inspirieren lassen", sagte Narendra Modi bei der Tempel-Zeremonie. Das friedliche Miteinander der Religionen kam in seiner 50-minütigen Rede nicht vor.
Ein prunkvoller Moment, dessen Glanz auf Modi zurückfällt: Indiens Regierungschef weiht die Ramanuja-Statue ein und stellt sich damit in die Tradition des Priesters.