Indonesien und China Regionalmacht von Chinas Gnaden
Indonesien und China hatten ein schwieriges Verhältnis - bis zur Pandemie. Dann stärkten Impfstofflieferungen und Handel den Zusammenhalt. Inzwischen wird Indonesien in Peking hofiert. Denn auch China zieht daraus Vorteile.
Dass Xi Jinping ausländische Staatsgäste in Peking empfängt, ist unter Chinas Corona-Regime auch in diesem Jahr eine Ausnahme. Indonesiens Staatoberhaupt Joko Widodo durfte es deshalb als besonderes Signal interpretieren, dass Xi ihn Ende Juni in der chinesischen Hauptstadt willkommen hieß - als ersten ausländischen Gast seit dem Ende der Olympischen Winterspiele im Februar.
Man vereinbarte eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sollen die Beziehungen vertieft werden. Mindestens ebenso wichtig war aber die Botschaft, die von dem Treffen ausging: China, sagt Ian Chong, Politikwissenschaftler an der nationalen Universität von Singapur, habe mit dem Treffen "eine hohe Wertschätzung" Indonesiens demonstriert, aber auch seine "Unabhängigkeit von anderen starken Volkswirtschaften". Und Indonesien sei als "wichtiger regionaler Akteur" gewürdigt worden.
Streit um eine Inselgruppe
China und Indonesien - das war noch vor der Pandemie eine komplizierte, spannungsgeladene Beziehung. Ende 2019, Anfang 2020 gerieten beide Länder wegen der Natuna-Inseln aneinander, einer kleinen Inselgruppe im Südchinesischen Meer.
Zwar erkannte China an, dass die Inseln zu Indonesien gehören, wollte aber in den Gewässern um die Inseln herum fischen und machte historisch gewachsene Rechte geltend. Indonesien verwies derweil auf die Zugehörigkeit der Inseln zum Archipel.
Dabei spielt auch die Sorge um Rohstoffvorkommen eine Rolle. Denn die Gegend ist reich an Bodenschätzen. Die Gasfelder im Natuna-Meer gehören zu den größten unerforschten Gasreserven der Welt - und das machte die Inseln schon vor der durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiekrise wirtschaftlich hochinteressant.
Doch gerade in der Pandemie näherten sich beide Staaten wieder an. Als das Virus Indonesien erreichte, wandte sich die Regierung an China, das zum Hauptlieferanten von Sinovac-Impfstoffen wurde.
China braucht Rohstoffe
Der Handel lief ohnehin unbeeinträchtigt von den politischen Spannungen: China ist Indonesiens wichtigster Handelspartner. Allein im ersten Halbjahr 2022 stiegen die indonesischen Exporte nach China um mehr als ein Drittel. China braucht Rohstoffe - Nickel, Kohle, Kupfer, Erdgas und Kokosöl. Und Indonesien hat sie.
Eine pragmatische Beziehung, so nennt Leo Suryadinata, Sinologe am Yusof Ishak Institute (ISEAS) in Singapur diese Entwicklungen. China suche nach "neuen Bündnissen in der Region", während Indonesien sich von einer Großmacht "gesehen" und unterstützt fühle.
Dabei erfüllen sich nicht alle Erwartungen an gemeinsame, prestigeträchtige Vorhaben. Da ist vor allem die geplante Hochgeschwindigkeits-Trasse Jakarta-Bandung. Vor sieben Jahren hatte Widodo einen chinesischen Konzern mit dem Bau der 5,5-Milliarden-Dollar-Strecke beauftragt. Geschätzte fünf Jahre sollte der Bau dauern und über 142 Kilometer die Reisezeit zwischen der Hauptstadt Jakarta und der populären Stadt Bandung von mehr als drei Stunden auf nur 40 Minuten verkürzen.
Ein weiterer Erfolg für Chinas Projekt der "Neuen Seidenstraße", hieß es damals - und für Jakarta eine Verbesserung der Infrakstruktur im Land und ein Zeichen, dass es auf technologischer Ebene aufholt.
Die Baustelle in Jakarta, die einmal der Bahnsteig für den Schnellzug nach Bandung sein soll.
Aufwertung zur Regionalmacht
Doch noch rollen keine Züge über die Gleise. In Peking verpflichteten sich die Staatschefs jetzt, die Strecke im Jahr 2023 fertigzustellen. Damit versuchen beide das Bild einer erfolgreichen Kooperation aufrecht zu erhalten: "Als wichtiges Vorzeige-Projekt darf diese Zusammenarbeit nicht scheitern", sagt der Sinologe Suryadinata. Denn beide Seiten wahrten damit ihr Gesicht.
Auch wenn Interessengegensätze bleiben: Indonesien kann sich als regionale Macht bestätigt fühlen. Diese Rolle versucht es verstärkt auszufüllen - im Staatenbündnis ASEAN und in diesem Jahr auch als Gastgeber des G20-Gipfels auf Bali. Symbolträchtige Bilder gehören dazu - zumal, wenn sie in Peking entstehen.