Ostasien Warum Putin den Indonesiern imponiert
Russland pflegt seit Jahrzehnten enge Beziehungen zu Indonesien. Nach Großinvestitionen und Imagekampagnen ist das Land beliebt: Viele glauben Kreml-Narrative, äußern Sympathie für Putin - und begründen das mit ihrer eigenen Geschichte.
"Ich liebe Putin. Er ist sehr klug, charismatisch und sehr stark", sagt Pande bewundernd. Der 42-Jährige sitzt im Klassenraum einer Russisch-Sprachschule auf Bali. Der russische Präsident ist in Indonesien beliebt, besonders unter indonesischen Jugendlichen.
In den sozialen Medien kursieren viele pro-russische Videos. Sie treffen den Geschmack der indonesischen Bevölkerung, zeigen Putin mit süßen Hunden, als pflichtbewussten Ehemann oder machtvollen Chef des Militärs.
Die anderen sechs Sprachschüler in Pandes Klasse teilen seine Meinung. In ihrem Alltag auf Bali fahren sie Taxi, verkaufen Immobilien, führen Touristen über die Insel. Sie haben täglich mit vielen Russinnen und Russen zu tun, die auf Bali arbeiten oder Urlaub machen.
Russland hat viel für sein Image getan
Moskau und Jakarta pflegen ihre engen Beziehungen schon seit Jahrzehnten. So habe die Sowjetunion bereits in den 1950er-Jahren die internationale Anerkennung der indonesischen Unabhängigkeit unterstützt, erklärt Reynaldo de Archellie. Er unterrichtet Russisch-Studien an der größten staatlichen Universität des Landes. "Die Beziehung beider Länder ist eng und wächst besonders seit den 2000er-Jahren immer weiter."
Russland investiert in Bahnstrecken, Raffinerien, importiert Palmöl, Kaffee oder Kautschuk. Auch auf Bildungsebene wird kooperiert. So erhalten zum Beispiel de Archellie und seine Studenten Stipendien für Studienaufenthalte in Russland.
In der Hauptstadt Jakarta finanziert Russland ein russisches Kulturzentrum, wo unter anderem Sprach- und Kochkurse angeboten werden. Über die staatlich finanzierte Website "Russia Beyond" werden pro-russische Nachrichten in lokaler Sprache verbreitet.
Russland hat es knapp drei Jahrzehnte nach den Tschetschenien-Kriegen sogar geschafft, sich in Indonesien ein islamfreundliches Image zu verschaffen. "Unter der Führung Putins ist der Islam ein Teil Russlands geworden. Die nationale Identität Russlands umfasst nun auch den Islam", meint de Archellie. Ein sehr wichtiger Sympathiepunkt: Indonesien ist das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung.
Eine Deutung, die verfängt: Der Krieg in der Ukraine wird in Indonesien auch als Widerstand gegen westliche Vorherrhaft gesehen, sagt Budiman Sudjatmiko.
Skeptisch gegenüber den USA
Anders steht es um das Image der USA im Land. Indonesier mögen zwar den westlichen Lebensstil und sind klare Befürworter der Demokratie, die US-Außenpolitik empfinden viele jedoch als expansionistisch.
Kriege in mehrheitlich muslimischen Ländern wie Afghanistan, Irak oder Libyen schüren die Abneigung seit Jahren. "In Bezug auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine wird Russland als das einzige Land gesehen, das den Mut hat, sich westlichen Expansionsplänen zu widersetzen", sagt Budiman Sudjatmiko, Mitglied der Regierungspartei und jahrelang Abgeordneter im indonesischen Parlament.
Er berichtet, dass er im Alltag regelmäßig Gespräche von Menschen mitbekomme, die sich Sorgen machen, dass "der Westen es auf die Ukraine abgesehen habe". Viele Menschen in Indonesien könnten verstehen, dass Russland sich dadurch bedroht fühle und empfänden Sympathie.
"Die Indonesier neigen zu jedem, der gegen die westliche Vorherrschaft kämpfen kann," ergänzt Sudjatmiko. Diese Haltung sei auch auf die eigene koloniale Geschichte zurückzuführen.
Außenpolitische Neutralität - aber nicht völlig
Auf hoher diplomatischer Ebene verfolgt die indonesische Regierung seit Jahren eine Außenpolitik der Neutralität, will sich auf keine Seite stellen. Präsident Joko Widodo präsentiert sich als Vermittler: Er besuchte vor kurzem erst Kiew und reiste dann weiter nach Moskau.
Budiman Sudjatmiko betont jedoch, dass Indonesien nicht völlig neutral sei. Der Präsident habe den Einmarsch klar abgelehnt. "Wir sind jedoch gegen Sanktionen. Sie sind nicht verhältnismäßig. Wir dürfen Russland nicht isolieren. Die Auswirkungen auf die Energie- und Lebensmittelversorgung können enorm sein. Wir wollen kein Benzin in ein Feuer gießen, das bereits brennt."
Es zeige sich schon jetzt, sagt Sudjatmiko, dass die Sanktionen mehr den Ländern schadeten, die sie verhängt haben. Eine Aussage, die an die russische Erzählweise erinnert.
Putin-Video begeistert
In der Sprachschule auf Bali ist gerade Pause. Schülerin Dida hält ihr Handy in die Runde. Auf dem Bildschirm ist ein Video, das in Indonesien fast jeder kennt: Es zeigt Putin bei einer seiner Reden zum Tag des Sieges am 9. Mai. Am Ende ruft er kampfesmutig und langgezogen "Hurra!". Tausende Soldaten erwidern den Schlachtruf.
Bei den Studierenden ruft das große Bewunderung hervor. Sie haben vor wenigen Tagen erst selbst ihren Unabhängigkeitstag mit großen Paraden gefeiert.
Die Teilnehmenden des Russischkurses hoffen, dass ihnen Sprachkenntnise im Beruf helfen - Sympathie für Russland bringen sie mit.
"Alle Länder sollten solche Armeen haben", sagt Schüler Okjen. "Wenn ich das Video sehe, fühle ich Patriotismus, Führungsstärke, Heldentum. Jedes Land, das jemals angegriffen oder kolonialisiert wurde wie wir Indonesier, wird das nachempfinden können."
In Indonesien fällt russische Propaganda auf fruchtbaren Boden.
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